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Dem Nachwuchs Perspektiven eröffnen: Katrin Feiertag und Trainee Jasmin Schmitz I Foto: Achim Bachhausen
Katrin Feiertag und Kathrin Bräuer im Gespräch
Selbst ist die (Kauf)Frau
von Bettina Rees und Achim Bachhausen

Die eine aus dem tiefen Westen, die andere aus Ostdeutschland, die eine Spross einer Kaufmannsfamilie, die andere eine Spätberufene. Dennoch eint die beiden REWE-Kauffrauen Katrin Feiertag und Kathrin Bräuer mehr als der Vorname: Mit Power, Geradlinigkeit, Durchsetzungsstärke, Teamgeist und viel Humor führen sie ihre Märkte in Bochum, Gelsenkirchen und Neustadt in Sachsen. 

Im Interview: Katrin Feiertag
„Nie die Geburtstage vergessen!“

Ausgezeichnet für ihre Frauenförderung: Katrin Feiertag one: Frau Feiertag, im vergangenen November wurden Sie von der Stadt Recklinghausen für Ihr frauenfreundliches Engagement* geehrt. Wie kam es zu der Auszeichnung?

Katrin Feiertag: Ich möchte Frauen stärken, ermutigen und ihnen die Chance geben, in Führung zu kommen. Wir haben in Gelsenkirchen schon seit langem eine Marktleiterin und seit kurzem auch in Bochum. Frauen sind empathischer, reflektierter. Vor 15 Jahren haben wir zwei Mütter in Teilzeit ausgebildet. Die beiden arbeiten nach wie vor bei uns und führen die anspruchsvolle Mopro-Abteilung.
   
one: Sie sind seit vielen Jahren im Geschäft. Müssen sie sich als Kauffrau heute noch beweisen?

Katrin Feiertag: Nein, ich hatte auch nie das Gefühl, mich mehr beweisen zu müssen. Es war eine Herausforderung, früh voll verantwortlich zu sein. Aber ich habe mir ein tolles Team aufgebaut. Ich liebe meinen Job, den Umgang mit Menschen und Zahlen. Unser Job bringt viele schöne Dinge mit sich, denn er ist sehr vielfältig. Du kannst dich ins Büro zurückziehen oder ins Kundengetümmel stürzen. Der einzige Nachteil: du bist nie fertig. 

one: Fühlt Frau sich mit dem Führen mehrheitlich weiblicher Teams in einer Branche, die ja von außen betrachtet sehr männerlastig ist, als Exotin? Oder ist das ein Klischee?

Katrin Feiertag: Nein, ich fühle mich überhaupt nicht als Exotin. Ich bin stolz darauf, dass ich alles unter einen Hut bekomme: zwei Läden, zwei Kinder im Teenager-Alter und die Familie. Ich habe immer das Gefühl gehabt, voll anerkannt zu sein und erstgenommen zu werden. Ich bin ja relativ selbstbewusst (lacht).
  
one: Wie schaffen Sie gute Arbeitsbedingungen für Ihre Mitarbeitenden?

Katrin Feiertag: Es ist anspruchsvoll, die Mitarbeitenden an die Hand zu nehmen und so anzuleiten, dass sie eigenständig und eigenverantwortlich arbeiten. Es ist wichtig, den Erfolg des Unternehmens im Auge zu behalten, für den jede und jeder mitverantwortlich ist, denn der Mensch im Laden macht den Unterschied. Ich bin bemüht, die Führungslinien nicht zu starr werden zu lassen, sondern meinen Mitarbeitenden Platz zur Entwicklung zu geben. Wenn die Mitarbeitenden flexibel und variabel einsetzbar sind, eröffnet das neue Möglichkeiten. Wenn es klimatisch mal nicht so gut klappt, ist ja noch der Wechsel in die andere Filiale möglich. Das hat sich schon mehrfach bewährt.

one: Wo liegen die Herausforderungen, aber auch die Chancen im Organisieren von mehrheitlich Teilzeitkräften?

Katrin Feiertag: Wir haben überwiegend Teilzeitkräfte, die 30 bis 35 Stunden pro Woche arbeiten, also fast in Vollzeit. Diese Mitarbeitenden identifizieren sich eher mit dem Unternehmen als Aushilfen. Mit Teilzeitbeschäftigten habe ich eine höhere Flexibilität, um Personalausfälle zu kompensieren.

