Im Fernsehen präsentieren Gründer ihre Geschäftsideen zur besten Sendezeit – und auch im Lebensmittelhandel sind die Start-ups längst angekommen. Als Trendsetter, Innovations-Entwickler – und auch als Treiber für die etablierte Marken-Industrie. one hat mit REWE-Einkaufschef Hans-Jürgen Moog über die Bedeutung der jungen Gründer für REWE gesprochen – und mit den Machern von Selo Green Coffee und O-Mochi erzählen die Gewinner der REWE Start-up Awards 2018 und 2019, welche Erfahrungen sie mit dem Lebensmittelhandel gemacht haben – und wie sie neue Trends aufspüren.
REWE-Einkaufschef Hans-Jürgen Moog erzählt im one_Interview, wie Start-ups sowohl in den Regalen bei REWE als auch bei Markenartiklern für Bewegung gesorgt haben - und warum er sich persönlich um Innovationen im Sortiment kümmert.
one: Herr Moog, welche Bedeutung haben Start-ups für REWE?
Hans-Jürgen Moog: Innovationen haben allgemein einen hohen Stellenwert für die Sortimente bei REWE. Viele Start-up-Produkte spiegeln den heutigen Zeitgeist, sie besetzen Nischen, die oft von klassischen Markenartiklern nicht besetzt werden. Deshalb wird das Start-up-Thema von der gesamten REWE getragen, die Kaufleute ziehen mit. Denn die Start-ups bringen Schwung ins Regal. Auch die großen Markenhersteller sind inzwischen aufgewacht und arbeiten wieder aktiv an Innovationen. Dies verdanken wir auch dem Druck durch die umtriebige Start-Up-Szene im Food-Bereich.
one: Über den Start-up-Award hinaus: Wie können Start-ups ihre Ideen bei REWE vorstellen?
Hans-Jürgen Moog: Es gibt einen einfachen und vor allem schnellen Weg: Gründer und ihre Food-Innovationen sind bei REWE immer herzlich willkommen. Interessierte Startups können sich jederzeit über die E-Mail-Adresse innovationen@rewe.de melden und werden mit ihrem Anliegen an die jeweilige Fachabteilung vermittelt. Darüber hinaus ist das Thema Start-ups bei REWE im Einkauf „Chefsache“. Es liegt damit also bei mir. Das garantiert ein Höchstmaß an Flexibilität, Schnelligkeit und transparenter Kommunikation. Wenn wir vom Erfolg eines Produktes überzeugt sind und dieses in unser Sortiment passt, leiten wir grundsätzlich schnell und zügig den Listungsprozess ein.
one: Können Sie konkrete Beispiele für gelungene Kooperationen nennen?
Hans-Jürgen Moog: Viele Trendprodukte sind längst fester Bestandteil unserer Sortimente, sowohl im REWE-Markt als auch bei rewe.de im Lieferservice. Sehr bekannte Beispiele bei REWE sind sicherlich Share, True Fruits, oder Just Spices. Mit Just Spices haben wir Ende letzten Jahres unsere Zusammenarbeit mit der Einführung von In Minutes – das sind Fix-Produkte – ausgebaut. Auch mit Share haben wir in diesem Jahr das Produktportfolio erweitert. Wir testen auch immer wieder schnell und unkompliziert neue Artikel wie Unicaps, kompostierbare Kaffee-Kapseln für Nespresso-Maschinen. Oder LaPausa, das ist ein Relaxing-Drink aus natürlichen Extrakten.
one: Warum lohnt sich die Zusammenarbeit sowohl für das Start-up als auch für REWE?
