nach oben
nach oben
© Getty Images | kutaytanir
Mutige Kaufleute
Auf eigenen Füßen
von Bettina Rees und Achim Bachhausen

Als Kauffrau oder Kaufmann auf eigenes Risiko zu wirtschaften: Dazu gehört nicht nur Unternehmergeist, sondern auch Mut. In one erzählen drei Kaufleute von ganz unterschiedlichen Situationen, in denen sie ihren Mut zusammennehmen mussten – und dafür belohnt wurden.

Marcel Tuffin: Vom Marktchef zum Kaufmann
„Ok. Wenn jetzt ein Markt kommt, dann mache ich es.“

Marcel Tuffin „Vor der Entscheidung für die Selbständigkeit habe ich rund zwei Jahre mit Kollegen meine Fragen und Sorgen durchgesprochen, was ich zum Beispiel mache, wenn eine Baustelle die Kundschaft fernhält. Und sie hatten immer eine Antwort. Dann habe ich mir gesagt: ,Ok, wenn jetzt ein Markt kommt, mache ich es.´ Denn ich wollte unbedingt vermeiden, dass  ich eines Tages einer verpassten Chance hinterhertrauere. Ich wollte meine Zukunft selber gestalten. Und weil die Leute an mich glaubten, und meine Zahlen als Marktleiter stimmten, bin ich ins kalte Wasser gesprungen.

Mehr als schiefgehen kann ja nicht. Und wenn alle Stricke reißen, bin ich nicht für mein ganzes Leben ruiniert, im Notfall gibt es Unterstützung von REWE.

Aber bei der Einarbeitung wurde mir klar: Alles, was ich vorher als angestellter Marktchef kannte, existiert so nicht mehr. Alles, von der Rentenversicherung bis zum Urlaubsantrag, änderte sich schlagartig. Der Rahmen meines Lebens war sozusagen weg. Um die Veränderungen, die ja eine Selbständigkeit ohnehin mit sich bringt, möglichst überschaubar und meinen Kopf möglichst ruhig zu halten, habe ich mich neu renten- und krankenversichert und einen freien Tag eingerichtet. Das ist jetzt mein Bürotag. Neulich habe ich nach acht Monaten Selbständigkeit erstmals ein paar Tage Urlaub genommen, die habe ich dazu genutzt, das Hamsterrad mal zu stoppen und nachzudenken. Darüber, wo ich hinwill, wo ich derzeit stehe, wie die vergangenen Monate waren.

Die Eröffnung selbst war gar nicht so leicht. Eine Erkenntnis aus der ersten Zeit: Zwischen Umsatz und Gewinn liegt harte Arbeit, von den Umsatzzahlen darf man sich nicht blenden lassen. Anfangs mussten wir uns viel einfallen lassen, viele Leute in der Nachbarschaft hatten es tatsächlich geschafft, den neuen REWE-Markt nicht wahrzunehmen. Da mussten Ideen her. Schlussendlich habe ich Hauseingang für Hauseingang abgeklappert und Plakate von uns geklebt. Ob das erlaubt war? Es hat sich keiner beschwert, aber es kamen viele neue Kunden.

So ein Markt, das ist wie Hausbau plus: Ich hätte mir gewünscht, dass ich nicht alles erlebe, aber ich habe alles erlebt. Das gilt auch das Thema Personal. Das Gute an der Selbständigkeit: Wenn es das eigene Geld kostet, spricht man die Mitarbeitenden schneller an, wenn es Probleme gibt. Ich merke mittlerweile schneller, ob jemand ins Team passt. Ein wichtiger Lerneffekt.“

Der ehemalige Kaiser´s-Marktchef Marcel Tuffin ist selbständiger REWE-Kaufmann in Berlin und damit der erste aus der Generation „Integration 2017“, der diesen Schritt geht. Sein Markt in Berlin-Lichterfelde liegt im Erdgeschoss des neu gebauten Wohnkomplexes Dolgensee-Center.

Constanze Lemp, 34, REWE-Kauffrau in Heuchelheim und Kleinlinden
„Ich habe den Mut gehabt, nach Hause zurückzukommen“

Constanze Lemp „Es war keine einfache Entscheidung: Sollte ich in Frankfurt bleiben, wo ich nach dem Betriebswirtschaft-Studium einen tollen Job in einer Steuer-Kanzlei gefunden hatte, oder sollte ich zurück nach Heuchelheim? Dorthin, wo ich aufgewachsen bin und wo eine Aufgabe im elterlichen Unternehmen auf mich wartete.

Mein Vater betrieb seit vielen Jahren in Heuchelheim und Kleinlinden zwei REWE-Märkte, aber es ging ihm gesundheitlich nicht gut. Er benötigte Unterstützung. Ich wusste: Wenn ich ihm nicht beistehen würde, ginge es nicht weiter. Ein, zwei Wochen habe ich Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen. Ich fühlte mich in Frankfurt wohl und war froh, mich vom Betrieb der Eltern, in dem ich bereits als Schülerin ausgeholfen hatte, ein Stück weit gelöst zu haben. Auch war ich stolz, mir aus eigener Kraft eine Berufsalternative erarbeitet zu haben. Und das jetzt wieder aufgeben?

