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12.11.2014
Umgang mit Demenz
Kunden, die durch Gänge irren
12.11.2014
Sachverständigenrat
Daniela Büchel berät Minister Maas
ArticleId: 333magazineÄltere Kunden sind für Handel und Touristik eine attraktive Zielgruppe. Das ist bekannt, doch wird das Angebot den Bedürfnissen der Best Ager gerecht? Eine Studie gibt Antworten.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/d/7/csm__mgt_standard_03a089867b.jpgZielgruppe der ZukunftEinkaufen für Generationen
Foto: imageegami - Fotolia
Top-Thema Einkaufen für Generationen
Zielgruppe der Zukunft
von Achim Bachhausen und Bettina Offermann
Lesedauer: 7 Minuten
Man nennt sie Best Ager, 60 plus, Silver Generation oder Empty Nesters – doch keiner aus dieser Altersgruppe möchte so wirklich dazugehören. Dabei sind die älteren Kunden für Handel und Touristik eine attraktive Zielgruppe. Doch wird das Angebot den Bedürfnissen dieser Generation gerecht?
Die Bevölkerungsentwicklung stellt Handel und Touristik vor neue Herausforderungen. Im one_Top-Thema wollen wir diesen Herausforderungen – und den Chancen, die sich daraus ergeben – genauer auf den Grund gehen. Denn trotz des Wachstums im Online-Handel – der Anteil der älteren Kunden, die online einkaufen wächst – ist der klassische Supermarkt für die meisten noch eine wichtige Anlaufstelle. Und die REWE Group stellt sich auf die Zielgruppe ein. REWE etwa schult Marktmitarbeiter im richtigen Umgang mit demenzkranken Kunden: Was tun, wenn ein Mensch durch die Gänge irrt oder minutenlang am Regal Ware aus- und wieder einräumt? In Burbach stehen spezielle Einkaufslotsen älteren REWE-Kunden auf Wunsch mit Rat und Tat zu Seite. Und ein REWE-Kaufmann in Soest geht noch einen Schritt weiter. Er fährt mit seinem rollenden Supermarkt persönlich zu den Kunden. Auch in der Reisebranche sind die Empty Nesters längst angekommen und genießen die neu gewonnene Freiheit auf Reisen. Dertour hat das Wachstumssegment erkannt und bedient die wachsende Nachfrage nach ärztlich begleiteten Fernreisen.
Prüfinstitut befragte Supermarktkunden
Senioren wünschen Qualität und Beratung
Eine aktuelle Verbraucherstudie des Prüfinstituts SGS zeigt, dass 76 Prozent der Befragten über 60 Jahre beim Einkauf unsicher sind und sich überfordert fühlen. Vor allem an Beratung fehle es, klagen sie: So wünschen sich zwei von drei Senioren, dass es häufiger Fachverkäufer gäbe, die man zu Produkten wie Fleisch- oder Backwaren befragen kann. Darüber hinaus muss für die älteren Bundesbürger die Ware möglichst frisch sein und am liebsten aus der Region kommen.
Senioren wollen Beratung
Die Generation 60 plus hat nach Schätzungen eine Kaufkraft von mehr als 300 Milliarden Euro im Jahr und ist insgesamt eine sehr anspruchsvolle Kundengruppe. Drei Viertel der Über-60-Jährigen achten beim Einkauf ihrer Lebensmittel auf eine hohe Qualität.

Zum Vergleich: Bei den Deutschen unter 30 Jahren ist nur etwa jeder Zweite ähnlich qualitätsbewusst. Das sind Ergebnisse einer Sonderauswertung der SGS-Verbraucherstudie 2014, für die die Warenprüfer der SGS gemeinsam mit dem Institut für Demoskopie Allensbach mehr als 1.500 Deutsche befragt haben.
Verpackungen schlecht lesbar
Außerdem sorgen die Verpackungsangaben regelmäßig für Unmut. Vier von fünf Kunden über 60 Jahren ärgern sich über die Gestaltung der Produkt-Etiketten.

