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@ Getty Images/ boggy22
Lesedauer: 5 Minuten
Vielfalt im Recruiting
„Diverse Teams können ein Segen sein“
von Julia Dopjans und Stefan Weber

Wer vielfältigere Teams aufstellen möchte, muss auch beim Recruiting ansetzen. Denn Diversity und Chancengleichheit beginnen bereits mit der Ansprache von potenziellen Mitarbeiter:innen. Mit welchen Maßnahmen sich REWE und PENNY dafür einsetzen, eine möglichst vielfältige Belegschaft zu gewinnen, erzählt Christopher Ranft, Bereichsleiter Talent Acquisition der REWE Group, im Interview.

Christopher Ranft one: Herr Ranft, Sie sind seit rund 20 Jahren in verschiedenen Funktionen für die REWE Group im Bereich Human Ressources tätig. Wenn Sie zurückblicken auf ihre Anfangszeit: Damals dürfte Diversity allenfalls ein Nischenthema gewesen sein…

Christopher Ranft: Wenn überhaupt! Der Begriff Diversity war nicht im Personalwesen und damit auch nicht im Recruiting präsent. Niemand beschäftigte sich damit, gezielt vielfältige Teams zusammenzustellen. Die REWE Group war allein schon aufgrund ihrer Größe immer divers und bunt, insbesondere in Bezug auf die Nationalität ihrer Mitarbeitenden. Wir beschäftigen Menschen aus mehr als 140 Ländern, daher ist Internationalität Teil unserer DNA. Aber diese Vielfalt hat sich von Beginn an gleichsam automatisch ergeben, sie war nicht Ausdruck einer gezielten Unternehmenspolitik. Heute ist das völlig anders. Wir analysieren, wo wir in puncto Diversity stehen, positionieren uns und gehen unsere Ziele für mehr Vielfalt sehr bewusst an.

one: Was heißt das konkret für das Recruiting?

Christopher Ranft: Wir bei der REWE Group sind Abbild einer bunten Welt. Diese Vielfalt ist uns wichtig, sie gehört zu unserem Selbstverständnis. Das versuchen wir in der Kommunikation nach außen sichtbar zu machen, zum Beispiel durch Hinweise auf eine Initiative wie di.to., unser offizielles LBGTIQ*-Netzwerk oder unsere Zusammenarbeit mit der Aktion Mensch. Wir wollen signalisieren, dass wir ein Arbeitgeber sind, für den Diversität einen großen Stellenwert hat. Das greifen wir auch in der Kommunikation in Richtung Bewerbermarkt auf. Im Wording, aber auch in der Bildsprache wollen wir wo möglich immer ein Abbild der gesamten Gesellschaft zeigen. Denn Repräsentation ist wichtig: Medien, Marketing und Werbung gestalten maßgeblich mit, wie wir die Welt wahrnehmen. Wichtig ist aber auch, dass wir uns bei allem Bekenntnis zu Vielfalt in unseren Botschaften klar abgrenzen: gegen rechts, gegen Rassismus, gegen Diskriminierung.

one: In den vergangenen Jahren hat sich die Forschung verstärkt mit dem Thema „soziale Herkunft“ beschäftigt, denn auch diese führt im Job und Bewerbungsprozess häufig zu Benachteiligung. Gibt es konkrete Maßnahmen im Recruiting, um diese Dimensionen von Diversität anzusprechen?

Christopher Ranft: Wir setzen uns vor allem mit konkreten Projekten gegen Benachteiligung aufgrund sozialer Herkunft ein. Zum Beispiel stemmen wir gemeinsam mit der Bundesagentur für Arbeit immer wieder Projekte zur Qualifizierung von Menschen mit benachteiligter sozialer Herkunft. Im Rahmen der Projekte „Ehrensache“ oder „Joblinge“ engagieren sich außerdem viele Kolleg:innen als Mentoren und unterstützen sozial benachteiligte Jugendliche dabei, den Berufseinstieg zu finden. Damit schaffen wir es häufig, Teilnehmer:innen dauerhaft in Jobs zu bringen, zum Beispiel in der Logistik oder auch in den Märkten, wo wir zahlreiche Stellen zu besetzen haben.

„Vor allem junge Menschen schauen sich den Wertekatalog eines Unternehmens, bei dem sie sich bewerben, sehr genau an.“
Christopher Ranft

one: Achten Bewerber:innen darauf, wie es ein möglicher Arbeitgeber mit dem Thema Diversität hält? Kann das ihre Entscheidung beeinflussen?

