
Die nächste Generation der Familie Röckenschuß meistert den Spagat zwischen Tradition und Moderne. Warum er den Handel der Gastronomie vorzieht und wie er Berufung und Familie unter einen Hut bringt, verrät REWE-Kaufmann Korbinian Röckenschuß hier.
München, ein früher Vormittag. Wer Korbinian Röckenschuß auf dem Weg in seinen REWE-Markt begleitet, sieht sofort, was ihn antreibt: Nähe zu den Menschen, Liebe zur Stadt – und die Freude an einem Geschäft, das er als Bühne versteht. Schon auf der Fahrt vorbei an den Aufbauarbeiten fürs Oktoberfest huscht ein Lächeln über sein Gesicht. „Wie ein kleines Kind freue ich mich jedes Jahr auf die Wiesn“, sagt er. Für ihn mehr als ein Volksfest – ein Stück Sehnsucht. Denn während sein Onkel Gastronom war, träumte Korbinian selbst immer davon, einmal Wiesnwirt zu sein.
Wurzeln in Unterbrunn
Die Röckenschuß´ stammen aus Unterbrunn, einem kleinen Ort südlich von München. Der Urgroßvater führte dort einen Kramerladen, der heute als Café von Korbinians Mutter betrieben wird. An der Rolltreppe im Markt hängt ein Schwarz-Weiß-Foto: Der Großvater als Bub vor dem Laden. „Wenn ich daran vorbeigehe, sehe ich, woher ich komme“, sagt Röckenschuß. Tradition als Fundament, Moderne als tägliche Aufgabe.
Vom Hotel zur Handelsschule
Schon früh zog es ihn in die Gastronomie. Er machte eine Ausbildung im Kempinski, kellnerte auf der Wiesn und merkte: Hier pulsiert das Leben, hier gibt es Bühne und Verantwortung. Doch die unregelmäßigen Arbeitszeiten und der Gedanke an Familie ließen ihn umdenken. „Ich wollte selbst gestalten, aber auch planbar leben.“ Also sattelte er auf ein BWL-Studium um, das ihm die betriebswirtschaftlichen Grundlagen gab.
Über seine Stationen als Gebietsmanager bei Norma und als Marktmanager bei REWE lernte er den Handel von der Pike auf kennen. „Das Schöne war: Ich konnte viel ausprobieren und hatte immer Leute, die mich gefördert haben.“ Besonders wichtig war für ihn die Unterstützung durch REWE selbst. „Man merkt erst, wie wertvoll die Genossenschaft ist, wenn man selbst auf diesem Weg geht. Ich habe gelernt, dass man nicht alles allein schaffen muss – Beratung, Erfahrung, Rückhalt von Kollegen und Gebietsmanagern waren Gold wert.“

„Es gibt Tage, da sehe ich zehnmal den gleichen Kunden. Einmal kauft er sich ein Wasser, dann ein Sandwich, dann Zigaretten.“ Korbinian Röckenschuß

Korbinian Röckenschuß ©Christoph Vohler
Der Sprung in die Selbstständigkeit
2019 kam der große Schritt: der eigene REWE in der Münchner Innenstadt. Für Röckenschuß ein Herzensprojekt – auch wenn die Startphase hart war. „Ich habe mir zu viele Gedanken gemacht. Am Anfang lief es nicht so gut. Aber irgendwann habe ich gelernt, Geduld zu haben.“
Dann kam Corona – und damit die vielleicht schwerste Prüfung. Während Supermärkte in Wohngebieten Rekordumsätze einfuhren, litt sein Innenstadtmarkt mit seiner stark von Laufkundschaft abhängigen Struktur massiv. „Das war brutal. Wir hatten keine Nachbarschaft, die uns den Laden vollgemacht hat. Unsere Kunden sind Touristen, Studenten, Leute aus den Arztpraxen oder den umliegenden Geschäften nebenan – und die blieben auf einmal weg.“ Doch er hielt durch, justierte nach, passte Sortimente an. Heute läuft der Markt stabil, hat sich seinen Platz in der Innenstadt erarbeitet.
Ein Markt im Herzen der Stadt
Sein REWE ist kein typischer Nahversorger. Er lebt von Laufkundschaft, von den kurzen Begegnungen und Stammkunden, die ihn auf der Straße grüßen. „Es gibt Tage, da sehe ich zehnmal den gleichen Kunden. Einmal kauft er sich ein Wasser, dann ein Sandwich, dann Zigaretten.“
Mittags herrscht geschäftiges Treiben. Die Kunden haben Salatboxen oder Backwaren in der Hand, die Selbstbedienungskassen summen, die Schlange löst sich schnell auf. Röckenschuß lächelt: „Das ist das Schöne und das Anstrengende – du bist nie fertig.“ Ständig fügt er Regalreihen hinzu, sucht nach mehr Sortiment, obwohl der Platz kaum reicht. „Wenn ich könnte, würde ich sofort die Wand durchbrechen und 100 Quadratmeter dazunehmen.“ Stattdessen optimiert er im Detail, rechnet nach, passt an.

„Man merkt erst, wie wertvoll die Genossenschaft ist, wenn man selbst auf diesem Weg geht. Ich habe gelernt, dass man nicht alles allein schaffen muss – Beratung, Erfahrung, Rückhalt von Kollegen und Gebietsmanagern waren Gold wert.“ Korbinian Röckenschuß

Korbinian Röckenschuß ©Christoph Vohler
Rat an neue Kaufleute
Auf die Frage, was er jungen Kaufleuten mitgeben möchte, antwortet er mit Nachdruck: „Man braucht keine Angst zu haben. Kunde, Mitarbeiter, Ware – das kennen sie schon aus ihrem Alltag. Der Rest ergibt sich. Wichtig ist, dass man sich nicht zu schade ist, einfach mal zu fragen. Wenn ich hänge, rufe ich Kollegen an – oder den Gebietsmanager. Pragmatismus hilft mehr als Perfektionismus.“ Sein Rezept: Gelassenheit, Geduld und Netzwerken. „Wir sind Kaufleute, keine Einzelkämpfer. Man muss nicht alles allein können.“
Familie als Gegenpol
So sehr ihn der Markt fordert, so klar sind seine Prioritäten. „Arbeit wird nie langweilig, aber ich will auch Familienvater bleiben.“ Deshalb fährt er öfters gegen 16 Uhr nach Hause, holt Sohn Korbinian – die fünfte Generation trägt den Namen – vom Fußball ab und freut sich auf Tochter Johanna, deren Namen seine Frau aussuchen durfte. „Die Kinder sollen mich jetzt erleben. Wenn sie 14 sind, sagen sie vielleicht eh: Papa, lass mich in Ruhe.“ Seine Frau unterstützt ihn mit den Büroarbeiten im Hintergrund von zu Hause aus. Und der erste Weg am Morgen führt um kurz nach fünf Uhr immer noch ins Café der Mutter – zurück zu den Wurzeln.
Blick nach vorn
Mit 38 Jahren sieht er sich noch lange nicht am Ziel. „Vielleicht kommt irgendwann ein zweiter Markt dazu, ländlicher, mit mehr Platz. Aber das muss passen – und wirtschaftlich sinnvoll sein.“ Noch genießt er die Stadt, die Herausforderung, den täglichen Wettlauf um die beste Lösung. Und während die Kunden im Markt weiter durch die Gänge strömen, die Salatschüsseln klappern und die Kassen piepen, wirkt Korbinian Röckenschuß zufrieden. Kaufmann, Familienvater, Stadtmensch – und einer, der weiß, dass Tradition und Zukunft in einem Markt perfekt dirigiert zusammenfinden können.











