Der Fachkräftemangel schlägt sich in sinkenden Bewerber:innenzahlen nieder. Gleichzeitig gibt es rund 1,5 Millionen Menschen, die arbeitslos und geringqualifiziert sind, die beispielsweise über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen. Ganz im Sinne einer starken Gemeinschaft öffnen wir uns für die Menschen, die aufgrund ihrer Biografie oder ihrer Lebensumstände durchs Raster fallen und bieten ihnen mit einem Qualifizierungsprogramm den (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben.
Das Pilotprojekt des Recruiting Centers setzt bei diesen Menschen an: Gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit, den lokalen Jobcentern und Bildungspartnern werden Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte im Rahmen einer Teilqualifizierung (TQ) für Verkaufs-Tätigkeiten in REWE und PENNY-Märkten ausgebildet.
Das Projekt hilft uns, die Arbeits- und Fachkräftelücke zu schließen und mehr Mitarbeitende für die Märkte zu gewinnen. Die bestehende Mitarbeitendenschaft wird so vor Überlastung geschützt. Ein weiterer Aspekt ist, dass wir damit langfristig auch den Führungsnachwuchs sicherstellen.
Wir wollten von Projektteilnehmer:innen wissen, wie das Projekt ihnen geholfen hat, ins Arbeitsleben zurückzufinden. Wir haben Kaufleute, Bezirksleiter:innen, Marktmanager:innen und HR-Partner:innen gefragt, wie es ihnen vor Ort hilft, dem Fachkräftemangel entgegenzutreten. Mitarbeitende der Bundesagentur für Arbeit und der Bildungsträger erklären, wie sie das Projekt betreuen. Zum Auftakt erläutert Dirk Hoffmann, Senior Consultant Talent Acquisition, Recruiting Center, Handel Deutschland, das Pilotprojekt, das er ins Leben gerufen hat.
one: Warum ist es so wichtig, auf alternative Recruitingwege zu setzen?
Dirk Hoffmann: So wie in den meisten anderen Branchen, fehlen auch im Handel Arbeits- und Fachkräfte. Auf der Fläche macht sich das besonders bemerkbar, da hier der Bedarf besonders hoch ist. Aufgrund des demografischen Wandels stoßen wir im Recruiting an natürliche Grenzen.
Die Älteren gehen in den wohlverdienten Ruhestand und es kommen nicht genügend Jüngere nach – einfach, weil es zu wenige von ihnen gibt. Um die Arbeits- und Fachkräftelücke nicht weiter auseinanderklaffen zu lassen, haben wir uns dazu entschlossen, neue Wege im Recruiting einzuschlagen und Menschen einzubinden, die keine standardmäßigen Erwerbsbiografien haben.
one: Was meinen Sie genau damit und welche Menschen sprechen Sie mit dem Pilotprojekt an?
Dirk Hoffmann: Wir haben in Deutschland rund 1,5 Millionen Menschen, die aus den unterschiedlichsten Gründen arbeitslos sind und als geringqualifiziert gelten. Das heißt, dass sie entweder nie eine Ausbildung abgeschlossen haben oder aber über vier Jahre nicht in ihrem Ausbildungsberuf gearbeitet haben. Diese Menschen sprechen wir mit unserem Pilotprojekt an.
one: Aus welchen Gründen haben diese Menschen keinen Ausbildungsabschluss?
Dirk Hoffmann: Neben denjenigen, die keine Ausbildung gemacht haben, gibt es viele Menschen, die einen Fluchthintergrund haben und deren Ausbildungsabschluss in Deutschland nicht anerkannt wird. Es gibt aber auch viele Einheimische, die aufgrund von schwierigen familiären Situationen keine Ausbildung abschließen konnten, weil sie beispielsweise alleinerziehend sind oder einen Familienangehörigen pflegen. Außerdem zählen dazu auch Menschen, die sich zuvor mit Gelegenheitsjobs über Wasser gehalten haben und diese Art von Leben satt sind. Für all diese Menschen bietet eine Teilqualifizierung eine große Chance, durch eine fundierte Ausbildung zum Verkäufer-/in im Einzelhandel mit IHK-Abschluss auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
one: Das hört sich so an, als ob es wenig Limitierungen bei der Auswahl der Kandidat:innen gibt?