„Ich finde Frauenquote ein furchtbares Wort“
Katrin Feiertag
REWE-Kauffrau

one: Frauenteams wird ja gerne nachgesagt, untereinander „zickig“ zu sein. Welche Rezepte empfehlen Sie zur Vermeidung von „Zickenkriegen“?

Katrin Feiertag: Eines vorweg: Heute können auch Männer zickig sein. Von meinen etwa 130 Mitarbeitenden sind 70 Prozent weiblich. Neue Kolleginnen und Kollegen lasse ich hinter der Theke und im Laden Probe arbeiten. Dabei stellt sich schnell heraus, wer ins Team passt und wer nicht. Man muss die Leistung wertschätzen und gegebenenfalls Personalgespräche führen. Dabei packe ich die Mitarbeitenden bei ihrer Ehre, einen guten Job zu machen, das wirkt meist Wunder. Wahrnehmen, zuhören und sich mit den Mitarbeitenden beschäftigen, das sind die wesentlichen Faktoren für eine gute Zusammenarbeit. Und ganz wichtig: möglichst nie die Geburtstage vergessen!

one: Was sind das für ,männerdominierte´ Berufe, in denen Sie ausbilden und beschäftigen?

Katrin Feiertag: Wir bilden in unseren Märkten zur Fleischereifachverkäuferin und zur Fleischerin aus und rühren eifrig die Werbetrommel dafür. Eine Auszubildende hat sich entschlossen, nach der Fachverkäuferin noch den Fleischer anzuschließen. Mittlerweile gibt es bei der REWE Dortmund eine eigene Fachschule für den überbetrieblichen Unterricht in diesen Ausbildungsberufen, das ist klasse. Außerdem geben wir Frauen die Chance, Verantwortung zu übernehmen, bis hin zur Marktleitung. Auch unser Blumenmarkt und das Lottogeschäft werden von Frauen geführt. Leider sind unter den selbstständigen Kaufleuten bei REWE nur wenige Frauen, da gibt es Nachholbedarf.
 
one: Gibt es ein weibliches Sortiment?

Katrin Feiertag: (lachend) Meinen Sie den Sekt, der im Regal steht…? Vielleicht sind Frauen gesundheitsbewusster und mehr auf ihr Äußeres bedacht. Von daher spricht das Sortiment kalorienarmer Lebensmittel wahrscheinlich überwiegend Frauen an, genauso wie unser Blumenladen.
 
one: Zum guten Schluss: Wie organisieren Sie sich und ihr Familienleben? 

Katrin Feiertag: Meistens bin ich von 8 bis 14/15 Uhr im Laden. An manchen Tagen komme ich auch erst später weg. Und zu Hause arbeite ich ja auch noch. So genau halte ich das nicht nach. Zugegeben, es ist nicht immer einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. 

*Auszeichnung für Frauenförderung

Die Auszeichnung „Frauen.Karrieren.Fördern.In Industrie & Handel“ wurde vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf Emscher-Lippe zusammen mit der Agentur für Arbeit Recklinghausen und weiteren Partnern entwickelt. Die erste Auszeichnung 2020 musste coronabedingt abgesagt werden. Die nominierten Unternehmen aus 2020 und 2021 wurden im November 2021 auf einer Veranstaltung in Recklinghausen ausgezeichnet.

Das ist Katrin Feiertag

Katrin Feiertag führt zwei REWE-Märkte in Bochum und Gelsenkirchen. Der Handel wurde der 45-Jährigen gewissermaßen an der Wiege gesungen: Den Grundstein legte ihre Großmutter, als sie 1943 einen Krämerladen in Recklinghausen eröffnete. 1969 startete ihr Vater Jürgen Feiertag, gelernter Fleischermeister, in die Selbstständigkeit als REWE-Kaufmann. „Als Kind habe ich immer im Laden ´mitgearbeitet´, bin dort aufgewachsen‘“, beschreibt Katrin Feiertag ihre frühen unternehmerischen Erfahrungen.

Doch als passionierte Pferdeliebhaberin wollte sie zunächst etwas ganz anderes werden. „Mein Traum war die Reiterstaffel der Polizei“, sagt sie. Im Nachhinein ist sie froh, dass es doch anders kam: Ausbildung zur Bürokauffrau, Lebensmittelfachschule in Neuwied, Außendienst-Tätigkeit bei Plus und Eintritt ins elterliche Unternehmen. 23 Jahre ist das jetzt her. Es sei eine harte, aber wichtige Schule „bei Papa“ gewesen. Für den Ausgleich habe die vor zwei Jahren verstorbene Mutter Monika gesorgt. Katrin Feiertag: „Sie war die gute Seele im Laden“. In der wenigen Freizeit engagiert sich die Kauffrau in der IHK und in den Gremien der REWE Dortmund. 

