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ArticleId: 2109magazineDamit noch mehr Menschen mit einer Behinderung einen Arbeitsplatz finden, ist es wichtig, Vorurteile abzubauen. Vor allem unter Führungskräften, findet die Disability Managerin der REWE International AG. Ein Interview.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/a/f/csm_TT_12_03_Diversity_Inklusion_mgt_st_4b41fb0388.jpg„Positive Geschichten gegen Vorurteile“5 Fragen an C. Wallner-Mikl
Caroline Wallner-Mikl, Disability-Managerin REWE International AG
„Positive Geschichten gegen Vorurteile“
von Stefan Weber
Die Konjunktur brummt. Wer einen Job sucht, hat es sehr viel leichter, eine Beschäftigung zu finden als noch vor ein paar Jahren. Auch die Zahl der arbeitslosen Menschen mit einer Behinderung befindet sich auf einem Rekordtief. Um noch mehr von ihnen berufliche Perspektiven zu bieten, gilt es, Vorurteile in der Belegschaft abzubauen. Auch Recruiter müssen lernen, das Bewerbungsgespräche manchmal eigenen Regeln folgen.
one: Nach der Definition der Unfallversicherer in Deutschland ist ein Disability-Manager dafür zuständig, langzeiterkrankte Arbeitnehmer wieder in den Betrieb einzugliedern. Beschreibt das Ihr Tätigkeitsfeld zutreffend?Caroline Wallner-Mikl: Das Spektrum ist sehr viel breiter. Die REWE International AG hat 2015 auch vor dem Hintergrund einer Änderung des Behinderteneinstellungs- und Behindertengleichstellungsgesetzes eine Disability-Strategie entwickelt, die zwei Stoßrichtungen hat. Zum einen barrierefreies Einkaufen: Kunden sollen ohne Mühe in unsere Märkte kommen und soweit wie möglich selbständig einkaufen können. Und wer online einkauft, soll sich auch mit einer Sehbehinderung gut auf unserer Website zurechtfinden. Zum anderen geht es um barrierefreies Arbeiten. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass bei einem Unternehmen unserer Größenordnung vier Prozent der Belegschaft Menschen mit einer Behinderung sein müssen. one: Diese Quote erfüllt REWE International noch nicht?
Caroline Wallner-Mikl: Leider nein, davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Bei der Bewertung sind jedoch zwei Dinge wichtig. Anders als in Deutschland ist es in Österreich nicht möglich, die Beschäftigungsverpflichtung durch die Zusammenarbeit mit Behindertenwerkstätten zu lockern. Zudem gilt in Österreich im arbeitsrechtlichen Sinn nur derjenige als „Mitarbeiter mit Behinderung“, der einen Feststellbescheid besitzt. Ein „einfacher“ Behindertenpass reicht nicht aus. Was die Quote betrifft: In einem ersten Schritt möchten wir bis Ende 2019 einen Wert von zwei Prozent erreichen.  one: Wie soll das gelingen?
Caroline Wallner-Mikl: Indem wir einerseits ein Arbeitsklima schaffen, das Menschen mit Behinderung, die bereits im Unternehmen tätig sind, die Sicherheit gibt, zu ihrer Behinderung offiziell zu stehen. Man darf nicht vergessen, dass man den Großteil der Beeinträchtigungen ja nicht auf den ersten Blick sieht. Darüber hinaus wollen wir uns verstärkt Menschen mit Behinderung proaktiv als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Schließlich geht es um Talente und Potenziale, die diese Menschen mitbringen und auf die wir nicht verzichten wollen. Das alles geht jedoch nicht von jetzt auf gleich. Dafür müssen viele Hürden beseitigt werden.
„Bewerbungsgespräche müssen anders geführt werden: Fokussiert auf den Menschen und seine Stärken.“
Caroline Wallner-Mikl
one: Welche?

Caroline Wallner-Mikl: Wichtig ist, Vorurteile in der Belegschaft abzubauen, insbesondere unter Führungskräften. Das gelingt zum Beispiel über Workshops oder kleine Projekte etwa, indem wir Studierende mit einer Behinderung zu uns einzuladen. Viele Filialen haben Kooperationen mit Sozialunternehmen, die Menschen mit Behinderung vermitteln und dabei begleiten. Recruiter müssen lernen, dass Lebensläufe von Menschen mit einer Behinderung nicht selten Lücken aufweisen, sie oft wenig Berufserfahrung mitbringen und dass Bewerbungsgespräche manchmal anders zu führen sind: Zum Beispiel fokussiert auf den Menschen und seine Stärken. Noch viel zu selten fragen Führungskräfte Kandidaten mit einer Behinderung, was sie benötigen, um gut arbeiten zu können oder wie sie Aufgabenstellungen lösen würden. Führungskräfte neigen dazu, den Menschen mit Behinderung zu sagen, was sie nicht machen können. Der Bewerber lebt mit seiner Behinderung allerdings jahrelang und hat Lösungen gefunden oder sich Strategien zurechtgelegt, an die andere nicht denken. Zudem gibt es auch genügend technische Hilfsmittel, die so manche Behinderung ausgleichen. Schließlich sind Menschen mit Behinderung die Experten in eigener Sache.   one: Wie lässt sich dieser Prozess beschleunigen?
Caroline Wallner-Mikl: Zum einen haben wir bei allen unseren Stelleninseraten den Hinweis hinzugefügt, dass Menschen mit Behinderung bei uns willkommen sind und wir uns über ihre Bewerbung freuen. Zum anderen durch positive Geschichten, die weitererzählt werden wollen und die gibt es schon zahlreich! So haben wir zum Beispiel einen Marktleiter in der Steiermark, der einen jungen Mann ohne Hände für ein paar Tage als Praktikant eingestellt hatte. Das ganze Team war anfangs skeptisch. Dieser verräumte die Ware mit seiner Behinderung in einer solchen Geschwindigkeit und er war so motiviert, dass sein Chef ihn unbedingt fest einstellen wollte. Solche Geschichten präsentieren eindrucksvoll, dass es ein Gewinn ist, einen Menschen mit Beeinträchtigung im Team zu haben. Der Kontakt mit den Kunden funktioniert problemlos – wir bekommen sogar ausschließlich positives Feedback. Wir als Unternehmen sind dadurch glaubhaft, denn gegenseitiger Respekt ist bei uns ein gelebter Wert und keine hohle Phrase. 
Was sagt man…
„Behindert“, „anders begabt“, „besonders befähigt“… was sagt man heutzutage und was ist beleidigend? Das Projekt Leidmedien.de hat einige oft gebrauchte, aber mitunter beleidigende Begriffe gesammelt und macht Verbesserungsvorschläge. Wer unsicher ist, fragt am besten die Person selbst, wie sie gerne bezeichnet werden möchte.

