
Vieles ist ihm vertraut, einiges aber auch neu: Als Niklas Müller die Kommandobrücke der FÜR SIE eG betrat, blickte er dort bereits auf eine zehnjährige Tätigkeit zurück. Wie er den Erfolgskurs fortsetzen will und warum die Unternehmensform Genossenschaft gerade für junge Menschen attraktiv ist, erklärt er im Interview.
one: Niklas, du bist seit mehr als 100 Tagen auf der neuen Position, davor hattest du schon zehn Jahre lang Führungsverantwortung bei der Für Sie innegehabt. Wie hast du die ersten Monate erlebt? Was sind deine Aufgaben innerhalb des zweiköpfigen Vorstandes?
Niklas Müller: Meine Aufgaben in der Vergangenheit waren sehr getränkespezifisch, weshalb in den letzten Monaten eine intensive Einarbeitung in die – für mich – neuen Geschäftsfelder erfolgte. Zudem war ich viel vertrieblich unterwegs. Mir ist die Nähe zu unseren Mitgliedern und Kunden wichtig, weshalb ich in den vergangenen Wochen viele persönliche Gespräche geführt habe. Überall wurde ich offen und wertschätzend empfangen – das ist für mich nicht selbstverständlich. Gemeinsam mit meinem Vorstandskollegen Dr. Martin Küssner bilden wir ein starkes Team. Durch unsere unterschiedlichen Expertisen – er mit viel Erfahrung im Food – und Non Food-Bereich, ich aus dem Getränkesektor – ergänzen wir uns ideal.
one: Du bist 34 Jahre jung und doch schon zehn Jahre an Bord. Kleiner Rücksprung: Wie bist du damals zur FÜR SIE gekommen?
Niklas Müller: Mein Weg begann in einer Marketingagentur, wo ich meine Ausbildung gemacht habe. Während meines Studiums konnte ich erste Einblicke in die Getränkebranche gewinnen. Ab da war für mich klar: Ich möchte gerne weiter im Handel bleiben! So bin ich dann über die REWE-FÜR SIE GVG in die Genossenschaft gekommen und konnte berufsbegleitend meinen Masterabschluss absolvieren.
one: 2024 war für die FÜR SIE eG ein Rekordjahr. Die Umsatzausschüttungen haben neue Größenordnungen erreicht. Man könnte sagen, du hast die Kommandobrücke zur besten Zeit betreten. Der Kurs stimmt, die See ist ruhig, das Schiff zügig unterwegs. Um im Bilde zu bleiben: Hältst du am Kurs fest, oder gibt es graduelle Kurskorrekturen, die vonnöten wären? Wo siehst du Herausforderungen?
Niklas Müller: Nach außen mag es so wirken, als sei die See ruhig – tatsächlich erleben wir in unseren Märkten aber eine enorme Dynamik und viele Veränderungen. Um im Bild zu bleiben: Wo es vermeintlich still ist, ist es die See dann doch nicht. Es gibt viel Bewährtes, das wir beibehalten werden, etwa Expansion und Akquise. Wir konnten in den letzten Jahren einen deutlichen Zuwachs an Mitgliedern und Kund.innen verzeichnen, wodurch wir heute viel breiter in unseren Kundengruppen aufgestellt sind. Als Genossenschaft ist es uns wichtig, die Kräfte zu bündeln und das Wissen und Netzwerk zu teilen, damit jedes einzelne Mitglied stärker wird. Das wollen wir so beibehalten und weiter intensivieren.
one: Wie ist es um den Backoffice-Bereich bestellt?
Niklas Müller: Für den Backoffice-Bereich haben wir viele Ideen. Wir testen gerade mit den Kolleg:innen der REWE Group Buying neue Formate der Lieferantenverhandlung und schauen uns an, wie wir digitale Services noch besser nutzen können. REWE und PENNY entwickeln sich rasant nach vorne mit ihren Kunden-Apps. Um den Anschluss nicht zu verpassen, bauen wir stetig unser Leistungs- und Konditionsniveau weiter aus. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Intensivierung der Kommunikation zu unseren Mitgliedern. Wir möchten verstärkt in den Dialog eintreten und weg kommen von punktuellen Treffen oder Veranstaltungen. Nach dem Vorbild der Themen-Experten-Kreise (TEK, d. Red.) der REWE haben wir unsere Mitglieder und Mitarbeitenden kürzlich zu einer ersten Kickoff-Veranstaltung eingeladen.
one: Expansion ist ein schönes Stichwort. Wie hoch schätzt du das Potenzial ein?
Niklas Müller: Wenn ich mir anschauen, wie wir in den letzten Jahren gewachsen sind, glaube ich, dass es noch große Potenziale gibt. Wir sind in den Segmenten Großverbraucher, Einzelhändler, Getränkefachhandel und Friseurbedarfsgroßhandel schon breit aufgestellt. Aber es gibt weiterhin viele Unternehmen, die von unserer Genossenschaft profitieren können – gerade kleinere und mittelständische Betriebe. Sie bekommen durch uns Zugang zu Konditionen und Dienstleistungen, die sie allein kaum erzielen können. Die Konsolidierungen im Marktumfeld zeigen auch, dass Kooperationen immer bedeutsamer werden, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
one: Das ist fürwahr ein bunter Strauß. Kann man das ein wenig klassifizieren, aus welcher Sparte oder aus welcher Branche die meisten Neuzugänge in den letzten Jahren gekommen sind?
Niklas Müller: Die meisten Neuzugänge sind aus dem Großverbraucherbereich zu uns gekommen. Entscheidend war, dass wir unsere Umsätze hier deutlich steigern konnten: Durch viele neue Mitglieder haben wir unsere Genossenschaft auf eine breitere Basis gestellt.
one: Wie kann man sich das vorstellen? Wie kommt man an die neuen Genossen heran?