Im Interview: Kathrin Bräuer
„Für die Selbstständigkeit ist mein Alter optimal“

Frau, Quereinsteigerin, älter: Fragende Blicke ist REWE-Kauffrau Kathrin Bräuer gewohnt, seit sie vor rund einem Jahr ihren ersten Markt in Neustadt eröffnete. Mit 55. Über den Vorteil von Spielzeug, Lebenserfahrung und altersgemischte Teams  – und warum sich alle duzen seit dem Verräumen von vier Sattelschleppern Tiefkühlware.

REWE-Kauffrau Kathrin Bräuer „2014 bin ich nach Neustadt in Sachsen gekommen mit dem Ziel, Kauffrau zu werden. Da hieß es dann, der neue Markt kommt bald. Er kam dann auf Grund diverser Widrigkeiten im Sommer 2021. Ich hatte mir vom Alter her eine Stichzeit gesetzt und mir gesagt, wenn du mit 55 nicht Kauffrau bist, dann lässt du es. Da hab ich noch so eben die Kurve gekriegt…

Ich mag Verantwortung, bin sehr zielstrebig und durchsetzungsfähig. So führe ich aber nicht immer. Ich führe eher situativ, zum Beispiel meine sechs Azubis. Wenn ich nicht eigene Kinder großgezogen und gemerkt hätte, wie dieser Generationswechsel vonstatten gegangen ist, dann wäre ich erschrocken darüber, wie anders die heutige Jugend ist. Also stelle ich mich individuell auf jeden und jede ein, von mütterlich bis zu ,alles hört auf mein Kommando´. Und meine sieben Männer im Team, auch die müssen ein bisschen anders behandelt werden.

Ich bin Quereinsteigerin, eine Frau  - und man darf mein Alter nicht vergessen: Da wird schon geguckt, kann sie das, bringt sie das?  Aber ich weiß einfach, wen ich ansprechen kann. So hat mich - noch zu meiner Zeit als Marktmanagerin - bei meiner Fuß-OP ein junger Mann vertreten, bis heute helfen wir uns gegenseitig.

„Wenn man ein Team hat, das hinter einem steht, dann läuft es“
Kathrin Bräuer
REWE-Kauffrau

Ansonsten lebe ich nach der Devise ,selbst ist die Frau´ und setze auf mein Team. Wenn man ein Team hat, das hinter einem steht, das hinter der Sache steht, dann läuft es. Bei einem Problem kann ich mich mit meinem Team zusammensetzen und Ideen sammeln, wie man die Kuh vom Eis bringt. Die meisten der bei mir angestellten Frauen sind Teilzeitkräfte, viele noch aus dem alten Markt. Die Arbeitsorganisation im neuen, größeren Markt ist total anders. Da gibt es dann schon mal Spannungen bei den Frauen. Diese kann man nicht ignorieren, daher begegne ich Konflikten mit Ruhe, höre erstmal beide Seiten an. Und dann schaffe ich das energisch aus der Welt, nichts ist schlimmer, als wenn Ärger verschluckt wird. Den sieht man den Mitarbeitenden auch an. Und ich erwarte ja von ihnen, dass sie besonders freundlich sind. Das zeichnet uns hier, wo wir in engster Nachbarschaft verschiedene Mitbewerber haben, auch aus. Man liest in unseren Bewertungen im Internet: besonders zuvorkommend, immer bestrebt, einen bestimmten Artikel zu finden, hilfsbereit, freundlich …

„Freundlichkeit geht nur, wenn alle sich wohlfühlen“
Kathrin Bräuer
REWE-Kauffrau

Freundlichkeit funktioniert aber nur, wenn es auch intern stimmt, wenn sich alle wohlfühlen. Darüber mache ich mir vielleicht mehr Gedanken als ein männlicher Chef. Vielleicht ist es aber auch meine Lebenserfahrung, die hier reinspielt. Und ich habe mir im Vorfeld Gedanken gemacht: Wie willst du was erreichen? Wie muss die Atmosphäre sein, damit sich alle wohlfühlen? Bei mir gilt daher beispielsweise das „Du“, nur wer es partout nicht über sich bringt, kann mich siezen. Gelernt habe ich das von einem sehr jungen Kaufmann, der von seinen Erfahrungen auf einem Mitarbeiterführungsseminar erzählte.