65 Prozent empfinden die Schrift auf der Verpackung als zu klein. 55 Prozent stören sich an unklaren Abkürzungen bei Zusatzstoffen und weitere 50 Prozent der Befragten beschweren sich darüber, dass das Mindesthaltbarkeitsdatum meist schlecht zu finden sei.
Prüfen und zertifizieren: die SGS-Gruppe
Die SGS-Gruppe ist nach eigenen Angaben das führende Unternehmen beim Prüfen, Testen, Verifizieren und Zertifizieren. 1878 gegründet, hat die SGS mit Hauptsitz in Genf heute mehr als 75.000 Mitarbeiter und ein internationales Netzwerk von über 1.500 Niederlassungen und Laboratorien. In Deutschland ist die SGS-Gruppe seit 1920 aktiv und an rund 40 Standorten präsent. Zu ihr gehören die SGS Institut Fresenius GmbH und die SGS-TÜV Saar GmbH.
Wilfried Malcher ist Geschäftsführer Bildung und Berufsbildung beim Handelsverband Deutschland (HDE) in Berlin
HDE-Geschäftsführer Wilfried Malcher im one_Gespräch
Die REWE-Gruppe ist besonders aktiv
Wann ein Geschäft generationenfreundlich ist und was ältere Menschen von ihrer Einkaufsstätte erwarten – darüber sprach one mit dem HDE-Geschäftsführer Wilfried Malcher.
one: Herr Malcher, wann ist ein Geschäft generationenfreundlich?
Malcher: Ein Geschäft ist im Grundsatz dann generationenfreundlich, wenn es guten und sicheren Einkaufskomfort für alle Alters- und Kundengruppen, insbesondere jene mit gewissen Einschränkungen oder speziellen Anforderungen, ermöglicht und dauerhaft an Verbesserungen arbeitet. Dafür braucht man nicht unbedingt ein Zertifikat; aber mit entsprechendem Zertifikat weist man Kunden und die Öffentlichkeit daraufhin, dass die Generationenfreundlichkeit des Geschäfts von neutralen Dritten fachkundig überprüft wurde. Was ist das Besondere an dem Qualitätszeichen?
Malcher: Beim Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen“ haben wir uns nicht an einer Definition versucht, sondern relevante Kriterien zusammengetragen, die aus Sicht von Fachleuten erfüllt sein müssen oder sollten, um das Leitziel „guter und sicherer Einkaufskomfort“ zu erfüllen. Die Fachleute kamen insbesondere aus Handelsunternehmen, Verbraucherorganisationen, Seniorenorganisationen, Familienpolitik und Handelsverbänden. Für das Qualitätszeichen wurden im Grundsatz erreichbare Kriterien festgelegt, um den Unternehmen einen Anreiz zu geben, sich auf den Weg zu Verbesserungen bei der Generationenfreundlichkeit zu machen. Wo können sich Interessierte informieren?
Malcher: Der Fragebogen sowie ein erläuterndes Handbuch kann auf www.generationenfreundliches-einkaufen.de heruntergeladen werden. So kann jedes Geschäft vorab einmal testen, ob die Kriterien vermutlich erfüllt werden oder ob noch Anpassungen erforderlich sind. Die Zertifizierung selbst wird dann von geschulten Fachleuten aus den regionalen Handelsverbänden durchgeführt.
 
Welche konkreten Erwartungen haben ältere Menschen an ihre Einkaufsstätte?

Malcher: Ich vermute, dass sie neben der Erreichbarkeit und Wohnortnähe ganz viele Erwartungen haben, zum Beispiel die Erfüllung der A-, B- und C-Kriterien des Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen", aber auch Wünsche wie vertraute Laufwege im Geschäft und kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die zum Beispiel recht entspannte Unterstützung bei der Auswahl von Produkten im Bedienbereich bieten können und auch Zeit für einen kleinen Plausch haben.
 
Seit gut vier Jahren verleiht der Handelsverband Deutschland das Qualitätszeichen "Generationenfreundliches Einkaufen". Wie viele Geschäfte sind aktuell zertifiziert und wie hoch ist die Zahl der zertifizierten REWE-Märkte?
Malcher: Zur Zeit sind über 7.500 Geschäfte zertifiziert, gut 200 bereits zum zweiten Mal. Die REWE-Gruppe gehört mit über 1.300 zertifizierten Märkten zu den besonders aktiven Unternehmensgruppen.
 