Am Ende haben zwei Dinge den Ausschlag gegeben: mein ausgeprägter Familiensinn und die Verantwortung gegenüber den insgesamt 95 Mitarbeitern. Heute überlege ich manchmal, wie wohl alles gelaufen wäre, wenn…. Aber ich bin sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Zu Jahresbeginn 2020 habe ich beide Märkte übernommen. Kurz darauf ging es mit Corona los. Da hätte ich es in der Steuer-Kanzlei vermutlich ein wenig ruhiger gehabt. Wie auch immer. Ich habe den Mut gehabt, nach Hause  zurückzukommen und das war gut so. An meiner Seite habe ich meine Mutter, meinen Mann und auch meine Schwester – wir sind eben ein richtiges Familienunternehmen.“

Melanie Koch, REWE-Kauffrau in Adenau
Schnell klare Verhältnisse geschaffen

Gemeinsam für Toleranz und Akzeptanz, dafür steht di.to., das Netzwerk von und für lesbische, schwule, bi- und transsexuelle Mitarbeitende der REWE Group. Als Teil der REWE West unterstützt Melanie Koch den Aufbau des di.to.-West-Netzwerks, welches sich zur Zeit formiert. one sprach mit der REWE-Kauffrau über ihre mutigste Entscheidung und die Unterschiede von Stadt- und Landleben.

Melanie Koch one: Sie leben in einem kleinen Dorf, und Ihr Markt liegt in Adenau, das ist auch keine Großstadt. Wie lebt es sich dort als lesbisches Paar?
Melanie Koch:
Es gibt hier, rund um den Nürburgring, viele internationale Firmen und außerhalb von Corona auch zahlreiche Touristen und Besucher. Insofern nimmt Adenau eine Sonderstellung ein und ist nicht so provinziell, wie viele glauben. Außer meiner Partnerin und mir gibt es in Adenau einige schwule und lesbische Paare. 
 
one: Erforderte die Entscheidung, so zu leben, Mut? 
Melanie Koch:
Mir ist sowohl das Stadt- wie das Landleben vertraut. Während meines Studiums habe ich in Köln gewohnt. Die Entscheidung, wieder in die Eifel zu ziehen und ins Familienunternehmen einzusteigen, habe ich bewusst getroffen und bislang nicht bereut. 
 
one: Welche Entscheidung hat Ihnen bislang den meisten Mut abverlangt?
Melanie Koch:
Dass ich eine Frau lieben könnte, habe ich lange nicht gewusst und trotzdem ein glückliches Leben gehabt. Als ich mich vor sechs Jahren in meine damalige Mitarbeiterin verliebt habe, habe ich eine Weile gebraucht, um das für mich zu verarbeiten. Meine Befürchtung war, dass ich mich aus der Gesellschaft ausschließe. Ich habe dann schnell klare Verhältnisse geschaffen, zunächst innerhalb des Familien- und Freundeskreises, dann gegenüber den Mitarbeitenden und schließlich auch gegenüber den Kaufleute-Kolleg:innen in der Region. Um Gerüchten den Wind aus den Segeln zu nehmen, habe ich meinen Beziehungsstatus auf Facebook gepostet. Es gab ausschließlich positive Reaktionen und überhaupt keinen negativen Kommentar, nur hier und da ein „Aha!“. 
 
one: Auf welche Weise engagieren Sie sich für di.to?
Melanie Koch:
Wegen Corona ist es derzeit schwierig, weil man nicht vor Ort so präsent sein kann wie zu normalen Zeiten. Mein Vorteil ist, dass ich viele Kaufleute-Kolleginnen und -Kollegen kenne. Ich wünsche mir ein großes, buntes, freundliches Netzwerk von Menschen aus der REWE. Der Slogan „different together“, kurz di.to., beschreibt alles, was in der heutigen Welt und in der Arbeitswelt wichtig ist. Wir können große und kleine Dinge nur gemeinsam schaffen.
 
 
Zur Person
Melanie Koch betreibt in zweiter Generation einen REWE-Markt in Adenau, unweit des Nürburgrings. Bevor sie ins elterliche Unternehmen einstieg, studierte sie Erziehungswissenschaften. Seit 2015 lebt Melanie Koch mit ihrer Frau Anne Kürsten, die auch Marktleiterin in ihrem REWE-Markt ist, in einem 300-Seelen-Dorf, „wo jeder mit jedem verwandt ist“. Außerhalb des Geschäfts gilt ihre Leidenschaft den sechs Hunden und der Imkerei. Bei di.to ist sie Ansprechpartnerin für die Kaufleute und Marktmanager.

Mein Kommentar
Kommentieren
Auch interessant
Newsletter