Für Menschen mit geistiger Behinderung ist der Zugang zu Arbeit, die Spaß macht und herausfordert, oft schwer.
Toom hilft dabei, Barrieren abzubauen und richtet Außenarbeitsplätze „mitten im Baumarkt“ für behinderte Mitarbeiter aus Lebenshilfe-Werkstätten ein. Wie gut das funktionieren kann, zeigt der Toom in Schwerin – und überzeugt damit auch die Politik.
Ein Beispiel aus dem echten Leben, das zeigt, dass Inklusion funktionieren kann: Sebastian Marten lebt in Schwerin und ist Beschäftigter der Dreescher Werkstätten, einer gemeinnützigen Gesellschaft mit Arbeits-, Wohn- und Freizeitangeboten für Menschen mit Behinderung. Doch seit drei Jahren arbeitet der 36-Jährige nicht mehr im Gebäude der Werkstatt, sondern auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz im Toom Baumarkt Schwerin. Kundenberatung und der Transport der Ware mit dem Gabelstapler gehören zu seinen wichtigsten Aufgaben. „Ich liebe meine Arbeit“, so Marten, „und ich fühle mich hier wohl.“
Die Anerkennung ist gegenseitig: Im Baumarkt schätzt man seine Zuverlässigkeit und seine Kollegialität. 17 solcher Toom-Arbeitsplätze für Lebenshilfe-Werkstattbeschäftigte gibt es derzeit bundesweit. Und es sollen mehr werden, denn der Gewinn inklusiver Arbeit für alle Seiten ist sehr deutlich. Menschen mit Behinderung erhalten die Chance auf Teilhabe, und das Unternehmen die Chance, die Fähigkeiten von Menschen mit Behinderung zu entdecken, zu fördern und für das Wohlergehen des Betriebs zu nutzen.
„Gestartet sind wir mit dem Ansatz, unseren Kunden die Themen Vielfalt und Inklusion näherzubringen und dafür zu werben, sich gemeinsam für den Abbau von Barrieren und Berührungsängsten zu engagieren“, sagt Dominique Rotondi, Geschäftsführer Einkauf und Logistik und verantwortlich für den Bereich Nachhaltigkeit bei Toom.
Auch Politiker unterstützen das Engagement
Aufmerksamkeit hat das Thema auch in der Politik. „So kann die Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderung gelingen, so werden Fähigkeiten entwickelt und miteinander gearbeitet“, sagt Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Er hat sich Mitte August die Kooperation von Toom und Lebenshilfe in Schwerin angeschaut. Schmachtenberg, Staatssekretär Nikolaus Voss vom Ministerium für Soziales, Integration und Gleichstellung Mecklenburg-Vorpommern sowie Gäste aus Politik, Wirtschaft und Verbänden sprachen dort mit allen Beteiligten.
Bei der Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt können Unternehmen und Hilfevereine auf die Hilfe des Bundes bauen, sagte Schmachtenberg in Schwerin: „Mit dem Budget für Arbeit haben wir den Weg in ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis geebnet.“
Einigkeit besteht, dass noch viel zu tun bleibt, um die Inklusion von behinderten Menschen im Arbeitsleben zu verwirklichen: Die Zahl der Werkstatt-Arbeitsplätze mitten in der Gesellschaft muss steigen. Es muss aber auch der Schritt auf den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden, wo immer es passt. Oder mit den Worten von Sebastian Marten: „Wenn man einen Traum hat, muss man dranbleiben.“
Rolf Schmachtenberg
one: Das Recht auf Arbeit ist ein Menschenrecht. Was bedeutet berufliche Teilhabe für Menschen mit Behinderungen?
Schmachtenberg: Die berufliche Teilhabe ist von ganz besonderer Bedeutung. Arbeit ist mehr als Broterwerb – sie sorgt für Anerkennung und Selbstbewusstsein, für Struktur und soziale Kontakte. Arbeit ist in unserem Land nach wie vor die wichtigste Form der Teilhabe überhaupt. Wer als erwachsener Mensch eine Arbeit hat, hat die besten Chancen, auch sonst integriert zu sein. Arbeit heißt, eine Aufgabe zu haben, gebraucht zu werden, etwas zu leisten und Anerkennung zu bekommen. Und aus dieser Überzeugung heraus wollen wir den Arbeitsmarkt auch inklusiver machen. Aber wir brauchen mehr barrierefreie Arbeitsplätze und manch andere technische Ausstattung. Und wir brauchen mehr Unternehmen, die Menschen mit Behinderungen eine Chance geben, ihr Können zu zeigen.
one: Welche Chancen birgt diese Vielfalt für die Unternehmen?