Niklas Müller: Die FÜR SIE ist vielen Unternehmen nicht vollkommen unbekannt. Wir kennen viele potenzielle Mitglieder über Verbände oder Branchenkontakte und umgekehrt. Es fängt damit an, dass wir uns fragen: Wen gibt es noch? Wer würde zu uns passen? Wen können wir uns in unserer Genossenschaft vorstellen? Dann geht es darum, den direkten Austausch zu suchen, zu erklären, wer wir sind und welchen Mehrwert eine Genossenschaft unter dem Dach der REWE Group bietet. Das ist erklärungsbedürftig – aber genau darin liegt auch unsere Stärke. Ich selbst habe viele Jahre im Vertrieb neue Getränkefachmarkt-Kunden besucht. Die Akquise ist meistens ein langwieriger Prozess, da Vertrauen entstehen muss. Das ist uns in den letzten Jahren sehr gut gelungen.
one: Wie sieht es im Markt der Großküchen und Betriebskantinen aus? Da ist der Markt doch noch recht fragmentiert?
Niklas Müller: Genau, dort gibt es großes Potenzial, gerade bei mittelständischen Betrieben. Sie brauchen oft Unterstützung in Bereichen wie Digitalisierung, Abrechnung oder Kundenmanagement. Genau dort unterstützen wir, indem wir Ressourcen bündeln, Know-How bereitstellen und dafür sorgen, dass unsere Mitglieder wettbewerbsfähig bleiben.
one: Mit welchen Maßnahmen fördert die FÜR SIE als Genossenschaft ihre Mitglieder?
Niklas Müller: Unser Kernauftrag ist klar: wir verhandeln Einkaufsvorteile, die unsere Mitglieder in die Lage versetzen, wettbewerbsfähige Angebote zu machen. Darüber hinaus bieten wir Dienstleistungen, die für Einzelbetriebe allein kaum umsetzbar wären. Blickt man beispielsweise auf die GVG, unsere Getränkefachmarktgesellschaft, ist es erstaunlich, wie intensiv wir mit diesen Partnern zusammenarbeiten. Von digitalen Marketingtools über gemeinsame Marken wie „DIE GETRÄNKEKÖNNER“ bis hin zu Kundenbindungsprogrammen bieten wir unseren Kunden weitreichende Dienstleistungen. Damit stärken wir die Mitglieder in ihrem Tagesgeschäft und sorgen gleichzeitig für die Weiterentwicklung des gesamten Netzwerkes. Zusammenfassend könnte man sagen: Unsere Genossenschaft macht den Mittelstand stark.
one: Wir haben darüber gesprochen, wie eure Mitglieder und Kunden von der REWE Group profitieren. Wie sieht es umgekehrt aus? Welche Vorteile hat die REWE Group von der FÜR SIE – abgesehen von der Mengenbündelung im Einkauf?
Niklas Müller: Wir erschließen Bereiche, in denen sich die REWE Group heute noch nicht bewegt und wo es noch Wachstumschancen gibt. Unsere Mitglieder bringen regionale Verankerungen und Marktkenntnisse ein, von denen die gesamte Gruppe profitiert. Es geht auf jeden Fall in beide Richtungen, da wir die Stärke des Konzerns nutzen und gleichzeitig die REWE mit unserem Know-How und Netzwerken bereichern.
one: Die kurzen Entscheidungswege bei der FÜR SIE sind bestimmt ein Vorteil?
Niklas Müller: Definitiv. Unsere mittelständische Prägung ermöglicht flache Hierarchien, schnelle Entscheidungen und viel Gestaltungsspielraum. Gleichzeitig sind wir ein Teil der REWE Handelsgruppe und eng mit dem Konzernumfeld vernetzt. Die Kombination aus beiden macht den Reiz aus, was mir persönlich viel Spaß macht.
one: Das ist beinahe schon ein schönes Schlusswort. Doch eine Frage haben wir ja noch, nämlich die zu Trinks. Was bedeutete der Einstieg der REWE Group bei Trinks für die FÜR SIE und für dich als Getränkefachmarktspezialisten?
Niklas Müller: Trinks war einer der Getränkefachgroßhändler, der in unserem Auftrag die Getränkemärkte und Verkaufsstellen beliefert hat. Wir koordinieren auch weiterhin das gesamte Mehrweg-Getränkegeschäft im Auftrag der REWE und bringen unsere Expertise ein. Neu ist, dass wir nun gemeinschaftlich als Partner agieren: Trinks, REWE und die FÜR SIE. Wir sehen es als partnerschaftliche Zusammenarbeit, wodurch die Belieferungsqualität gesichert wird. Wichtig ist aber auch: Viele Getränkefachgroßhändler sind selbst Genossen der FÜR SIE. Ihnen gegenüber haben wir einen genossenschaftlichen Förderauftrag. Daher setzen wir weiterhin auch weitere Getränkefachgroßhändler ein, um die Mehrweggetränkelogistik effizient zu gestalten.
one: Um so viele unterschiedliche Interessen zu bündeln, zu koordinieren und abzustimmen, bedarf es bestimmt einer guten Portion diplomatischen Geschicks, oder?
Niklas Müller: Ja, und das ist für mich auch der Reiz meiner Aufgaben. Auf der einen Seite sind wir Mittelständler durch und durch – nah an unseren Mitgliedern und ihren täglichen Herausforderungen. Auf der anderen Seite bringen wir die Möglichkeit eines Konzerns mit. Beides wird durch das Genossenschaftsmodell verbunden. Die Genossenschaft ist kein Modell von gestern, sondern eins der Zukunft. Gerade junge Menschen suchen Sinn, Gemeinschaft und Gestaltungsspielraum – und genau das können wir bieten.













