Das Virus ändert vieles – auch die Art und Weise, wie Unternehmen und potenzielle Azubis aufeinander zugehen. Wie treffen Recruiter auf Bewerber, wenn Ausbildungsmessen & Co. ausfallen? Wie läuft die Bewerbungsphase ohne Gruppeninterviews oder Probe-Arbeiten in den Märkten? one fragte bei HR-Experten der Vertriebslinien und Auszubildenden nach.
Gab es durch Corona weniger Bewerbungen oder ist die Zahl derjenigen, die eine Ausbildung im Handel anstreben sogar angestiegen? Und wenn der Kontakt schließlich hergestellt war: Wie haben sich Unternehmen und potenzielle Azubis trotz gebotener Distanz kennengelernt? Personalmanager von REWE, PENNY und Toom erzählen aus der Praxis.
Alle Gesprächstermine komplett belegt
Das soll aber die persönliche Begegnung nicht ersetzen, sondern ergänzen. In der Region Ost haben die Kollegen auch gerade schon wieder ihre erste Live-Karrieremesse besucht. Natürlich unter Einhaltung aller Hygieneregeln. Aber die Bilanz ist sehr positiv, alle Gesprächstermine waren komplett belegt. Auch andere Regionen haben für 2021 wieder Live-Karrieremessen gebucht.
Weil aktuell viele persönliche Einblicke nicht mehr möglich sind, haben wir ein 360-Grad-Video von der Ausbildung an der Frischetheke gedreht. So kann man sich auch aus der Distanz ein sehr gutes Bild von der Ausbildung machen.“
Alexandra Wolf, Sachgebietsleitung Employer Branding und Recruiting verantwortet bei REWE das nationale Employer Branding.
Begeistert vom virtuellen Speeddating
Vor Corona haben wir im Bereich Ausbildung stark auf Gruppeninterviews gesetzt. Diese Gruppenveranstaltungen können natürlich nicht mehr stattfinden. Deshalb setzen wir seit März verstärkt auf telefonische Bewerbungsgespräche. Der Vorteil des Telefon-Interviews: Wir können uns besser auf die jeweiligen Rahmenbedingungen einstellen, in denen sich die jungen Menschen bewegen. Geht der Bewerber noch zur Schule? Hat er deshalb nur nachmittags Zeit? Darauf können wir uns nun sehr flexibel einstellen. Es ist wesentlich einfacher, ein Bewerbungsgespräch von Zuhause aus zu führen, als dafür eine unter Umständen große Anreise in Kauf zu nehmen. Dadurch haben wir höhere Teilnehmerquoten als im Vorjahr erreicht. Andererseits sind für uns Recruiter auch gerade die non-verbalen Eindrücke sehr wichtig, um eine Entscheidung zu treffen. Da man bei einem persönlichen Gespräch weitaus mehr über einen Menschen erfährt als am Telefon, folgt immer zusätzlich zum telefonischen ein persönliches Gespräch im Markt, bzw. mit dem jeweiligen Bezirksleiter.“
Tim Peters, HR-Experte Ausbildung, ist in der PENNY-Region Nord vorwiegend für das Recruiting und die Begleitung der Markt-Azubis verantwortlich.
Unsere Abis sind extrem technikaffin
Gerade sind unsere neuen Abis in ihrem ersten Theorie-Modul in Neuwied. Sie besuchen keine regulären Berufsschulen, sondern bekommen die theoretischen Inhalte bei einem externen Bildungsträger vermittelt. Glücklicherweise kann das – unter Einhaltung entsprechender Hygienemaßnahmen – wieder vor Ort stattfinden. Eine unserer Abi-Gruppen musste wegen Corona ein komplettes Modul digital absolvieren, das empfanden die Azubis durchgängig als nicht gut. Zu viel Ablenkung daheim, dann die extrem unterschiedliche „Online-Qualität“ der Bewerber – das machte alles schwierig.
Für unsere internen Info-Veranstaltungen haben wir auch digitalen Ersatz geschaffen – ebenso für Feedback-Runden: Wie waren die ersten Wochen im Markt? Wie geht es, was fehlt? Auch das klappt sehr gut über Teams.“
Vanessa Nußbaum, Personalentwicklung Referentin Vertrieb & Logistik bei Toom, ist vor allem für das Recruiting und die Begleitung der „Abis“ zuständig. Abis sind Azubis, die ihre Ausbildung in 18 Monaten machen, in der Regel mit einer Weiterbildung zum/zur Handelsfachwirt/in im Anschluss, die sie für eine Führungsposition qualifiziert.
