Talent ist nicht alles: REWE Group-Topmanagerin Ilse Holzer erklärt, warum auch Uneitelkeit Frauen beruflich weiterbringt - und weshalb es gefährlich ist, zu sehr gefallen zu wollen.
Ilse Holzer one: Frau Holzer, Sie sind CFO, also Finanzvorständin von Billa in Tschechien. Eine Position, die bei der REWE Group nicht viele Frauen innehaben. Wie verlief der Weg dahin?
Ilse Holzer: Ich bin absolut überzeugt, dass es beim Aufbau meiner Karriere keinen Unterschied gemacht hat, ob Mann oder Frau. Geholfen haben mir vielmehr Eigenschaften, die nichts mit dem Geschlecht zu tun haben: Zum einen Authentizität, also die Fähigkeit, bei sich selbst bleiben. Und wenn man dazu in gewissem Maße talentiert und engagiert und vielleicht noch uneitel ist im Leben: Dann stehen einer auch in einer männerdominierten Arbeitswelt alle Möglichkeiten offen.
Und ich denke, ganz unabhängig vom Geschlecht spielt Bildung eine wesentliche Rolle. Es ist nie zu spät, sich weiterzuentwickeln, es ist nie zu spät, ein Studium zu beginnen, nie zu spät, sich in fremde Themengebiete zu vertiefen. Das bringt einen immer weiter und zeigt, dass man neugierig ist. Diese Neugier ist übrigens, neben Authentizität oder Talent, ein weiterer Hebel für die Karriere. Aber – und das gilt vor allem für große Unternehmen, bei der die Pyramide sehr spitz ist – man muss sich bemerkbar machen.
one: Sich bemerkbar machen: Wie gut können Frauen das im Beruf?
Ilse Holzer: Ich glaube, viele Frauen haben nur einen Hemmschuh: Sie unterliegen der Gefahr, ständig und immer gefallen zu wollen, um Anerkennung zu suchen. Und dass sie viel zu bescheiden auftreten… Man kann sagen: Frauen stolpern oft über den eigenen Klotz der Bescheidenheit.
one: Warum ist die Suche nach Anerkennung eine Karrierebremse? Anerkennung ist doch etwas sehr Motivierendes.
Ilse Holzer: Es hemmt dann, wenn man nach Anerkennung lechzt und aus den Augen verliert, worum es geht es in der beruflichen Zusammenarbeit: Um den unternehmerischen Erfolg oder darum, dass jemand eine Bestätigung für sich braucht? Letzteres muss man lernen, auszulagern. Bestätigung hole ich mir zu Hause oder bei einem Kaffee mit Kolleg:innen. Man darf es nicht zu sehr mit dem beruflichen Tun vermengen. Dadurch macht man sich abhängig und wird ausgehebelt. In vielen Unternehmen weiß das Gegenüber dann: Dieser Mitarbeiterin muss ich nur zweimal über den Kopf streicheln, dann bekomme ich gute Arbeit, aber gefördert wird nicht. Dieses Suchen nach Anerkennung ist ein Stolperstein. Da muss man die Bescheidenheit ablegen und klar sagen, das kann ich auch.
one: Frauen wird nachgesagt, dass sie weniger oder weniger gut netzwerken als Männer. Stimmt das?
Ilse Holzer: Für eine Frau ist es dann schwieriger, ein Netzwerk aufzubauen, wenn es nur wenige Frauen in ähnlichen Positionen gibt. Es geht also gar nicht um kommunikative Fähigkeiten. Wenn es keine wirklichen beruflichen Verbindungen und Berührungspunkte gibt, dann kann man auch kein festes Netz spannen, dann sind die Fäden eher lose. Daher ist es für Frauen ungleich anders und schwieriger als für Männer, weil die Fäden nicht so straffgezogen sind.
one: Organisierte Netzwerke sind ja als ein Instrument der Frauenförderung gedacht. Wie stehen Sie zu Förderprogrammen für Frauen?
