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one_Interview mit Daniel Udayanan, Rohstoff- und Trendanalytiker im Eigenmarken-Einkauf
„Bei genauer Betrachtung relativiert sich manche Preisforderung“
von Achim Bachhausen und Bettina Rees

Weltweit sind die Rohstoffmärkte unter Druck. Warum dennoch nicht jede Preisforderung der Lieferanten gerechtfertigt ist, verrät Daniel Udayanan im one_Interview. Joachim Mann von Seeberger erklärt am Beispiel Nüsse, wie Klimawandel, Politik und Corona auf die Preise wirken. 

Daniel Udayanan one: Herr Udayanan, was sind aktuell Ihre größten Themen und Herausforderungen?
Daniel Udayanan:
Viele Rohstoffmärkte stehen aktuell unter Druck. Die Lieferketten sind aktuell nicht im Gleichgewicht. Energiepreise sind aufgrund von geopolitischen Einflüssen auf einem Rekordhoch.
Zu allem Überfluss befinden wir uns in der vierten Corona-Welle, die ebenfalls negative Auswirkungen auf die Produktionskapazitäten hat. Der gesamte LEH sieht sich aktuell mit massiven Preisforderungen durch die Industrie konfrontiert. Wir überprüfen diese Forderungen auf ihre Berechtigung.
 
one: Was ist hierbei der Beitrag von Ihrem Team?
Udayanan:
Wir als REWE Group wollen am Puls der Zeit hängen und ein vollumfängliches Marktbild der Rohstoffe besitzen. Wir schauen uns die Preisentwicklung eines Rohstoffs, zum Beispiel Kakao, über einen längeren Zeitraum an, um die Lieferantenforderungen einordnen und bewerten zu können. Wir, meine beiden Mitarbeitenden und ich, überprüfen und kalkulieren das gesamte Jahr über rollierend das Marken- und Eigenmarkensortiment, indem wir externes und internes Wissen bündeln und Leute zusammenbringen. Wichtig ist eine gute Vernetzung, sowohl in die Beschaffungsmärkte als auch intern im Einkauf. Wir haben die weltweiten Preisnotierungen im Blick, beobachten permanent Angebot und Nachfrage, erstellen Forecast-Prognosen und identifizieren die Risiken am Markt. Neben dieser Fundamentalanalyse befassen wir uns mit den Auswirkungen von Spekulationen, Klimawandel und geopolitischen Entwicklungen auf die Rohstoffmärkte. Das ist sozusagen die Kür unserer Arbeit.
 
one: Nachher ist man bekanntlich immer schlauer. Aber bestimmt haben Sie ein Beispiel dafür, wie sich Ihre Prognosen im Nachhinein als richtig und wichtig und sich Ihre Handlungsempfehlung für den Einkauf als wertvoll erwiesen haben?
Udayanan:
Anfang 2020 haben wir zum Beispiel in einer Warengruppe eine Zuspitzung des Rohwarenmarktes beobachtet. Als Reaktion darauf haben wir dazu geraten, die Ausschreibungszyklen an die Marktgegebenheiten anzupassen und die günstigsten Zeitpunkte zu identifizieren.

„Meine Empfehlung ist, eine engere, exklusive Kooperation mit den Lieferanten einzugehen.“
Daniel Udayanan
Rohstoff- und Trendanalytiker im Eigenmarken-Einkauf

one: Was kann die REWE Group Ihrer Meinung nach tun, um künftigen Rohstoff-Engpässen entgegenzuwirken und ihre Beschaffung abzusichern?
Udayanan:
Man muss sich vor Augen führen, dass wir als REWE Group global betrachtet nur ein kleines Rad im Getriebe sind. Meine dringende Empfehlung ist daher eine engere, exklusive Kooperation mit Lieferanten einzugehen mit dem Ziel der längerfristigen Bindung und Absicherung der Rohstofflieferung. Wir müssen beweglich und flexibel bleiben und uns Partner für die Vertikalisierung suchen.

Den Globus im Blick: Daniel Udayanan am Arbeitsplatz (Fotos: Achim Bachhausen)
one: Wenn Sie so zurückblicken auf die letzten Jahre: Was hat sich global betrachtet geändert?
Udayanan:
Die wechselseitige Komplexität nimmt zu und verstärkt sich gegenseitig. Fünf Konzerne dominieren den weltweiten Agrarhandel und treiben die Vertikalisierung voran. Rohstoffknappheit und Spekulanten wirken sich verschärfend auf die angespannte Lage aus. Wir sehen immer mehr Extremwetter-Ereignisse wie Dürren und Überflutungen. In der Folge des Klimawandels verändern sich die Agrarflächen, Anbaugebiete verlagern sich. Das muss nicht immer ein Nachteil sein, es können sich auch Chancen ergeben. Die Welt dreht sich immer schneller und rückt enger zusammen. Ein Beispiel: Eine Frostwarnung in Brasilien hat unmittelbar zu erheblichen Preissteigerungen geführt. Die Reaktionen sind heute unmittelbar, der Echtzeithandel nimmt zu.
 