Keine Scheu vor ungewöhnlichen Maßnahmen
Beim ,Tag der Ausbildung’, einer Jobbörse, die Ende Oktober in einem unserer REWE-Märkte stattfinden wird, werden wir live – natürlich unter Berücksichtigung der Corona-Bestimmungen – in einem Brühkessel Weißwurst herstellen. Erfahrungsgemäß kommt man dabei auch mit älteren Menschen ins Gespräch, die nicht mehr für eine Ausbildung in Frage kommen, die aber an einem Job bei REWE interessiert sind. Vor Ort können Sie sich direkt auf aktuell freie Stellen in unserem Bewerbungsportal bewerben. Auch vor ungewöhnlichen Maßnahmen schrecken wir nicht zurück. So haben wir 10.000 Paar Talentwerk-Socken mit Lebensmittelmotiven produzieren lassen, die wir an interessierte Schulabgänger verteilen. Die Erfahrung zeigt: Die jungen Leute stehen drauf.“
Sabine Drees und Helmut Güttmann, Personalentwicklung REWE Dortmund, kümmern sich um den Nachwuchs für die Servicetheke.
Weniger Stellen, weniger Bewerber. Die Coronakrise bremst die Ausbildung in Deutschland. one wollte wissen, wie die Lage bei der REWE Group aussieht und hörte sich bei HR-Verantwortlichen in den Vertriebslinien um.
Anstieg bei den Bewerberzahlen
Insgesamt kann man auch sagen, dass die individuelle Betreuung und Ansprache zugenommen hat. Ich vermute, dass das auch daran liegt, dass die jungen Leute im Lockdown schlicht weniger Möglichkeiten hatten, Informationen über Ausbildungsmöglichkeiten einzuholen. Etwa in der Schule oder über andere Kontaktpunkte. Die Lücke haben wir dann gerne gefüllt.“
Alexandra Wolf, Sachgebietsleitung Employer Branding und Recruiting bei REWE
Einstellungen bis Mitte September
Margitta Stöcker, Recruiterin Ausbildung bei Toom, ist dort für das Recruiting der Azubis zu Kaufleuten im Einzelhandel zuständig.
Die Coronakrise verändert nicht nur das Recruiting von Azubis, sie wirkt sie sich auch auf die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe aus. In der gesamten deutschen Wirtschaft ist die Zahl der gemeldeten Ausbildungsstellen seit 2013 erstmals wieder zurückgegangen. Ganz anders sieht die Situation im Handel aus: Laut Handelsverband Deutschland (HDE) ist die Zahl der Ausbildungsstellen für Kaufleute im Einzelhandel und für Verkäufer stabil bis leicht steigend. Auch die REWE Group hat zugelegt und die Zahl der Azubis um 4,1 Prozent gesteigert (siehe oben).
Die beiden Kernberufe des Einzelhandels belegen nach wie vor die ersten beiden Plätze im bundesweiten Ranking der Ausbildungsstellen. Doch wie hat sich die Krise auf die Anzahl der Bewerbungen ausgewirkt? In der gesamten deutschen Wirtschaft ist die Zahl der Bewerbenden auf Ausbildungsplätze gesunken: Zwischen Oktober 2019 und Juni 2020 suchten gerade einmal 417.257 Bewerbende eine Ausbildung. Das ist ein Rückgang von etwa neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (Quelle: Statista)
Entspanntes Kennenlernen
Philipp Richter hat am 1. August 2020 seine Ausbildung im Abiturientenprogramm bei PENNY in der Region Nord begonnen
Zusage nach zwei Tagen
Nico Krause, 22, 1. Lehrjahr, Azubi Fleischer bei REWE Ihr Kaufpark in Hagen, Minervastraße
Marktwechsel in Coronazeit
Christoph Hoffmann, Kaufmann im Einzelhandel, Fachbereich Baumarkt, beim Toom in Langenfeld. Er wurde am 17.07.2020 nach bestandener Abschlussprüfung übernommen
Dank Aushilfsjob schon vertraut
Shanine Gothmanns, 1. Ausbildungsjahr zur Kauffrau im Einzelhandel, Fachbereich Baumarkt, im Toom in Langenfeld
Assessment Center vor Ort
Das Bewerbungsverfahren lief sehr gut, nach einem Orientierungsgespräch und einem Online-Assessment-Test fand das Assessment Center vor Ort unter Beachtung der Hygienerichtlinien statt. Der Raum war sehr groß, die Anzahl der Teilnehmenden hingegen reduziert.“
Florian Onckels, Trainee Category Management/Analyst bei Penny International.
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