Lesedauer: 12 Minuten
Anders lieben bei der REWE Group
Arbeiten unterm Regenbogen
Seit fünf Jahren gibt es di.to, das Netzwerk der REWE Group für alle, die eine „andere“ sexuelle Orientierung haben. Ein guter Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen und ein passender Anlass, den zweiten Teil unserer Diversity-Serie den Kollegen und Kolleginnen zu widmen, die lesbisch, schwul, bi, trans, queer sind - und den Heteros und Cissexuellen, mit denen sie zusammenarbeiten.
„Wer offen damit umgeht, ist nicht angreifbar“
Jens Tschimmel, 40, Gebietsmanager Vertrieb REWE Markt GmbH, Region Süd„Bei uns behandelt man das Thema locker“
Holger Schmidt, 49, Anforderungsmanager DER Touristik in Frankfurt„Die Angst, entdeckt zu werden, bremst im Job“
Florian Goletzke,30 Leiter Deko/Außenwerbung REWE Markt GmbH, Region NordDrei Fragen an Astrid Jansen
„Sich mit dem eigenen Anderssein einbringen können, bereichert das Team“
Was hat die sexuelle Orientierung am Arbeitsplatz verloren? di.to-Beraterin Astrid Jansen über die richtige Art zu fragen und den richtigen Moment zum Outen.
one: Frau Jansen, darf man einen Kollegen oder eine Kollegin nach seiner oder ihrer sexuellen Orientierung fragen?
Astrid Jansen: Ich selbst würde mich im Vorfeld fragen: Warum möchte ich eigentlich wissen, wie der Kollege, die Kollegin lebt? Bin ich einfach neugierig, habe ich Spaß an Klatsch und Tratsch? Oder mag ich den Menschen und interessiere mich für ihn?
Denn wen man liebt - das ist für die einen eine sehr persönliche, schützenswerte Angelegenheit, andere gehen eher offen damit um. Wenn ich nun wissen möchte, ob meine Kollegin lesbisch ist, weiß ich vorher leider nicht genau, ob sie zu den offenen oder zu den zurückhaltenden Menschen gehört. Wenn ich mir da nicht sicher bin, wie viel an Offenheit die Beziehung verträgt, kann ich mein Gegenüber ganz pragmatisch fragen: „Mich interessiert, wie du privat lebst. Darf ich dazu fragen oder trennst du das Private eher vom Beruflichen?“
Wichtig finde ich auch, dass man prüft, ob beziehungsweise auf welche Weise man selbst gerne gefragt werden würde, wenn es um Persönliches und Privates geht.
one: Muss oder sollte ich mich Kollegen oder Vorgesetzten gegenüber „outen“?
Astrid Jansen: Mit den Fragen „soll ich mich outen?“ oder „wann ist der richtige Zeitpunkt?“ müssen sich Menschen, die jenseits der Mehrheitsgesellschaft leben, regelmäßig auseinandersetzen. Das ist so, weil Heteros oder Cis*) vielfach voraussetzen, dass alle Menschen, also auch LGBTIQ*) lebende Menschen so leben wie sie selbst.
Würden wir die heterosexuellen Cis-Leser und Leserinnen in diesem Interview per se als trans- oder homosexuell ansprechen, hätten sie vermutlich auch das Bedürfnis, das aufzuklären und die für sie passende Selbstbeschreibung kundzutun.
Doch die meisten Menschen, die mir bisher begegnet sind, tragen ihre sexuelle Identität beziehungswiese Orientierung eben nicht vor sich her. Denn sie bildet für sie nur einen Aspekt ihrer Person unter vielen und daher wollen sie ihr nicht so eine große Bedeutung geben. Sie haben wenig Lust, immer wieder die „Quotenlesbe“ im Heteroteam zu sein. Daraus ergibt sich oft ein Dilemma zwischen „outen“ oder „nicht outen“.
Wichtig ist auch, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Verpasst man den, kann das unangenehm sein („Warum hast du mir das nicht eher erzählt?“). Ist man zu früh, dann auch („der spielt sich mit seinem Schwul-Sein in dem Mittelpunkt“). Dieser Entscheidungsprozess kostet Gefühle und Kopf gleichermaßen Kraft.
one: Warum überhaupt im Arbeitsumfeld über die eigene Lebens- oder Liebessituation sprechen?