Hans-Jürgen Moog: Wir arbeiten permanent an der Weiterentwicklung unserer Sortimente. Und dazu gehören innovative Produkte, die immer mehr von Gründern entwickelt werden. Junge Unternehmen sind heute viel ideenreicher und kreativer als noch vor ein paar Jahren und reagieren blitzschnell auf Ernährungstrends. Nur fehlt es naturgemäß oftmals noch an wichtigen Kontakten, umfangreichem Branchenwissen und der für eine bundesweite Vermarktung notwendigen Professionalität. Wir sehen uns als Partner und Coach dieser jungen Unternehmen und begleiten sie gerne auf dem Weg zur Markteinführung. Aus meiner Sicht ist das eine Win-Win-Situation, von der beide Partner profitieren.
one: Wie passen kleine, agile Start-ups und ein großer Händler wie REWE zusammen?
Hans-Jürgen Moog: Ich denke, die genannten Beispiele zeigen, dass Start-ups und die REWE sehr gut zusammenpassen. Allerdings ist nicht jedes Start-up bereits so weit, dass wir es national in unseren Märkten vertreiben können; selbst wenn das Produkt in Geschmack, Preis und Verpackung überzeugt. Hier nehmen wir unsere Rolle als Partner und Coach wahr. Voraussetzung ist selbstverständlich, dass alle regulatorischen Vorgaben und Anforderungen unseres Qualitätsmanagements und der REWE erfüllt sind. Um den Kunden dann auch eine entsprechende Verfügbarkeit des neuen Produktes gewährleisten zu können, sollten die Innovationen in absehbarer Zeit in ausreichender Menge produziert werden können. Wenn ein Unternehmen nicht von Anfang an die volle Lieferbereitschaft sicherstellen kann, ist das in der Regel kein Problem. Dann wird das Produkt eben stufenweise eingeführt, beginnend in einer Region oder bei einer Vertriebslinie; so machen wir es jetzt auch mit dem Start-Up-Award-Gewinnerprodukt O-Mochi.
one: Wie bringen Sie sich über die Zusammenarbeit mit Start-ups hinaus auf den neuesten Stand bei Trends im Warengeschäft?
Hans-Jürgen Moog: Mein Team und ich haben uns mit voller Motivation dem Einkauf im Lebensmitteleinzelhandel verschrieben. In Köln arbeiten rund 240 Mitarbeiter in neun Warenbereichen an der Weiterentwicklung unserer Supermarkt-Sortimente in den REWE-Märkten. Darüber hinaus arbeiten in den REWE-Regionen weitere regionale Teams, die sich um lokale und regionale Sortimente kümmern. Somit sind viele Fachleute im Marken- und Eigenmarkenbereich täglich auf der Suche, um neue, innovative Artikel zu finden oder zu kreieren. Auch ich bringe mich bei diesem Thema gerne persönlich ein - der tägliche Umgang mit der Ware und das Basteln an den Sortimenten machen mir im Einkauf in verschiedenen Unternehmen des Lebensmitteleinzelhandels jeden Tag aufs Neue großen Spaß.
one: Welche übergeordneten Trends identifizieren Sie für das Warengeschäft?
Hans-Jürgen Moog: Ich bin davon überzeugt, dass uns das Thema Zucker- und Salzreduktion warengruppenübergreifend auch in der nächsten Zeit weiter beschäftigen wird. Auch wenn wir hier mit der Reduktion von Zucker und Salz in über 150 Eigenmarkenartikeln bereits einen guten Schritt nach vorne gemacht haben. Dies gilt auch für das Thema Nachhaltigkeit: Themen wie Plastikvermeidung durch den Einsatz von nachhaltigeren Verpackungen und die Ausweitung von Bio-Sortimenten entsprechen voll und ganz dem Zeitgeist. Darüber hinaus werden „Super-Foods“ – wie etwa Hanf – aus meiner Sicht ein wichtiges Thema bleiben.
Schlange stehen in New York und foodporn eingeben auf Instagram: Ein Gespräch mit Start-up-Könner Mark Mühürcüoglu über das Finden und Halten von (süßen) handelstauglichen Foodtrends. Und warum er den Begriff „Foodneuheit“ vorzieht.