Gibt es bei der Zertifizierungsquote regionale Unterschiede?
Malcher: Die Größe der Bundesländer spielt natürlich eine Rolle; aber in allen Bundesländern gibt es noch Potenzial für mehr Zertifizierungen. Die meisten zertifizierten Geschäfte gibt es in Niedersachsen, Bayern und Nordrhein-Westfalen. Bei Einkaufscentern liegen Sachsen, Bayern und Berlin vorn.
 
Warum lassen sich vor allem Lebensmittelgeschäfte hinsichtlich ihrer Generationenfreundlichkeit überprüfen?
Malcher: Die Gründe für die unterschiedliche Akzeptanz in den Branchen des Einzelhandels haben wir noch nicht erforscht oder erfragt. Daher kann man nur Vermutungen anstellen. Ich kann nur festhalten, dass die Lebensmittelbranche sehr vorbildlich agiert.
 
Laut einer aktuellen Verbraucherstudie des Prüfinstituts SGS fühlen sich 76 Prozent der über 60-Jährigen beim Einkauf unsicher und überfordert. Vor allem an Beratung fehle es. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Malcher: Solch pauschale Angaben sind immer problematisch. Es wird nicht klar, wie oft Unsicherheit vorkommt, wie sich Unsicherheit und souveräner Einkauf abwechseln oder in welchen Geschäftstypen und bei welchen Sortimenten und Einkaufszeiten Überforderung empfunden wird. Ich meine auch, dass man die Gruppe 60+ nicht als altershomogene Kundengruppe ansehen kann. Die 75- oder 80-Jährigen und Älteren sollte man bei solchen Studien als eigene Altersgruppe ausweisen, da die genannten Probleme von diesen Personen vermutlich eher wahrgenommen werden als von den „Jungsenioren“.

Gleichwohl aber lässt sich aus der Studie ableiten, dass sich die Handelsunternehmen verstärkt mit den Herausforderungen einer im Durchschnitt alternden Gesellschaft und Kundschaft auseinandersetzen müssen. Ein wichtiger Punkt dabei bleibt, wie ältere Kunden besser beim Einkauf unterstützt werden können – durch Beratung, Einkaufsbegleitung, Sortimentsgestaltung, Warenpräsentation, lesbare Hinweisschilder, kontrastreiche Markierungen oder die Einrichtung von Ruhebereichen.
Zertifikat „Generationenfreundliches Einkaufen“
Barrieren abbauen, Kunden binden
Ob für Eltern mit Kinderwagen, Menschen mit Behinderungen oder Senioren: Einkaufen sollte für jeden – ob mit Buggy, Rollstuhl oder Gehstock – bequem und barrierearm möglich sein. Die Orientierung an den Bedürfnissen der Kunden und guter Service sind für Unternehmen des Einzelhandels wichtig, um Kunden zu binden und sich vom Mitbewerber abzuheben.

Das Qualitätszeichen „Generationenfreundliches Einkaufen” setzt genau hier an und bestätigt geprüften Einzelhandelsgeschäften generationenübergreifenden Komfort und Service. Geprüft werden im Rahmen der Zertifizierung 58 Kriterien, unterteilt in die sieben Kategorien Erreichbarkeit des Geschäftes, Mitarbeiter/Servicequalität, Eingang zum Geschäft, Ladengestaltung, Sortimentsgestaltung, Service und Kasse.
Bei erfolgreicher Prüfung wird das Qualitätszeichen für drei Jahre verliehen. Danach ist eine erneute Prüfung erforderlich. Die erfolgreich geprüften Einzelhändler erhalten ein Zertifikat sowie Aufkleber, die sie zum Beispiel am Eingang als generationenfreundlichen Markt ausweisen.

Für jeden Kunden bedeutet das ganz konkret, dass er dort sicher und bequem einkaufen kann, der Zugang zum Geschäft barrierearm und das Geschäft gut ausgeleuchtet ist; dass mögliche Gefahrenstellen ausreichend markiert, die Böden rutschfest, die Gänge breit und nicht zugestellt sind; dass die Preise, alle Auszeichnungen und die Ausschilderung gut lesbar sind, dass er gute Beratung und schließlich auch eine Sitzgelegenheit zum Ausruhen vorfindet.

Vergeben wird das Zeichen „Generationenfreundliches Einkaufen“ vom Handelsverband Deutschland HDE und seinen Landes- und Regionalverbänden.
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