Christopher Ranft: Vor allem junge Menschen schauen sich den Wertekatalog eines Unternehmens, bei dem sie sich bewerben, sehr genau an. Das betrifft das Thema Diversität, gilt aber auch für Dinge wie Nachhaltigkeit oder soziales Engagement. Bewerber:innen möchten wissen, wie sich ein potenzieller Arbeitgeber engagiert und sie machen davon durchaus am Ende auch ihre Entscheidung abhängig.

one: Studien belegen, dass es mitunter solche Bewerber:innen  besonders schwer haben einen Job zu finden, bei denen Aussehen oder  Namens auf einen Migrationshintergrund schließen lassen. Wie lässt sich dem entgegenwirken?

Christopher Ranft: Zum Beispiel, indem man auch Lebensläufe ohne Foto akzeptiert. Das tun wir. Wir denken auch darüber nach, ganz auf Lebensläufe zu verzichten. Das früher unverzichtbare Anschreiben ist ohnehin bereits Geschichte. Der nächste Schritt ist eine gendergerechte Sprache im Recruiting, also: Guten Tag Christopher Ranft statt Guten Tag Herr Ranft. Damit schließen wir in unserer Kommunikation niemand aus. Wir bieten außerdem die Möglichkeit für eine sprachgesteuerte Chat-Bewerbung. Für potenzielle Kandidat:innen reduziert es die Hürden, sich zu bewerben, auf ein Minimum. Sie schreiben keine Bewerbung, müssen keinen Lebenslauf erstellen und kein Foto organisieren. Sie können noch nicht einmal Rechtschreibfehler machen. Man kann zwischen verschiedenen Sprachen wählen, von Arabisch bis Ukrainisch. Wir haben die Sprachbewerbung inzwischen etwa zwei Jahre im Einsatz und gute Ergebnisse erzielt.

one: Heterogene Teams sind schwerer zu führen als Teams, deren Mitglieder sehr ähnlich sind, heißt es. Vielfalt zu managen kann also durchaus eine Herausforderung sein.

Christopher Ranft: Ja, ein diverses Team zu führen, kann Mühe machen, weil man sich auf jeden und jede einstellen muss. Aber nicht unterschiedliche Nationalitäten, kulturelle Werte oder sexuelle Orientierungen machen Führung herausfordernd, sondern die verschiedenen Charaktere, Lernstände und Werteverständnisse. Aber natürlich bedingen die Dinge einander. Um erfolgreich und kreativ zu sein, kann ein diverses Team ein Segen sein. Davon profitiert man als Führungskraft und davon profitiert die gesamte Organisation.

„Repräsentation ist wichtig: Medien, Marketing und Werbung gestalten maßgeblich mit, wie wir die Welt wahrnehmen.“
Christopher Ranft

one: Muss man im Recruiting besondere Kommunikationskanäle wählen, um eine möglichst vielfältige Belegschaft zu gewinnen?

Christopher Ranft: Social Media macht uns die Ansprache vergleichsweise leicht. Indem wir unsere Themen über Facebook, LinkedIn und Co. kommunizieren, landen wir auch in den Netzwerken spezieller Communities. Trotzdem denken wir sehr intensiv darüber nach, wie wir bestimmte Zielgruppen noch spitzer ansprechen können. So verfassen wir Stellenausschreibungen aktuell auch auf Ukrainisch, um uns bei Menschen aus diesem Land ins Gespräch bringen.

one: Welche Zielgruppen möchte die REWE Group mit Blick auf die verschiedenen Dimensionen der Diversität in den nächsten Jahren vor allem ansprechen?

Christopher Ranft: Wir suchen laufend gute Mitarbeiter:innen aus verschiedensten Bereichen, völlig unabhängig von Nationalität, Alter, Geschlecht oder sozialer Herkunft. Der demographische Wandel ist für uns aktuell sicher eine der größten Herausforderungen, gleichzeitig befinden wir uns in einem Arbeitnehmermarkt: Gute Leute sind immer schwieriger zu finden und zu halten. Dem müssen wir im Recruiting Rechnung tragen.

Zur Person

Christopher Ranft ist Bereichsleiter Talent Acquisition der REWE Group.

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Kommentare
Lukas Bosina
vor 2 Jahren und 5 Monaten

Es kommt sicher auf die Position an, aber ich persönlich finde Lebenslauf und Anschreiben doch recht wichtig um einschätzen zu können, ob jemand auf eine Stelle passt. Vielleicht bräuchte es auch Alternativen zum klassischen Anschreiben, um herauszubekommen, warum sich jemand bewirbt. Das Gesülze von "ich freue mich darauf, mich Ihnen vorstellen zu dürfen" oder "Sie sind ein toller Arbeitgeber" bringt keinen weiter. Aber 2-3 Sätze was den Bewerbenden an der Stelle anspricht und warum er/sie darauf passt fände ich oft sehr hilfreich.

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