Ilse Holzer: Was ich toll fand, war das Programm Women´s Drive mit weiblichen Mentees und weiblichen, aber auch männlichen Mentoren. Als Mentorin konnte ich viel weitergeben und gleichzeitig bekannte Dinge von einem neuen Blickwinkel her betrachten.
Was die Topmanagementebene angeht, denke ich schon, dass die Tools der REWE Group dafür aufgesetzt sind. Nur muss jeder Frau bewusst sein: Man kann nicht am Schreibtisch sitzen und tolle Präsentationen erstellen und irgendwann wird angeklopft und gesagt: ´Komm, jetzt geht es eine Stufe hoch`. Man muss vielmehr aktiv kundtun, dass man sich weiterentwickeln will. Man muss aktiv kundtun, dass man für den nächsten Schritt bereit ist. Dass man bereit ist, einiges an Zeit zu investieren – und das auch gerne macht. Auch Frauen haben die Pflicht, mehr zu fordern und deutlicher zu sagen, wozu sie bereit sind, um im Unternehmen weiterzukommen.
Im Einzelhandel werden Führungspositionen sehr viel häufiger mit Frauen besetzt als im Durchschnitt der gesamten deutschen Wirtschaft. Nach Angaben des Handelsverbandes Deutschland (HDE) bekleiden sie 38 Prozent der Positionen auf der ersten Führungsebene; insgesamt beträgt die Quote lediglich 26 Prozent.
Auch auf der zweiten Führungsebene liegt der Einzelhandel mit einem Frauenanteil von 65 Prozent deutlich über dem gesamtwirtschaftlichen Durchschnitt von 40 Prozent. Als Gründe nennt der HDE den „traditionell hohen Frauenanteil“ in der Branche sowie „gute Karrierechancen“.
one: Gehen Frauen aus anderen Kulturkreisen anders an ihren beruflichen Weg heran?
Ilse Holzer: In vielen Ländern erfahren Frauen tatsächlich eine ganz andere Förderung in der Ausbildung und im Berufsleben. Es ist dort selbstverständlicher als Frau, eine berufliche Karriere anzustreben, die Kinderbetreuung etwas gelassener anzugehen, an die eigene Absicherung zu denken. Dadurch sieht man in diesen Ländern Frauen viel häufiger in Führungspositionen, so auch bei der REWE Group.
one: Wie kommen denn Frauen in unserem Kulturkreis vermehrt in diese Führungspositionen?
Ilse Holzer: Vielleicht begrenzen wir uns eher selbst, wenn wir das Frauenthema immer ansprechen. Denn niemand anders als wir selbst sind für uns und für unsere eigene Entwicklung verantwortlich. Nur wir selbst können die Entscheidung treffen, sichtbarer zu werden. Wenn wir uns das bewusst machen, können wir es selbst in die Hand nehmen und entscheiden, wie weit möchten wir gehen, wie weit die eigenen Grenzen verschieben? Manche gehen nur wenige Schritte und leben dann sehr glücklich. Das ist auch gut so. Aber diese Grenzen immer wieder zu beschauen, mit sich selbst in Reflexion zu gehen - das kann ich nur jeder Frau empfehlen.
Ilse Holzer, seit vier Jahren CFO Billa in der Tschechischen Republik, arbeitete zuvor acht Jahre lang im Topmanagement von REWE International. Die Österreicherin begann ihren Lebensweg in der Tourismusbranche. Als „Bereicherung“ beschreibt sie diese Jahre, in denen sie in vielen Ländern und Sprachen arbeitete und mit vielen Kulturen an einem Tisch saß.
Zudem habe das „kulturelle Potpourri“ sie dahingehend sensibilisiert, genau hinzuhören und misstrauisch gegenüber Klischees zu sein – und über sich und die eigenen kulturellen Eigenheiten zu lachen.