Vor rund sechs Jahren kamen hunderttausende Menschen als Flüchtlinge in Deutschland an. Die REWE Group half von Beginn an bei der beruflichen und sozialen Integration. Ibrahim Dourra Maiga, 39, HR-Experte für Integration der REWE-Region Süd, über Erfolge und Herausforderungen.
one: Herr Maiga, Arbeitsmarktexperten berichten, die Integration Geflüchteter sei auf einem guten Weg, benötige aber noch viel Zeit und weitere gezielte Hilfen. Wie ist die Situation bei REWE?
Ibrahim Dourra Maiga: Tatsächlich verläuft die Integration nach meiner Einschätzung auch bei REWE sehr gut. Über unser Programm KIMAT (Konzept zur Integration von Migranten in den Arbeitsmarkt und in den Teams) haben wir eine Vielzahl von Maßnahmen etabliert, die das Zusammenleben zwischen Migrant:innen und Nicht-Migrant:innen im Unternehmen erleichtern.
one: Wie sieht die Unterstützung konkret aus?
Ibrahim Dourra Maiga: Mit ausbildungsbegleitenden Hilfen, Prüfungsvorbereitungskursen und Patenschaftsprogrammen sorgen wir dafür, dass die Menschen auf dem Arbeitsmarkt Anschluss finden. Dazu haben wir soziale Netzwerkpartner:innen die bei alltäglichen Dingen helfen, zum Beispiel bei der Wohnungssuche oder bei finanziellen Fragen. All das sorgt für weniger Fluktuation und trägt dazu bei, dass sich Geflüchtete bei REWE wohlfühlen. Im vergangenen Jahr haben wir in der Region Süd 86 Geflüchtete eingestellt. 77 von ihnen konnten wir in die Ausbildung, drei in eine Einstiegsqualifizierung und drei weitere in ein normales Arbeitsverhältnis übernehmen. Die übrigen drei sind im Rahmen des Qualifizierungsprogramms REWE Kombi beschäftigt.
„Die Mitarbeitenden helfen engagiert bei Verständigungsproblemen“Dourra Maiga, HR-Experte für Integration der REWE-Region Südone: Bewerbungen von Geflüchteten scheiterten häufig an fehlenden Deutschkenntnissen. Ist das immer noch ein Thema?
Ibrahim Dourra Maiga: Quantität und Qualität der Bewerbungen haben sich deutlich verbessert. Im vergangenen Jahr haben sich in der Region Süd 321 Geflüchtete um eine Ausbildung beworben; 2019 waren es erst 259. Immer häufiger sind darunter Kandidaten mit guten bis sehr guten Deutschkenntnissen auf dem Niveau von B2 bis C1. Auch für unser Abiturientenprogramm erhalten wir vermehrt Bewerbungen von Geflüchteten. Dabei ist die Anerkennung der im Ausland erworbenen Zeugnisse mitunter eine Herausforderung.
Aber noch einmal zu den Sprachkenntnissen: Die Hürde der alltäglichen Deutsch-Defizite ist in weiten Teilen überwunden. Jetzt geht es eher darum, Fachbegriffe der Handels- und REWE-Welt zu erläutern und die Schreibfertigkeit zu verbessern. Dabei kommen wir gut voran. Vereinzelt sind Märkte zum Lernort für die deutsche Sprache geworden, weil die Mitarbeiter:innen dort sehr engagiert helfen, Verständigungsprobleme zu lösen.
one: Potenzielle Arbeitgeber und Ausbilder wird interessieren: Wie ist die aktuelle rechtliche Situation?
Ibrahim Dourra Maiga: Geduldete und Asylbewerber:innen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern dürfen in Deutschland nicht arbeiten, auch wenn sie für eine Ausbildung geeignet sind. Als sichere Länder gelten neben der EU, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, die ehemalige jugoslawische Republik, Montenegro und der Senegal. Für die andere Zielgruppe Geduldete und Personen mit einer Gestattung aus unsicheren Herkunftsländern stellen wir einen Antrag auf Ausbildungsduldung im Rahmen der 3+2-Regelung.
one: Was heißt 3+2?
Ibrahim Dourra Maiga: Wer sich drei Jahre lang ausbilden lässt, dann als Flüchtling nicht anerkannt, sondern nur geduldet wird, darf danach mindestens zwei Jahre in Deutschland arbeiten. Die Arbeitsgenehmigung wird jedoch aufgehoben, sobald der Asylantrag abgelehnt wird oder ein Geflüchteter nicht an dem Prozess seiner Identifikation mitwirkt. Im vergangenen Jahr konnten so 44 Auszubildende bei uns in der Region Süd anfangen. Drei weitere Bewerber haben leider keine Genehmigung für eine Ausbildung bekommen.
„Wir planen ein Diversity-Kochbuch mit Beiträgen unserer ausländischen Mitarbeitenden.“Dourra Maiga, HR-Experte für Integration der REWE-Region Süd
one: Führen fehlende Genehmigungen zu mehr Fluktuation?
Ibrahim Dourra Maiga: Die Fluktuation ist ein Gradmesser für den Erfolg unserer Integrationsmaßnahmen. Wenn Geflüchtete die REWE verlassen, hängt das meist damit zusammen, dass sie den Bescheid für ihre Abschiebung erhalten haben. Häufig konnten wir in solchen Fällen intervenieren und eine Abschiebung verhindern. Ich kenne aber auch zwei Fälle, in denen wir die Abschiebung nicht verhindern konnten.
one: Zu guter Letzt: Welche Rolle spielen kulturelle Unterschiede bei der Integration?
Ibrahim Dourra Maiga: Mit ihnen umzugehen, ist mitunter eine Herausforderung. Zum Beispiel, wenn es um die Kommunikation zwischen Vorgesetzten und Migranten geht oder um den Umgang mit Schweinefleisch. Wir versuchen diese Herausforderungen im Rahmen unseres KIMAT-Programms zu bewältigen, zum Beispiel durch Workshops und Patenprogramme. Ein Instrument, um die Sensibilität und das Verständnis für kulturelle Vielfalt zu erhöhen, ist auch unser geplantes REWE Diversity-Kochbuch. Darin werden ausländische Mitarbeitende sich und ihr Lieblingsrezept vorstellen.