One: Haben Sie zum Abschluss noch eine gute Nachricht?
Udayanan:
Bei Vanille kann ich Entwarnung geben. Da hat sich der Preis nach einem extremen Ausschlag wieder beruhigt.

Zur Person

Der studierte Wirtschaftsgeograf  Daniel Udayanan befasst sich als Funktionsbereichsleiter Business Operations mit der Rohstoffanalyse für die Eigenmarken von REWE und PENNY. Nach einem Praktikum in der Marktforschung stieg der heute 35-Jährige im Oktober 2013 als Trainee in der REWE Group ein. Im September 2015 wechselte er als Einkaufsbeauftragter Service / Rohstoffpreismonitoring in den Bereich Ware Eigenmarke Service der REWE Group Buying.

Anschließend war er Sachgebietsleiter Rohstoffanalyse und Trendanalyse im Bereich Ware Eigenmarke Strategy & Operations Development. Als „gut ausgebildeter Generalist“ liege ihm der analytische Umgang mit Zahlen, Daten und Fakten, aus denen sich Trends für die künftigen Entwicklungen an den Beschaffungsmärkten ableiten lassen, so Udayanan.

Preissteigerungen aus Lieferantensicht: Joachim Mann, Seeberger
Herr Mann, warum
werden Nüsse teurer?

„Die halbe Welt will Nüsse als gute Eiweißquelle, gleichzeitig lassen Faktoren wie Klimawandel, gestiegene Vertriebskosten, politische Instabilität und nicht zuletzt Corona die Preise steigen. Das Sourcing, also die Rohstoffbeschaffung, ist aktuell komplex wie nie.  
 
Joachim Mann, Marketingleiter bei Seeberger Nüsse sind ein wetterabhängiges Naturprodukt – und der Klimawandel sorgt weltweit für schlechte Ernten. Nur ein paar Beispiele: Die Mandel aus Kalifornien hat wegen der großen Trockenheit ein Wasserproblem. Die Qualität der europäischen Walnuss hingegen hat unter dem schlechten Sommer gelitten, zu viel Regen führt zu Schimmelbildung. Ein Macadamiabaum wiederum braucht moderates Wetter. Fehlt in den milden Wintern aber der Frost, fehlt dem Baum wiederum die Möglichkeit, in den „Ruhemodus“ zu schalten und Energie zu sammeln. Das drosselt die spätere Ernte. 
 
Unter den Coronafolgen leiden auch die Lieferketten. Zum Beispiel die Cashew-Verarbeitungsbetriebe in Vietnam und Indien oder die Ausfuhrhäfen: Wo Arbeiter pandemiebedingt fehlen, kommt es zu Verzögerungen. Das schlägt sich natürlich auf die Preise auf. 

Durch die Pandemie kam der internationale Wirtschaftskreislauf ins Stocken, Container und Containerschiffe wurden aussortiert. Jetzt zieht alles wieder massiv an, das hat die Containerpreise beziehungswiese Frachtraten verdreifacht bis verfünffacht. Lange Wartezeiten und hohe Rohstoffkosten erleben wir auch bei den Verpackungsfolien und Kartonagen. 
 
Auf der Südhalbkugel, wo ab April die Ernte ansteht, treiben andere Probleme die Preise in die Höhe: Chile zum Beispiel erlebt eine politische Krise, die sich wirtschaftlich auch auf die dortige Ernte der Walnüsse auswirkt. 
 
Kurz: Nüsse sind ein extrem volatiles Geschäft, aber eine Marke wie Seeberger bedeutet „auskömmliche Preise“ – auch aus Verantwortung unseren weltweiten Partnern gegenüber. Wir bieten verlässliche Abnahmemengen und setzen auf nachhaltiges Wirtschaften bei höchster Produktqualität. Und Nachhaltigkeit gibt es nicht zum Nulltarif.“


Joachim Mann leitet die Marketingabteilung bei Seeberger. Das Ulmer Unternehmen ist seit über 175 Jahren auf Nüsse und Trockenfrüchte spezialisiert.

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