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Verkauft sich quasi von selbst: Jörg Schäfer mit Weinen von der Ahr. Beliebt sind auch Flaschen mit beschädigten Etiketten I Fotos: Achim Bachhausen
Fluthelfer Jörg Schäfer
Hilfe, Hoffnung und viele Chancen
von Achim Bachhausen

Das Ausmaß der Katastrophe an der Ahr macht noch immer fassungslos. Allein bei REWE und PENNY sind 55 Märkte von der Flut betroffen und wurden zum Teil vollständig zerstört. Auch im Markt von Jörg Schäfer in Bad Neuenahr stand die braune Brühe bis zu einem halben Meter hoch im Laden und richtete erheblichen Sachschaden an. Doch der REWE-Kaufmann ließ sich nicht unterkriegen. 

Spricht man mit Jörg Schäfer über jene Julinacht 2021, dann kann er auch heute, fast ein dreiviertel Jahr danach, seine Erschütterung nicht verbergen. „Ich habe bis zum Schluss nicht geglaubt, wie schlimm es ist“, sagt er im one_Gespräch. „Es war mit nichts vergleichbar, mit keinem noch so extremen Hochwasser. Das Wasser kam nachts, und es kam rasend schnell.“ Vergleichbar mit einem Tsunami sei es gewesen. Ein Tsunami, der einen Domino-Effekt auslöste und eine Schneise der Verwüstung durch den ganzen Ort zog. Die vollständige Dimension der Verheerung wurde erst nach und nach sichtbar: Tote, Schwerverletzte und Menschen, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren hatten. Manche harrten, auf Rettung wartend, einen ganzen Tag lang auf dem Dach ihres Hauses aus.
Kurhaus und Casino in Bad Neuenahr sind aktuell eine Baustelle. Man bekommt eine Ahnung, wie hoch und mächtig die Wasserwalze gewesen sein muss

„Das Wasser allein wäre nur halb so schlimm gewesen, aber der Schlamm!“
Jörg Schäfer
REWE-Kaufmann

Infrastruktur brach zusammmen

Für Schäfer wurde schon die nächtliche Anfahrt zur Herausforderung. Viele Straßen waren unpassierbar, der REWE-Markt nur über Umwege zu erreichen. Endlich angekommen, offenbarte sich das ganze Ausmaß der Zerstörung. Die unten gelagerte Ware musste größtenteils vernichtet werden – insgesamt über 40 Kubikmeter. Allenfalls Weinflaschen und Konserven ließen sich mit einigem Aufwand retten. Die TK-Elektronik: ein Totalschaden. Doch Schäfer ließ sich nicht unterkriegen. Zusammen mit Mitarbeitenden, Geschäftspartnern, Freunden und Bekannten stellte er in Rekordzeit die Verkaufsfähigkeit wieder her. „In sechs Wochen waren 21 neue Stolpertruhen da“, nennt er ein Mut machendes Beispiel. Überhaupt waren der enge Zusammenhalt und die riesige Hilfsbereitschaft Kraftspender in der Extremsituation – gewissermaßen das Licht in dunklen Tagen, in denen eine Hiobsbotschaft auf die nächste folgte.
Großreinemachen im Lager des REWE-Marktes (links). Massenweise landete TK-Pizza auf dem Müll I Fotos: Jörg Schäfer

„Ich habe bis zum Schluss nicht geglaubt, wie verheerend die Flut ist.“
Jörg Schäfer
REWE-Kaufmann

Lieferdienst mit der Schubkarre

Obwohl er mit Reinigung, Reparaturen, Renovierung und Neu-Einrichtung vollauf beschäftigt waren, half der REWE-Kaufmann mit seinem Team, wo er konnte. 

So wurde aus dem Kundenparkplatz flugs eine Sammel- und Verteilstelle für Warenspenden aller Art. Starke Unterstützung gab´s von REWE, die einen Kühl-LKW zur Verfügung stellte und Lebensmittel in einem hohen sechsstelligen Wert spendete. „Die Zusammenarbeit mit der REWE West hat super funktioniert, das meiste ließ sich schnell und unkompliziert klären“, lobt Schäfer, der in den Tagen nach der Katastrophe pausenlos telefonierte, um Hilfsgüter zu vermitteln und deren Lieferung zu koordinieren. „Wir haben die Ware teils mit Schubkarren zu den Anwohnern gebracht“, schildert er bewegt das Erlebte. Als Ortskundiger war er bestens vernetzt und wusste, wo es gerade besonders brennt – anders als viele auswärtige Helfer:innen. Die seien zwar hochmotiviert gewesen, doch seien ihre Bemühungen mangels zentraler Koordination erheblich ausgebremst worden, so Schäfer. 
Die Hilfsgüter-Verteilstelle auf dem REWE-Parkplatz war im Sommer 2021 die zentrale Anlaufstelle für Flutgeschädigte

„Es ist jetzt die Chance, neu zu denken und zu machen.“
Jörg Schäfer
REWE-Kaufmann

Chancen im Wiederaufbau

In Rekordzeit wieder verkaufsfähig: Jörg Schäfer in seinem sanierten REWE-Markt Inzwischen aber richtet sich der Blick des 55-jährigen REWE-Kaufmanns auf die Zukunft: Er hofft, dass die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung die Chancen erkennen und den Wiederaufbau nutzen, um das angestaubte Image des Kurstädtchens aufzupolieren und für junge Menschen attraktiver machen. Für seinen Markt hat Jörg Schäfer bereits die Weichen gestellt: Über die Instandsetzung hinaus plant er erhebliche Investitionen, unter anderem in neue, trendige Frische-Warengruppen.

Bestseller und Solidaritätsbeweis: Weine von der Ahr
SolidAHRitätswein

Der Verkauf des „SolidAHRitätswein“ brachte bis Mitte Februar gut 450.000 Euro für notlei­dende Ahr-Winzer. Mit rund 1.500 Flaschen zählte der REWE-Markt von Jörg Schäfer in Bad Neuenahr zu den Bestsellern, nur getoppt von seinem Kollegen Parviz Azhari in Sinzig, der bislang über 1.900 Einheiten absetzte.

Zur Person

Jörg Schäfer, 55, ist seit 26 Jahren selbstständig. Gestartet mit einem Handelshof, führt er heute zwei REWE-Märkte in Bad Neuenahr-Ahrweiler (2.500 qm, Lieferservice) und Grafschaft-Ringen (1.400 qm mit Abholstation). 

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