Wer nicht Beschäftigte, sondern Menschen einstellt und ihre Bedürfnisse wahrnimmt, bekommt (und behält) gute Mitarbeiter:innen. Gute Mitarbeiter:innen im Einzelhandel sind Gastgeber und Aushängeschild des Marktes - und damit ein wesentlicher Faktor für dessen Konkurrenzfähigkeit: Die Personalchefs Andreas Gutt (REWE) und Nico Lehm (PENNY) über die wirtschaftliche Bedeutung von Vereinbarkeit, über die Attraktivität alternativer Arbeitsmodelle - und wie sich mit einem Lolli der Wandel in der Unternehmenskultur aufzeigen ließ.
Nico Lehm
one: Herr Lehm, PENNY hat sich als bundesweit erster Discounter durch das Audit berufundfamilie zertifizieren lassen. Warum?
Nico Lehm: Wir zahlen bei PENNY Tarifgehalt, das ist sicher auskömmlich und vernünftig, aber es gibt natürlich Wettbewerber. Wir dachten, warum soll Vereinbarkeit nicht auch etwas für den Discount sein. Warum nicht auch unseren Mitarbeiter:innen - innerhalb der jobbedingten Rahmenbedingungen - zugestehen, dass das Privatleben eine wichtige Rolle spielt.
Wir wissen, wir haben Öffnungszeiten abzubilden, wir haben Früh- und Spätschichten, es muss samstags gearbeitet werden, unsere Personaldecke ist dünner als im Vollsortiment. Aber nichtsdestotrotz kann all das im Rahmen des Familienlebens realisierbar sein. Und oft bedeutet das nur, dass die Führungskraft einmal nachfragt: Kannst du das übereinbringen, kannst du deine Kinder sehen, kann das Team dich unterstützen? Häufig finden sich Lösungen, wenn man darüber redet. All das ist wichtig, um als Arbeitgeber eine gewisse Attraktivität auszustrahlen. Wir nennen das den PENNY-Spirit: Mitarbeiter:innen entscheiden sich bewusst für PENNY. Weil sie bei uns als Mensch etwas zählen. Wobei es keinen Ausschlag in die eine oder andere Richtung geben soll, Beruf und Privates müssen in Balance bleiben.
Andreas Gutt
one: Herr Gutt, REWE ist der größte berufundfamilie-zertifizierte Arbeitgeber Deutschlands, warum ist REWE so weit vorne in Sachen Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben?
Andreas Gutt: Unser Geschäftsmodell der gelebten Gastfreundschaft geht nur mit motivierten Mitarbeiter:innen, die auf die Kundschaft zugehen, beraten, eine gute Einkaufsatmosphäre vermitteln. Und das funktioniert wiederum nur, wenn wir Rahmenbedingungen für die private Seite schaffen. Das eine nicht ohne das andere.
REWE und PENNY nehmen die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben nachweislich ernst: REWE ist der größte gemäß dem audit berufundfamilie zertifizierte Arbeitgeber Deutschlands. Die Verwaltung der REWE Markt GmbH ist seit 2010 zertifiziert. Die Verbundzertifizierung der Märkte – gemeinsam mit allen teilnehmenden Partnermärkten – startete 2015. In diesem Jahr werden die Märkte rezertifiziert.
PENNY wurde – als bundesweit erster und bis heute einziger Discounter – 2018 mit dem audit „berufundfamilie“ zertifiziert. Beide, REWE und PENNY, sind seit 22. Juni 2021 für weitere drei Jahre rezertifiziert.
one: Wo sehen Sie denn in den Rahmenbedingungen Unterschiede zwischen REWE und PENNY in punkto Vereinbarkeit?
Andreas Gutt: Uns beschäftigt derzeit sehr, wie wir das Marktmanagement stärken. Wir haben vorwiegend weibliche Marktmitarbeiterinnen, aber auf dem Weg in die Führungsebene verlieren wir viele Frauen. Daher testen wir als Pilotprojekt derzeit Marktmanagement in Teilzeit und mobiles Arbeiten fürs Marktmanagement. Im Fokus stehen unsere weiblichen Marktassistenzen und Marktmanagerinnen. Unser Ziel ist, dass sie Marktmanagerin werden beziehungsweise bleiben, wenn sie Berufliches und Privates miteinander verbinden können. Das Angebot gilt selbstverständlich auch für unsere männlichen Marktmanager.