Erst habe ich mit der Idee etwas gehadert. Aber dann kam der Montag vor der Neueröffnung. Samstag Abend war die Welt noch in Ordnung, die Tiefkühlabteilung schon vorgespiegelt, Mittwoch sollte Eröffnung sein mit Bürgermeister, Reden und Sektempfang. Montag früh war der ganze Markt dunkel. Zweieinhalb Tage vor Eröffnung hatten wir Stromausfall. Montagabend stand der Fehler fest, Dienstag wurde er repariert. Dienstagabend hatten wir wieder Kühlung und Licht. Mittwoch früh, wenige Stunden vor Eröffnung, brachten wir vier Sattelschlepper gekühlte Ware rein und zwei Sattelschlepper TK-Ware raus zum Entsorgen. Da zeigte sich dann die Zusammenarbeit: Mein Team arbeitete auf Hochtouren, drei Märkte schickten Mitarbeitende, die mit anpackten. Dafür war und bin ich sehr dankbar. 

Um 14 Uhr konnten wir mit dem Festempfang beginnen. Pünktlich. Da sind wir uns alle nur noch um den Hals gefallen und da kam dann die Entscheidung zum „Du“. Wenn wir kein Team gewesen wären, hätten wir das nicht geschafft.

Ob ich das Sortiment als Frau anders betrachte? Vermutlich ja. Ich habe mich vor der Eröffnung umgesehen und festgestellt, es wird in ganz Neustadt kein Spielzeug angeboten. Also habe drauf bestanden, dass wir das Sortiment etwas verändern, um eine Spielzeugecke einzurichten. Aus meiner Sicht eine goldene Entscheidung. Und als Frau guckt man vielleicht auch anders, sozusagen von Kleinkind bis Oma. Was braucht zum Beispiel die Jugend? Gut, dass wir in meinem Team junge Leute haben, die mich auf dem Laufenden halten: Frau Bräuer, jetzt ist das oder das angesagt, das brauchen wir unbedingt! Produkte, die ich sonst nie genommen hätte. Daher finde ich es wichtig, ein altersgemischtes Team zu haben. Denn die Kundschaft ist ja auch jeden Alters.

Dass ich mich erst jetzt, in meinem Alter, selbständig gemacht habe, finde ich für mich optimal. Als junge Frau steht man vor der Entscheidung Familie oder Kauffrau. Beides zur selben Zeit stelle ich mir schwer vor. Ich möchte nicht nach Hause kommen und noch Hausaufgaben machen oder Hausarbeit. Ich habe einen Mann, der putzt und kocht mit Leidenschaft. Das ist gewachsen, wir sind beide in die neuen Rollen hineingewachsen. Er kommt meistens vor mir von der Arbeit nach Hause, dann reden wir erstmal in Ruhe über unseren Tag und danach macht er das Abendessen."

Das ist Kathrin Bräuer

Kathrin Bräuer, 56 Jahre alt, ist seit dem 15. Juli 2021selbstständige REWE-Kauffrau im 13.000 Einwohner-Städtchen Neustadt in der Sächsischen Schweiz.

Die ausgebildete Lehrerin hatte nach der Wende umgesattelt und einige Jahre für Regalservicedienstleister gearbeitet, bevor sie zur REWE wechselte. Kathrin Bräuer hat drei erwachsene Söhne und lebt mit ihrem Mann in Dresden.

Teilzeit ist Frauensache

Teilzeitarbeit und Minijobs sind Frauendomänen. Nach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit arbeiten in Deutschland (über alle Branchen hinweg) beinahe viermal so viele Frauen wie Männer in Teilzeit. Knapp zwei Drittel aller ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten im Alter zwischen 15 und 65 Jahren sind weiblich. Im Einzelhandel ist der Anteil noch höher. 84 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen.

Das Angebot an Teilzeit- und Minijob-Plätzen ist im Einzelhandel überdurchschnittlich groß. Nach Zahlen des Handelsverband Deutschland (HDE) sind gut 1,1 Millionen der insgesamt etwa 3,1 Millionen Arbeitsplätze Teilzeitstellen und gut 800.000 Minijobs

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