Mensch mit Behinderung

Mensch mit besonderen Fähigkeiten

Die Normalen

Der Rollstuhl

Taubstumm

Beeinträchtigung, beeinträchtigt

Geistige Behinderung

Menschen mit Handicap

Krüppel

Pflegefall

„Zwerge“ und „Liliputaner“

Der Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung
Da geht noch was
Der Arbeitsmarkt entwickelt sich positiv für Menschen mit Behinderung. Dennoch profitieren sie deutlich weniger von der Konjunktur als Arbeitnehmer ohne Handicap.von Bettina Rees Vor wenigen Tagen erschien das Inklusionslagebarometer 2018. Die von Aktion Mensch und dem Handelsblatt Research Institut HRI jährlich erhobenen Daten geben einen Überblick über die Situation am Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderung.  Der Trend ist positiv: Seit Erhebungsbeginn 2013 gibt es mehr Unternehmen mit Beschäftigungspflicht, weniger arbeitslose Schwerbehinderte, weniger (langzeit)arbeitslose Menschen mit Behinderung... Dennoch profitieren Menschen mit Behinderung nicht im gleichen Maße von der seit Jahren anhaltenden guten Konjunktur wie die allgemeine Bevölkerung. Die Daten im Einzelnen: Erneut sinkt die Zahl der Arbeitslosen mit einer Behinderung auf ein Rekordtief von 162.373 (Vorjahr: 170.508) Suchenden. Gleiches gilt für die Arbeitslosenquote Schwerbehinderter, sie liegt bei 11,7 (12,4) Prozent. Es bleibt dennoch wichtig, die Problemfelder auszumachen und hierfür Lösungen zu schaffen. Denn: Der Abstand zur allgemeinen Quote (5,7 Prozent) der Arbeitslosen ohne Behinderung hat sich in diesem Jahr erstmals wieder vergrößert. Ebenfalls gravierend: Arbeitslose mit Behinderung suchen trotz leichter Verbesserung noch immer durchschnittlich 366 (377) Tage nach einer Beschäftigung. Das sind 104 Tage länger als Nicht-Behinderte. Auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist mit 44,4 (45,8) Prozent deutlich höher als bei Menschen ohne Behinderung (35,6 Prozent). Das Problem: Die Dauer der Arbeitslosigkeit bildet zusammen mit Lebensalter und der Schwerbehinderung ganz allgemein ein vermittlungshemmendes Trio.  Ablass statt Einlass Auch die Beschäftigungsquote Schwerbehinderter entfernt sich wieder von der gesetzlichen Vorgabe von fünf Prozent. Sie sinkt leicht von 4,69 auf 4,67 Prozent. Ein Grund dafür ist, dass die  Anzahl von Unternehmen mit mehr als 20 Mitarbeitern auf 160.220 Betriebe gewachsen ist. Diese Firmen müssen Menschen mit Behinderung einstellen. Das heißt: Je mehr Firmen, desto mehr Pflichtarbeitsplätze. Statt einen Mitarbeiter mit Behinderung einzustellen, zahlen manche Firmen aber lieber die Ausgleichsabgabe. Dadurch erhöht sich die Zahl der unbesetzten Pflichtarbeitsplätze auf 37.182 (32.000). Bilanz des Inklusionsbarometers: Es zeigt sich, dass sich die Inklusionslage und das Inklusionsklima im Laufe der Jahre deutlich verbessert haben. Dennoch profitieren Menschen mit Behinderung nicht im gleichen Ausmaß von der guten konjunkturellen Lage. Sie sind häufiger und deutlich länger arbeitslos als Menschen ohne Behinderung. Dabei sind für die gesellschaftliche Integration von Menschen mit Behinderung der Zugang zum Arbeitsmarkt und die Teilhabe am Arbeitsleben von entscheidender Bedeutung. Die ganze Studie zum „Inklusionslagebarometer Arbeit“ gibt es hier:
aktion-mensch.de/inklusionsbarometer.html
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