Mark Mühürcüoglu, 34, ist Mitgründer des auf Süßwaren spezialisierten Start-ups SD Sugar Daddies, das 2017 mit „Cookie Bros. – Keksteig zum Naschen“ sein erstes Produkt im LEH platzierte. Es folgten mit „O-Mochi“ von japanischem Reisteig ummantelte Eiskugeln in diversen Geschmacksrichtungen. Mit O-Mochi gewann SD Sugar Daddies den ersten Preis beim REWE-Start-up-Award 2019.
Mark Mühürcüoglu
one: Herr Mühürcüoglu: Auf rohem Keksteig haben Sie sozusagen ein Unternehmen aufgebaut. Wie kommt man auf so was?
Mark Mühürcüoglu: In New York stieß ich auf einem Spaziergang auf eine riesige Menschenschlange vor einer Art Eisladen, wo Keksteig im Hörnchen verkauft wurde. Die Idee hatte Potenzial, auch wenn mir der Teig zu „amerikanisch“ geschmeckt hatte. Zu Hause in Deutschland steckten wir unser Geld als erstes in Küchenmaschinen und probierten rund 100 Teigrezepturen und Dutzende verschiedener Zutaten aus, bis wir zufrieden waren: Es sollte nach dem Plätzchenteig unserer Kindheit schmecken, sollte natürlich, gut haltbar und auch gekühlt noch cremig sein. Unsere Frage an uns selbst war: Was ist möglich, aber nicht schädlich.
Und anders als der Laden in New York wollten wir nicht stationär arbeiten, sondern unser Produkt im LEH platzieren. Jeder, der es schon mal probiert hat, weiß: Gute Produkte im LEH zu platzieren ist schon schwer, aber die Einlistung neuer Frischeprodukte ist eine noch größere Herausforderung.
„Ist ein Trend verflogen, kann man schnell weg vom Fenster sein“Mark Mühürcüoglu
one: Aber nach dem Keksteig mit Löffel kam mit der Reis-Eis-Kugel gleich ein weiteres Frischeprodukt…
Mark Mühürcüoglu: Uns war klar: Ist ein Trend verflogen, kann man schnell weg vom Fenster sein. Also wollten wir ein zweites Produkt in den Markt bringen. Unsere Vorgabe dabei war, es soll dem Keksteig nicht zu ähnlich, aber auf jeden Fall süß sein. Denn unser Unternehmensname „Sugar Daddies“ ist Programm. Und so entwickelten wir O-Mochi für den deutschen Markt.
one: Sind Sie dafür auch wieder durch die Welt gereist?
Mark Mühürcüoglu: Nein. Früher hat man solche Trends ja nur durch Fernreisen mitbekommen. Heute gibt man bei Instagram Schlagworte wie foody, foodporn, foodtrends ein und erhält zigtausende Anregungen. Wir haben dann sortiert: Was gefällt uns? Was könnte dem Handel gefallen? Was lässt sich verkaufen? Dabei hat sich schnell gezeigt: Asia-Food ist in, das sieht man schon an den Sushi-Shops in vielen REWE-Märkten. Aber es gab noch keine asiatischen Süßspeisen bei uns im Handel, während Mochi-Eis in Japan fester Bestandteil der Esskultur ist.
„Von schnellen Trends halten wir uns fern. Wir setzen auf Foodneuheiten“Mark Mühürcüoglu
one: Wie kommunizieren Sie Ihre Produkte?
Mark Mühürcüoglu: Wir arbeiten auch selbst viel mit Instagram, so haben wir zum Beispiel unsere nächsten Keksteigsorten „roher Teig“ und „Zitronenkuchen“ mit Rückmeldungen auf dieser Plattform entwickelt. Wir kooperieren auch mit Influencern und Bloggern, ohne Geld zu bezahlen übrigens. Wir senden Probierpakete, sie posten ihre Meinung.
one: Ganz allgemein gefragt: Was ist für Sie ein Foodtrend?