Schmachtenberg: Die Unternehmen profitieren in mehrfacher Hinsicht von dieser Partnerschaft: Wir haben das Budget für Arbeit eingeführt. Dadurch gibt es nicht mehr nur geschützte Außenarbeitsplätze, sondern echte Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Das Instrument ist finanziell gut ausgestattet. Der Lohnkostenzuschuss kann bis zu 75 Prozent betragen, so dass der Arbeitgeber im Ergebnis nur einen geringen Eigenanteil an der Entlohnung tragen muss. Der Lohnkostenzuschuss wird bei Bedarf auch dauerhaft gezahlt. Zudem beinhaltet das Instrument auch Coaching und Betreuung des behinderten Menschen am Arbeitsplatz. Damit setzen wir bei Arbeitgebern neue Anreize, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen. Scheitert das Beschäftigungsverhältnis, hat der Mensch mit Behinderungen ein uneingeschränktes Rückkehrrecht in die Werkstatt. Die in der Werkstatt erworbenen Rentenansprüche gehen nicht verloren. Das gibt den Menschen mit Behinderungen die nötige Sicherheit, diesen Schritt zu wagen. Für Unternehmen, die besonders viele schwerbehinderte Menschen beschäftigen (sog. Inklusionsbetriebe), kommen außerdem auch Förderungen aus dem Programm "Inklusionsinitiative II - AllelmBetrieb" in Betracht. Dieses Programm hat das Bundesarbeitsministerium aufgelegt. Damit werden den Integrationsämtern der Länder insgesamt 150 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Die Gelder erhalten Unternehmen, die damit mehr Ausbildungs- und Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen schaffen.
one: Was können Unternehmen darüber hinaus tun, um Inklusion zu fördern?
Schmachtenberg: Unternehmen, die ihren Kunden gut verständliches Informationsmaterial anbieten können, haben mehr Zeit für spezifische Auskünfte, Beratung und Sprechstunden. Der Kunde fühlt sich verstanden und gut aufgehoben. So entsteht Kundenbindung. Das gilt für Menschen mit und ohne Behinderungen. Und was für Kunden gilt, gilt auch für die eigenen Mitarbeiter. Wenn Menschen viel verstehen, wissen sie mehr und können sich besser einbringen und selbst entscheiden.
one: Wie konkret kann das aussehen?
Schmachtenberg: Barrierefreie Kommunikation hat drei Säulen. Leicht lesbare Texte, gut erkennbare Gestaltung und, wenn es um Webseiten geht, einfache Navigation. Verständlich geschriebene Texte und gut gemachte Gestaltung erleichtern das Sehen und Erkennen. Mit einfacher Navigation findet sich der Nutzer besser auf einer Webseite zurecht. Für Unternehmen, die alle Menschen erreichen wollen, ist zusätzlich die Leichte Sprache interessant. Leichte Sprache konzentriert die Inhalte auf das Wesentliche, erklärt in sehr einfach aufgebauten Sätzen, verzichtet auf Fremdwörter und bebildert mit Piktogrammen. Leichte Sprache hilft insbesondere Menschen mit starken Lernschwierigkeiten oder auch Menschen, die die deutsche Sprache (noch) nicht hinreichend gut beherrschen. Denn: Barrierefreiheit bezieht sich nicht nur auf Menschen mit Behinderungen. So entdecken zum Beispiel immer mehr alte Menschen das Internet für sich, benötigen aber Unterstützung für dieses für sie ungewohnte Medium.
one: Warum ist die barrierefreie Kommunikation so wichtig?
Schmachtenberg: Verständliche und leicht zugängliche Texte sind für Menschen mit Sprachproblemen und Lernschwierigkeiten eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben! Wir wollen, dass diese Personen mitten drin sind und nicht am Rande unserer Gesellschaft stehen. Dass sie selbstständig leben können und nur dort, wo es unbedingt nötig ist, auf die Unterstützung von anderen angewiesen ist. Zu guter Letzt will ich die Partizipation als wichtiges Thema für die barrierefreie Kommunikation nennen: Die Einbeziehung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Behinderungen in Entscheidungen oder Projekte. Hier könnte ich mir zum Beispiel gemeinsame Workshops des Toom-Marktes mit den Dreescher Werkstätten vorstellen. Dabei können die Beteiligten Vorschläge machen und auf Entscheidungen Einfluss nehmen. Lassen Sie uns auch in Zukunft gemeinsam alles dafür tun, den Arbeitsalltag von Menschen mit Behinderungen zu verbessern.