Astrid Jansen: Was will ich montags morgens vom Wochenende, von meiner Familie preisgeben, die vielleicht aus zwei Vätern oder zwei Müttern besteht? Wenn Menschen dauerhaft einen Teil des eigenen Lebens ausblenden müssen, weil das Arbeitsklima nicht offen genug ist, dann ist das für die Betroffenen oft belastend. Im Gegensatz dazu bereichert es Teams, wenn unterschiedliche Menschen sich mit dem eigenen Anderssein einbringen können. Solche Teams sind kreativer und bereiten den Boden für ein gesundes Miteinander aller.
Astrid Jansen ist Psychologin, hypnosystemische Coach und Beraterin Gesundheitsmanagement des Gesundheitsdienstleisters B.A.D. Sie berät im Rahmen ihrer Tätigkeit für die REWE Group auch die Mitglieder des di:to-Netzwerks und Kolleginnen und Kollegen zu Fragen aus dem Bereich LGBTIQ*)
Astrid Jansen: Ich selbst würde mich im Vorfeld fragen: Warum möchte ich eigentlich wissen, wie der Kollege, die Kollegin lebt? Bin ich einfach neugierig, habe ich Spaß an Klatsch und Tratsch? Oder mag ich den Menschen und interessiere mich für ihn?
Denn wen man liebt - das ist für die einen eine sehr persönliche, schützenswerte Angelegenheit, andere gehen eher offen damit um. Wenn ich nun wissen möchte, ob meine Kollegin lesbisch ist, weiß ich vorher leider nicht genau, ob sie zu den offenen oder zu den zurückhaltenden Menschen gehört. Wenn ich mir da nicht sicher bin, wie viel an Offenheit die Beziehung verträgt, kann ich mein Gegenüber ganz pragmatisch fragen: „Mich interessiert, wie du privat lebst. Darf ich dazu fragen oder trennst du das Private eher vom Beruflichen?“
Wichtig finde ich auch, dass man prüft, ob beziehungsweise auf welche Weise man selbst gerne gefragt werden würde, wenn es um Persönliches und Privates geht.
„Den richtigen Zeitpunkt fürs Outen nicht verpassen.“
Astrid Jansenone: Muss oder sollte ich mich Kollegen oder Vorgesetzten gegenüber „outen“?
Astrid Jansen: Mit den Fragen „soll ich mich outen?“ oder „wann ist der richtige Zeitpunkt?“ müssen sich Menschen, die jenseits der Mehrheitsgesellschaft leben, regelmäßig auseinandersetzen. Das ist so, weil Heteros oder Cis*) vielfach voraussetzen, dass alle Menschen, also auch LGBTIQ*) lebende Menschen so leben wie sie selbst.
Würden wir die heterosexuellen Cis-Leser und Leserinnen in diesem Interview per se als trans- oder homosexuell ansprechen, hätten sie vermutlich auch das Bedürfnis, das aufzuklären und die für sie passende Selbstbeschreibung kundzutun.
Doch die meisten Menschen, die mir bisher begegnet sind, tragen ihre sexuelle Identität beziehungswiese Orientierung eben nicht vor sich her. Denn sie bildet für sie nur einen Aspekt ihrer Person unter vielen und daher wollen sie ihr nicht so eine große Bedeutung geben. Sie haben wenig Lust, immer wieder die „Quotenlesbe“ im Heteroteam zu sein. Daraus ergibt sich oft ein Dilemma zwischen „outen“ oder „nicht outen“.
Wichtig ist auch, den richtigen Zeitpunkt zu finden. Verpasst man den, kann das unangenehm sein („Warum hast du mir das nicht eher erzählt?“). Ist man zu früh, dann auch („der spielt sich mit seinem Schwul-Sein in dem Mittelpunkt“). Dieser Entscheidungsprozess kostet Gefühle und Kopf gleichermaßen Kraft.
one: Warum überhaupt im Arbeitsumfeld über die eigene Lebens- oder Liebessituation sprechen?
Astrid Jansen: Was will ich montags morgens vom Wochenende, von meiner Familie preisgeben, die vielleicht aus zwei Vätern oder zwei Müttern besteht? Wenn Menschen dauerhaft einen Teil des eigenen Lebens ausblenden müssen, weil das Arbeitsklima nicht offen genug ist, dann ist das für die Betroffenen oft belastend. Im Gegensatz dazu bereichert es Teams, wenn unterschiedliche Menschen sich mit dem eigenen Anderssein einbringen können. Solche Teams sind kreativer und bereiten den Boden für ein gesundes Miteinander aller.