Mark Mühürcüoglu: Ein Foodtrend ist etwas, was schnell kommt und schnell wieder weg ist. Davon halten wir uns fern. Wir setzen auf Food-Neuheiten. Für uns ist wichtig: Was hat trendiges Potenzial und gleichzeitig langfristige Strahlkraft.
Im vergangenen Jahr gewann mit Selo Green Coffee ein nachhaltiges und innovatives Erfrischungsgetränk den REWE Start-up Award. one sprach mit Geschäftsführerin Laura Zumbaum über die Erfahrungen des ersten Jahres und die Wünsche für die Zukunft.
one: Welche Erwartungen waren für Sie mit dem Award verbunden und inwieweit konnten diese Erwartungen erfüllt werden?
Laura Zumbaum: Um ehrlich zu sein war der Gewinn eine absolute Überraschung für uns – bei der großen Anzahl spannender Kandidaten. Der Getränkemarkt ist extrem umkämpft, außerdem ist der Kunde hier sehr preissensibel. Dass gerade unsere Verpflichtungen in Sachen Nachhaltigkeit und auch Rezeptur-Details wie der Verzicht auf Kristallzucker ausschlaggebend für unseren Gewinn waren, hat uns sehr gefreut. Die Erwartung war der Beginn einer ehrlichen, produktiven Partnerschaft mit der REWE Group. Diese Zusammenarbeit nimmt konkret Gestalt an, das wissen wir sehr zu schätzen.
one: Womit hatten Sie nicht gerechnet?
Laura Zumbaum: Uns hat die Begeisterung einzelner Kaufleute und Marktleiter extrem gefreut! Andererseits gab es natürlich auch erschwerende „Überraschungen“, zum Beispiel die Komplexität der Logistik. Bis das fertige Bio-Erfrischungsgetränk erstmal im Kühlschrank steht und die leere Mehrwegflasche wieder erfolgreich zur Reinigung und Neubefüllung abgeholt wird, da sind einige Schritte zu tun und die erfolgreiche Koordination dieses Prozesses ist absolut herausfordernd – für Händler, Großhändler, Hersteller und Startup.
„Stur und starr kommt niemand wirklich weit.“Laura Zumbaum
one: Was sind aus Ihrer heutigen Perspektive die wichtigsten Faktoren in der Zusammenarbeit zwischen einem Start-Up und einem großen Einzelhändler?
Laura Zumbaum: Unserer Erfahrung nach ist die gemeinsame Vision extrem wichtig. Wenn nicht klar ist welche Lücke ein Produkt oder ein Hersteller schließt, welches Problem es für den Kunden löst und ob die Differenzierung zum bestehenden Wettbewerb besteht, gibt es spätestens mittelfristig Probleme. Eine ehrliche, transparente Kommunikation ist außerdem Basis einer erfolgreichen Partnerschaft, besonders bei zwei so diversen Polen. Zudem halte ich persönlich eine gewisse Kompromissbereitschaft für extrem relevant. Stur und starr kommt niemand wirklich weit.
one: Wie ist Ihre Bilanz nach dem ersten Jahr der Zusammenarbeit mit REWE?
Laura Zumbaum: Bitte mehr davon! Wir wünschen uns auf allen Ebenen – im Markt, in den Regionen und national – positive Zusammenschlüsse für ein gutes Ernährungssystem der Zukunft und Genuss für alle Beteiligten.
Die Premiere des Start-up Awards im vergangenen Jahr gewann Selo. Das Erfrischungsgetränk ist koffeinhaltig wie ein doppelter Espresso, bio, vegan und sehr kalorienarm. Es enthält keine Zusätze von Kristallzucker, Aromen oder Konservierungsstoffen. Für die Herstellung werden Bio-Kaffeebohnen nicht geröstet, sondern sonnengetrocknet.
Deshalb ist die Bohne grün und nicht braun und das Getränk daher mintfarben. Übrigens: Der Name „Selo“ ist die Übersetzung für Kaffeekirsche auf Esperanto, der fast vergessenen Weltsprache.