Nico Lehm: Penny wurde ja später zertifiziert, wir haben daher noch mehr Kommunikationsbedarf. Bei uns geht es eher darum, das Thema Vereinbarkeit zu platzieren und positiv zu besetzen. „Beruf und Familie“ heißt ja nicht Arbeiten nach Wunsch, sondern Arbeiten nach Abstimmung und Abwägen aller Interessen. Uns ist wichtig, über die Vielfältigkeit der Möglichkeiten, wie Sabbatical, Pflegeauszeit oder Betreuungsangebote, zu sprechen.
one: Sie betonen beide, wie wichtig die Kommunikation ist. Welche Vereinbarkeitsthemen kamen denn bei den Mitarbeiter:innen besonders gut an?
Andreas Gutt: Unsere Mitarbeiter:innen erkennen an, dass wir uns ambitionierte Ziele setzen. Vor Jahren hätte niemand daran gedacht, dass wir uns jemals mit Marktmanagement in Teilzeit auseinandersetzen werden. Unsere Mitarbeiter:innen verstehen, dass wir es ernst meinen und versuchen, für jeden eine gute Lösung zu finden. Das heißt nicht, dass wir jedes Anliegen erfüllen können, aber dass sie sich damit an ihre Führungskräfte wenden können.
Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben ist kein Strohfeuer, sondern fest in der REWE-Kultur verankert. Es ist kein Kölner Zentralthema. Alle regionalen Vorsitzenden der Geschäftsleitung unterschreiben die Zielvereinbarungen, alle Regionen stehen dahinter, denn die Ziele werden ja aus den Regionen heraus entwickelt, und zwar gemeinsam von Führungskräften und Mitarbeiter:innen.
Nico Lehm: Kommunikation führt zu einer Kulturveränderung, auch bei den Führungskräften. Früher haben wir Teilzeitbegehren oder begrenzte Flexibilität sehr kritisch gesehen. Heute machen wir uns Gedanken, wie wir solche Wünsche mit der Unterstützung der Marktmannschaft und der Vorgesetzten realisieren können. Und das ist eine ganz andere Haltung.
Zum Beispiel versuchen mit unserer aktuellen Arbeitgeberkampagne, ganz gezielt potenzielle Marktleitungen anzusprechen, die familiär gebunden sind, die vielleicht einen Teilzeitwunsch hegen. Wir sagen: Du kannst Chef oder Chefin Deiner Marktmannschaft sein und die Kids vom Fußball abholen. Wir wollen als Arbeitgeber auf Mitarbeiter:innen die zeitlich eingeschränkt verfügbar sind, nicht mehr verzichten und sprechen in unseren Stellenausschreibungen das Thema Vereinbarkeit ganz bewusst an. Bislang sind Bezirksleiter:innen oder Marktleiter:innen in Teilzeit Einzelfälle bei PENNY. Aber diese Einzelfälle intern laut zu kommunizieren, über MyPenny oder in Führungskräfteveranstalten, zeigt: Es lässt sich vieles realisieren, wenn alle Beteiligten es auch wollen. Das ist die wichtige Botschaft.
Sie erwähnen die Rolle der Führungskräfte. Welche Bedeutung hat denn umgekehrt das Thema Vereinbarkeit für die Führungskräfte selber. Wann unterschreiben genauso viele Regionsleiterinnen wie Regionsleiter die Zielvereinbarung?
Andreas Gutt: „Beruf und Familie“ bietet die Rahmenbedingungen dafür, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen auch auf Bereichsleitungsebene in Teilzeit einen Superjob machen und eine Karriere verfolgen können. Aber es ist ein langer Prozess, bis wir auf allen Führungsebenen die 50:50 erreicht haben.
