Weder das regnerische Wetter noch die Pandemie-Lage konnten die gute Stimmung trüben: Mit einem umfunktionierten Fahrzeug des REWE Lieferservice an der Spitze demonstrierte das LGBTIQ-Netzwerk di.to. auch in diesem Jahr auf dem Kölner CSD. Mehr als 80 Kolleg:innen der REWE Group setzten gemeinsam mit dem LGBT+ Netzwerk Rhein Ruhr ein deutliches Zeichen für Vielfalt. di.to.-Sprecher Frank Bartels zieht im one_Interview Bilanz.
Unter dem Motto „Für Menschenrechte. Viele. Gemeinsam. Stark “ zogen am vergangenen Sonntag (29.8.) im Rahmen des Christopher-Street-Days insgesamt knapp 10.000 Menschen mit Fahnen, Schildern und Masken in Regenbogenfarben durch die Kölner Straßen. Sie demonstrierten friedlich für die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgender auf der sogenannten Pride-Parade.
Um die Sicherheit der Demonstrierenden zu gewährleisten, fand der CSD wie bereits im letzten Jahr allerdings in angepasster Form statt – mit weniger zugelassenen Teilnehmer:innen und einer geänderten Demostrecke für mehr Abstand. Der Demonstrationszug verlief nicht wie sonst durch die engen Straßen der Innenstadt, sondern linksrheinisch über die breite Rheinuferstraße zum Heumarkt und dann über die Deutzer Brücke zum Deutzer Bahnhof. Alle Teilnehmenden mussten zudem geimpft, genesen oder getestet sein und Mundschutz tragen.
„Normalerweise demonstrieren wir mit einem großen Wagen, mit noch mehr Kolleg:innen aus der REWE Group, mit noch mehr Power. Dieses Jahr war aufgrund der Corona-Lage alles eine Spur kleiner. Wir sind stolz, dass wir uns als REWE Group trotzdem für die Rechte der LGBTIQ-Community stark machen und ein klares Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz setzen konnten“, beschreibt di.to.-Sprecherin Anna Pavlitschek die diesjährige Teilnahme.
Etwas an die Community zurückgeben
Durch die CSD-Teilnahmegebühren kamen insgesamt 1.200 Euro zusammen, die di.to. auf 1.800 Euro aufstockt und an den anyway e.V. in Köln spendet – der Verein kümmert sich speziell um die Bedürfnisse junger Menschen aus der LGBTIQ-Community. Zudem spendet di.to. 5.000 Euro aus dem Netzwerk-Budget an die Aidshilfe in Köln. „Es macht uns sehr glücklich, auch in diesem Jahr wieder etwas an die LGBTIQ-Community zurückzugeben“, resümiert Anna Pavlitschek.
Alles bleibt anders: Wie hat die Pandemielage die Demonstration zum Christopher-Street-Day in diesem Jahr beeinflusst? Wieso ist es gerade in diesem Jahr dennoch wichtig, gegen Ausgrenzung und für Akzeptanz und Vielfalt Flagge zu zeigen? Und was steht bei di.to. dieses Jahr noch an? Darüber spricht Frank Bartels als einer der ehrenamtlichen Sprecher:innen des LGBTIQ-Netzwerks im one_Interview. Frank Bartels
one: Letztes Jahr fand der CSD in Köln nicht wie gewohnt mit großer Demo statt, sondern coronabedingt im Herbst als Fahrrad-Sternfahrt. Wie lief die Demonstration dieses Jahr ab?
Frank Bartels: Die Demonstration in diesem Jahr war bis auf die geänderte Streckenführung und Hygienemaßnahmen für Demo-Teilnehmende ein Quantensprung zur Fahrrad-Sternfahrt im vergangenen Jahr. Einzig das Wetter spielte in diesem Jahr nicht mit, aber das hielt weder uns noch die circa 10.000 anderen Demonstrierenden davon ab, auf die Straße zu gehen.
Auch die Trucks fielen in diesem Jahr deutlich kleiner aus. Aufgrund der vielen Unsicherheiten haben wir uns ebenfalls gegen einen Truck entschieden, konnten das eingesparte Geld aber an die Aidshilfe Köln überweisen, die dringend auf Spendengelder angewiesen ist. Unsere circa 80-köpfige Fußgruppe wurde aber von einem REWE-Lieferfahrzeug, das mit unserem Motto „Viele. Gemeinsam. Stark.“ gebrandet war, angeführt. Hinter uns hat sich das RheinRuhr-Netzwerk eingereiht, bei dem es sich um einen lockeren Zusammenschluss zahlreicher Netzwerke aus NRW handelt. Dadurch wuchsen wir zu einer sehr stattlichen Truppe.
one: Warum stand für euch trotzdem fest, am CSD teilzunehmen – gerade in diesem Jahr?
Frank Bartels: Auch wenn wir uns immer noch in einer Pandemie befinden, wirkte der CSD sicherlich für viele wie ein Befreiungsschlag. Nach anderthalb Jahren wieder gemeinsam zu demonstrieren, aber auch zu feiern, war für alle Besucher:innen wichtig, die nach Köln gekommen sind.
Die Teilnahme unseres Netzwerks stand im Zeichen vieler unschöner Entwicklungen der letzten Monate und Jahre: Die Lage in Teilen Osteuropas ist zunehmend besorgniserregend. Angriffe auf die Justiz und Menschenrechte stehen dort mittlerweile an der Tagesordnung, so genannte LGBTIQ-freie Zonen führen fast täglich zu Übergriffen. In Deutschland streiten sich die Parteien über das Gesetz zur geschlechtlichen Selbstbestimmung, die größtenteils politisch motivierten Gender-Debatten werden gerade im Wahlkampf immer verbissener bis hin zur Absurdität geführt. Und was nicht außer Acht gelassen werden darf: Auch in Deutschland kommt es fast jeden Tag zu Übergriffen auf die Community. Es ist also bei weitem nicht alles in bester Ordnung, auch wenn eine Vielzahl an Bürger:innen das so empfinden mag.
one: Was plant ihr in den kommenden Wochen und Monaten auch noch in den anderen di.to.-Regionen?
Frank Bartels: Wir werden auf jeden Fall unsere digitalen Netzwerktreffen fortsetzen, da dies eine schöne Gelegenheit ist, mit di.to.-Netzwerker:innen aus allen Teilen der Republik zusammenzukommen. Auch das eine oder andere physische Treffen ist geplant, das müssen wir dann von den äußeren Gegebenheiten abhängig machen. Der Wunsch sich außerhalb von Microsoft Teams zu treffen, ist bei vielen definitiv vorhanden. Im Dezember würden wir gern wieder an unsere erfolgreichen Aktionen zum Welt-Aids-Tag anknüpfen. Im vergangenen Jahr war der traditionelle Verkauf von Teddybären leider nicht möglich, da sich die meisten Mitarbeitenden im Homeoffice befanden.
one: Was wünschst du dir für die Zukunft?
Frank Bartels: In Bezug auf den CSD, dass wir im nächsten Jahr noch unbeschwerter feiern und demonstrieren können als in diesem Jahr und dass Masken oder sonstige Regelungen der Vergangenheit angehören. Und da wir kurz vor der Bundestagswahl stehen, wünsche ich mir, dass die Partei, die sich eindeutig gegen Vielfalt positioniert, möglichst klein gehalten wird. Wie realistisch beides ist, weiß ich nicht, aber das müssen Wünsche ja nicht immer sein.