Astrid Jansen ist Psychologin, hypnosystemische Coach und Beraterin Gesundheitsmanagement des Gesundheitsdienstleisters B.A.D. Sie berät im Rahmen ihrer Tätigkeit für die REWE Group auch die Mitglieder des di:to-Netzwerks und Kolleginnen und Kollegen zu Fragen aus dem Bereich LGBTIQ*)
„Schade, dass so wenig Frauen mitmachen“
Kevin Keller, 29, Mitarbeiter des REWE-Marktes im unterfränkischen EschauSeit Anfang 2016 bin ich bei di.to dabei und seit Frühjahr des vergangenen Jahres helfe ich aktiv mit, unser Netzwerk in der Region Mitte zu etablieren. Das ist spannend, weil es hier so einen bunten Mix gibt von Kollegen und Kolleginnen aus den Märkten von REWE, PENNY und toom sowie aus der Touristik. Ich stelle immer wieder fest, dass viele ganz falsche Vorstellungen über unsere Arbeit haben. Mancher hält uns lediglich für einen „Spaßverein“ und denkt, dass wir vor allem Freizeitaktivitäten koordinieren. Auch hat es sich nach meiner Beobachtung erst wenig herumgesprochen, dass unser Vorstandsvorsitzender als Pate für di.to fungiert. Wenn ich die di.to-Broschüre mit dem Foto von Herrn Souque zeige, sind viele sehr erstaunt. Schade, dass es so schwierig ist, Frauen zum Mitmachen bei di.to zu bewegen. Vielleicht liegt es daran, dass viele Frauen sich nicht outen möchten. Oder sie wollen unter sich sein. Oder sie legen Wert darauf, Beruf und Privatleben nicht zu vermischen. Aber dieses Problem teilen wir mit anderen Netzwerken.
„Lesbisch zu sein hat mir im Job nie geschadet“
Nicole Bräutigam, 38, Assistentin im Einkauf REWE Group Buying Köln„Schwul sein und Karriere geht“
Phillip Kassner, 22, Mitarbeiter im Außendienst REWE Markt GmbH, Region OstGlossar: Jenseits und diesseits der Norm.
5 Jahre di.to: „Positive Auswirkungen auf das Leben einzelner Kollegen/innen“
Der fünfte Jahrestag der di.to-Gründung musste natürlich standesgemäß gewürdigt werden, und so organisierten die Initiatoren um Frank Bartels und Anna Pavlitschek eine Veranstaltung, bei der nicht nur gefeiert wurde. Zahlreiche Gäste brachten in Vorträgen die unterschiedlichsten Sichtweisen auf das Thema sexuelle Orientierung mit. Darunter Alexander Wehrle, Geschäftsführer des 1. FC Köln, der über „Out im Job?!“ sprach, Michaela Lübbering aus dem NRW-Familienministerium, die einen Überblick der aktuellen LGBT-Themen in der Landespolitik gab, oder Sarah Ungar, die Einblicke gewährte, mit welchen Herausforderungen lesbische oder schwule Mitarbeiter bei der Thyssenkrupp AG umgehen müssen.
di.to-Initiator Frank Bartels zieht ein positives Fazit: „Ich war nach der Veranstaltung echt einen Moment sprachlos, was selten genug bei mir der Fall ist. Ich hatte mit meiner Homosexualität nie ein Problem bei der REWE Group, im Gegenteil. Aber zu hören und live mitzuerleben, wie wichtig und vor allem positiv sich di.to. auf das Leben einiger Kollegen ausgewirkt hat, das hat mich schwer beeindruckt. Allein dafür hat sich die Arbeit in den letzten fünf Jahren mehr als gelohnt.“
di.to-Initiator Frank Bartels zieht ein positives Fazit: „Ich war nach der Veranstaltung echt einen Moment sprachlos, was selten genug bei mir der Fall ist. Ich hatte mit meiner Homosexualität nie ein Problem bei der REWE Group, im Gegenteil. Aber zu hören und live mitzuerleben, wie wichtig und vor allem positiv sich di.to. auf das Leben einiger Kollegen ausgewirkt hat, das hat mich schwer beeindruckt. Allein dafür hat sich die Arbeit in den letzten fünf Jahren mehr als gelohnt.“
di.to in Kürze
Im August 2013 traf sich eine Gruppe von über 20 Kolleginnen und Kollegen der REWE Group in Köln zu einem Stammtisch – das war die Geburtsstunde von di.to. Unter dem Motto „different together“, also gemeinsam anders, gründete Frank Bartels mit seinen Mitstreitern ein Netzwerk für homosexuelle Kolleginnen und Kollegen in der REWE Group.
Heute ist daraus ein LGBT-Unternehmensnetzwerk geworden, das mehr als 200 Kolleginnen und Kollegen in ganz Deutschland und in Österreich miteinander vernetzt.
Mein Kommentar
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