Die Pandemie hat uns aufgezeigt, dass sich viele Anforderungen von privater und von Unternehmensseite unter einen Hut bringen lassen. Was wir in dem Jahr an flexiblem Arbeiten gelernt haben, hätten wir sonst in zehn Jahren nicht erreicht. REWE DNA ist ein vom Vorstand initiiertes Projekt mit der klaren Botschaft: Wir wollen hinsichtlich der Arbeitsbedingungen nicht mehr zurück in die Vor-Pandemiezeit. Wir wollen aus den gut gemachten Erfahrungen die positiven Aspekte für das Unternehmen und für die Mitarbeiter herausziehen und das für die Zukunft bewahren. Das zeigt, wie ernsthaft die ganze REWE Group es meint, den Mitarbeiter:innen gute Angebote zu machen, um auch auf dem Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben.
Nico Lehm: Ich glaube, 75 Prozent unserer Marktleitungen sind Frauen. Das zieht sich aber nicht durch die weiteren Führungsebenen, da dreht sich das Verhältnis um. Wir sind unheimlich stolz darauf, dass wir jetzt in der Region Süd zum ersten Mal eine Regionsleiterin bei PENNY haben. Wenn sich in den Managementebenen die Geschlechterzusammensetzung verändert, verändert das ja auch die Art und Weise der Führung, der Diskussion.
one: Welche Rolle kommt denn wiederum den Führungskräften zu, Vereinbarkeit für ihre Mitarbeiter:innen möglich zu machen?
Nico Lehm: Vor Jahren sagte mir eine Führungskraft mit vollem Ernst: „Wenn ich meinen Mitarbeitern einen Home Office-Tag pro Woche ermögliche, dann hat er doch gleich einige Wochen mehr Urlaub im Jahr“. Diese Sichtweise hat sich durch die Pandemie verändert. So wie sich auch meine eigene Einstellung verändert hat. Ich habe selber quarantänebedingt mehrere Wochen zu Hause gearbeitet, die ganze Familie um mich herum. Dabei habe ich erlebt, welchen Stress es auslösen kann, wenn die Kinder toben, während ich in einem wichtigen Teams-Meeting bin. Aber ich habe auch den Kulturwandel erlebt. Ich saß vorm Bildschirm in einem großen Meeting, da kam mein Sohn hereingesprungen und fragte mich: „Papa, willst Du auch nen Lolli?“ Jeder in der virtuellen Runde hatte Spaß an dieser Szene, die zuvor für Unverständnis gesorgt hätte. Das zu erleben und darüber zu sprechen – das verändert unser Unternehmen massiv.
Andreas Gutt: Den Führungskräften muss klar sein: Vereinbarkeit ist ein Wettbewerbsfaktor. Wenn wir gute Leute gewinnen und halten wollen, müssen wir entsprechende Angebote machen. Wenn nicht, ist das definitiv ein Wettbewerbsnachteil. Es ist aus meiner Sicht eine ganz klare Anforderung an die Zukunft: Wenn wir wettbewerbsfähig bleiben wollen, dann müssen wir an diesem Thema massiv weiter arbeiten - und dürfen nicht nachlassen. Zu sagen: „Wir haben einen guten Ruf, das wird schon…“ das reicht nicht.
one: Wettbewerbsfähigkeit ist doch ein Argument für Vereinbarkeit, dem sich niemand entziehen kann. Rennen Sie da nicht bei allen im Unternehmen offene Türen ein?
Nico Lehm: Wir brennen für das Thema „Beruf und Familie“, es gibt aber vereinzelt noch andere Stimmen im Unternehmen. Das sind meist tradierte, konservative Stimmen, die das Handelsumfeld noch so sehen, wie es früher war…
Andreas Gutt: … für die eine Marktleitung ausschließlich in den Markt gehört und nicht tageweise ins Home Office. Aber dass es Skeptiker:innen auf allen Ebenen gibt, das ist normal. Auch flexibles Arbeiten schürt in manchem die Sorge, dass Arbeitnehmerrechte oder Regelungen aufgeweicht werden. Aber „Beruf und Familie“ lebt ja gerade davon, dass es nicht die eine Regelung gibt, die dann für alle gilt.