Dirk Hoffmann: Völlig richtig! Es gibt wenig Limitierung. Was das Alter betrifft: Unser jüngster Teilnehmer war 23 und der älteste 63. Was die Herkunft betrifft, sind wir ebenfalls wenig limitiert: Wir haben Teilnehmer:innen mit Wurzeln in den verschiedensten Ländern: Syrien, Afghanistan, Ghana.
one: Wie läuft eine TQ-Maßnahme konkret ab?
Dirk Hoffmann: Nachdem uns seitens der REWE- oder PENNY-Region Bedarf gemeldet worden ist, analysieren wir zunächst den Arbeitsmarkt und prüfen, ob es genügend geeignete Kandidat:innen in der jeweiligen Gegend gibt. Wenn das Jobcenter die Kandidat:innen für die Maßnahme gefunden hat, gehen wir auf unsere Bildungspartner zu, denn für den theoretischen Part der Ausbildung ist jeweils der lokale Bildungsträger verantwortlich. Im Anschluss werden Kandidat:innenveranstaltungen durchgeführt, die dem gegenseitigen Kennenlernen dienen. Wenn diese für die jeweiligen Kandidat:innen und für uns positiv verlaufen sind, bieten wir ihnen einen Arbeitsvertrag an.
one: Wie viele Kandidat:innen werden für eine TQ-Maßnahme benötigt?
Dirk Hoffmann: Mindestens zwölf Personen werden benötigt, damit sich die Maßnahme lohnt. In Einzelfällen bieten wir in Absprache mit den Bildungsträgern auch Teilqualifizierungen für eine kleinere Gruppengröße als zwölf an.
one: Welche Motivation haben die Teilnehmenden, an der TQ-Maßnahme teilzunehmen?
Dirk Hoffmann: An erster Stelle steht für viele die Motivation, eigenes Geld zu verdienen und sich dadurch von der Abhängigkeit von staatlicher Alimentation zu befreien. Ein sicheres Arbeitsverhältnis bei einem guten Arbeitgeber zu haben, ist für viele sehr erstrebenswert. Es ist aber auch der Wunsch nach Selbstverwirklichung und die Chance auf eine mögliche Karriere.
one: Wann und wo haben Sie bereits TQ-Maßnahmen umgesetzt?
Dirk Hoffmann: 2023 sind vier TQ-Maßnahmen angelaufen, davon für das Vollsortiment eine in Berlin. Für PENNY sind wir im Oktober in Hamburg in der Region Nord gestartet. In der PENNY-Region Südwest sind wir 2023 in Frankfurt am Main und in Mannheim / Ludwigshafen gestartet. In diesem Jahr wird München in der Region Süd ebenfalls für PENNY anlaufen. Das Vollsortiment ist 2024 mit Berlin, Rostock (inklusive Stralsund und Rügen) und Schwerin vertreten.
Wird das noch landesweit ausgerollt, gibt es eine Art Roadmap dazu? Ich würde es ja gerne empfehlen, aber och ist das Angebot ja sehr eingeschränkt, wenn ich das richtig verstehe.
Hallo Frau Dukagjini, die TQ Projekte können zwar bundesweit weit ausgerollt werde. Neu geplant ist derzeit nur ein neues Projekte in Berlin ( ab 09.1024). Köln könnte vielleicht auch dazu kommen, ist allerdings noch nicht fest geplant.
Ein tolles Projekt und eine wunderbare Chance, neue interessierte und motivierte Mitarbeiter zu gewinnen.
Super spannendes Interview und sehr wichtiges Thema! Danke für den Einblick.
Sehr schönes Projekt. Ich bin schon gespannt, wie es 2025 weiter geht
Tolles Projekt. Das wird die Zukunft in vielen Unternehmen werden.
Weiter so !
Wird das auch bundesweit ausgerollt? Wonach sollten Interessierte bei den Arbeitsämtern fragen, "Teilqualifizierung"?
Hallo Frau Dukagjini, derzeit laufen die Projekte nur in größeren Städten und auch noch nicht in allen Regionen. Zum großen Teil handelt es sich dann auch um die TQ Verkauf, also zum / zur Verkäufer: in. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter sind immer über anlaufende Maßnahmen für Rewe und Penny informiert.
Gruß Dirk Hoffmann
Das ist ein sehr gutes Projekt. Gruß an Dirk Hoffmann.
Hallo Herr Faust, vielen Dank. Das Projekt gibt Menschen oftmals eine neue Perspektive. Gruß Dirk Hoffmann