Nico Lehm: Man kann eben nicht alles regeln, wenn man dem Einzelnen gerecht werden will. Es ist schwierig, immer die Balance zu finden. Ich kann verstehen, wenn sich der eine oder andere beschwert, dass er als einziger Single unter Müttern immer die Spätschicht arbeiten muss. Aber auch genau in solchen Fällen sind wir alle gefordert, Lösungen zu finden.
one: Apropos Lösungen finden: Wie sehen Sie beide Ihre Rolle bei der Verankerung von Vereinbarkeitsmaßnahmen in der Unternehmenskultur?
Nico Lehm: Wir sind Werbebotschafter, wir sind Thementreiber, wir laufen mit wehenden Fahnen vorweg und setzen uns gleichzeitig in Gesprächen und Diskussionen mit anderen Meinungen auseinander. Und bringen die Zielvereinbarung so Stück für Stück voran.
one: Und woran machen Sie fest, dass Sie wieder ein Stück vorangekommen sind?
Andreas Gutt: Unser Gradmesser? Wenn unsere Mitarbeiter:innen, ob PENNY oder REWE, von sich aus für uns werben und uns damit bescheinigen, ein guter Arbeitgeber zu sein. Wenn sie im Freundes- und Bekanntenkreis sozusagen unsere Visitenkarte abgeben, dann haben wir alles richtig gemacht.
Andreas Gutt leitet den Personalbereich REWE National, Nico Lehm verantwortet bei PENNY National den Bereich Personal.
@Cologne_insider: Liebe Kollegin/ lieber Kollege, danke für die Rückmeldung. Damit wir hier jedoch tätig werden können, brauchen wir noch mehr Informationen, u.a. zur Geschäftseinheit (REWE oder PENNY) und zum Gebiet. Bitte wenden Sie sich mit weiteren Informationen an berufundfamilie@rewe-group.com damit wir die Angelegenheit entsprechend prüfen können. Viele Grüße, Katrin Sievers
Penny Region West
Hallo, vielen Dank für die Nachricht. Wir würden gerne mehr erfahren. Senden Sie uns gerne eine Mail an berufundfamilie@rewe-group.com mit weiteren Informationen, damit wir den Fall prüfen können. Vielen Dank und viele Grüße, Ihr berufundfamile-Team
Hier anbei Punkte die Sie gerne prüfen können:
- Kernarbeitszeit der Bezirksleiter von zehn Stunden eingefordert, wurde in einer Sitzung an die Wand geworfen aber natürlich nicht ausgehändigt
- es wird vom VL ein mal im Monat eine samstags Spätschicht eingefordert, d. H man ist von 12 Uhr bis 22:30 vor Ort, inkl Fahrtzeit ist der Tag gelaufen
- in Feiertagswochen wird erwartet dass man keinen freien Tag nimmt. Ich zitiere "habe ich als Bezirksleiter auch nicht gemacht"
- männliche Kollegen die in Elternzeit gegangen sind, kamen nicht mehr wieder zurück
- es werden Listen geführt ob ML 45 Stunden die Woche arbeiten, wenn es weniger als 42 Stunden in der Woche sind ist die Anweisung des VL den ML darauf "hinzuweisen"
- permanente Kontrolle durch den Vorgesetzen ob man sich an die eingetragen Zeiten in Outlook hält, z. B Filiale xy um 10 Uhr eingetragen, Vorgesetze ist um zehn Uhr da und fragt wo man ist
- Rufumleitung auf einen Kollegen ist am freien Tag nicht gewünscht, auch hier bekommt man den Spruch zu hören "habe ich als Bezirksleiter auch nie gemacht"
Vielleicht sollten Sie mal in der Region West vorbeischauen und dieses auch den Verkaufsleitern mal schulen
Oder funktioniert die Vereinbarkeit mit der Familie in dem man permanent vom Vorgesetzen angerufen und kontrolliert wird?