Holz ist der Brennstoff der Armen. Wer in Haiti kocht, wer wäscht, tut es mit Holzkohle. Die Folge: Ein entwaldetes Land. Im von der REWE Group unterstützten Kindernothilfe-Projekt „Schützende Schule“ lernen die Kinder daher nicht nur, sich vor Naturgewalten, sondern auch die Natur selbst zu schützen. Sie lernen im Unterricht den sorgsamen Umgang mit Wasser und pflanzen Bäume. Denn Umweltschutz ist Kindesschutz, sagt Haiti-Experte Jürgen Schübelin.
Jürgen Schübelin, Manager Global Learning und Haiti-Experte der Kindernothilfe
one: Herr Schübelin, die Schützende Schule in Haiti unterrichtet nicht nur den Umgang mit Natur- und anderen Gewalten, sondern auch Ökologie. Wo ist die Verbindung zwischen Kindes- und Umweltschutz?
Jürgen Schübelin: Bereits vor dem Erdbeben im Januar 2010 hatte die Kindernothilfe in Haiti immer auch das Thema Ökologie im Blick. Denn Umweltschutz ist ein ganz wichtiges Thema hier.
one: Warum…?
Jürgen Schübelin: Dafür muss man sehr weit zurückschauen. Als Kolumbus 1492 die Insel Hispaniola entdeckte, die sich Haiti heute mit dem Nachbarland Dominikanische Republik teilt, da war die Insel ein dicht bewaldetes, von der Vegetation her ungeheuer reiches Stückchen Erde. Aber die unvorstellbare Armut der Haitianer setzte einen brutalen Entwaldungsprozess in Gang und verwandelte das grüne Paradies in eine ausgelaugte wüstenartige Gerölllandschaft. 97 Prozent der Wälder Haitis sind heute abgeholzt!
one: Weshalb holzt Armut Bäume ab?
Jürgen Schübelin: Holzkohle ist der einzige Brennstoff der Armen. Sie kochen mit Holzkohle, sie erhitzen ihr Waschwasser damit… Alles aus Holz, ob Baum oder Strauch, wird zu Brennstoff. Weite Teile Haitis sind daher nur noch Steppe. Überdies sind die Böden müde. Jahrhundertelang ließ die einstige Kolonialmacht Frankreich flächendeckend Zuckerrohr anbauen. Und Zuckerrohr laugt den Boden enorm aus. Dieser Raubbau und die Verelendung der Haitianer sind die Gründe, warum wir seit Jahren Nachhaltigkeit und Ökologie im Fokus unserer Arbeit haben.
one: Apropos Ihre Arbeit in Haiti: Wie kommt hier das Projekt Schützende Schule ins Spiel?
Jürgen Schübelin: Sie liegt in Cabaret/Levêque im Nordosten der Hauptstadt Port-au-Prince in einer regelrechten Wüstenlandschaft. Hier mitten im Nichts haben nach dem Erdbeben viele Menschen aus der Hauptstadt versucht, ein neues Leben aufzubauen. Und ihre Kinder lernen in der Schützenden Schule nicht nur, wie sie sich vor neuerlichen Naturkatastrophen schützen, sondern auch Umweltschutz. Ganz praktisch und wesentlich ist da der Umgang mit dem wertvollen Gut Wasser. Wasser ist sündhaft teuer auf Haiti.
Sauberes Trinkwasser ist ein lebensnotwendiges Gut in der Halbwüste von Lévêque
one: Warum ist Wasser so sündhaft teuer?
Jürgen Schübelin: Wasser wird hier mit Zisternen-LkW angefahren und in Plastiktanks aufbewahrt. Es kommt nicht aus der Leitung, daher müssen die Menschen hier einen wesentlichen Teil ihres Familieneinkommens aufwenden, um die LkW-Lieferungen bezahlen zu können. Die „Schützende Schule“ kostet das sicher über hundert US-Dollar im Monat. Daher lernen die Schulkinder, vorsichtig und respektvoll mit dem teuren Wasser umzugehen.
one: Was konkret lernen die Kinder in Bezug auf Wasser?
Jürgen Schübelin: Die Kinder lernen beispielsweise, wie sie Waschwasser zum Gärtnern wiederverwenden, in dem sie den Seifenschaum abschöpfen. Oder wie sie Phosphate mit einem ganz einfachen System herausfiltern: Sie gießen das Wasser durch eine Sand-Kiesschicht ab und fangen es unten auf. Das lernen sie beispielsweise in der Schule. Das Wasser ist natürlich kein Trinkwasser, aber es ist gut fürs Gemüse und für die Bäumchen.
one: Gemüse und Bäumchen in der Steppe?
Jürgen Schübelin: Ja, so gut wie jeder im Dorf zieht Gemüse zum Eigenbedarf. Und die Bäumchen sind ein Projekt der schützenden Schule. Sie pflanzen anspruchslose Bäume und Sträucher. Diese wiederum ziehen Vögel und Insekten an. Die Vögel transportieren die Pflanzensamen an neue Stellen… Das trägt zu mehr Biodiversität bei. Und vor allem bringt es Hoffnung. Es gibt in diesem gottverlassenen Ort nichts anderes als die Schule, in der etwas passiert, sich etwas Positives tut. Die Schule ist ein Projekt, das ausstrahlt und Hoffnung gibt.
one: Wo genau liegt die Verbindung zwischen Umwelt- und Kinderschutz?
Jürgen Schübelin: Das Projekt Schützende Schule sieht einen engen Zusammenhang zwischen dem Schutz vor Gewalt, die Kindern und die der Umwelt angetan werden. Das gilt nicht nur für Haiti: Weltweit sieht man: Wenn sich Umweltbedingungen positiv verändern, geht es den Menschen dort besser. Wenn Stadtteile grüner und wohnlicher werden, geht die Gewalt dort zurück.
Die schützende Schule im Jahr 2019. Aktuell sieht der Hygienefahrplan der Schule Maskenpflicht und Abstand vor.
one: Spenden für die Schützende Schule lohnen sich also? Trotz all der Krisen, mit denen das Land zu kämpfen hat?
Jürgen Schübelin: Es lohnt sich unbedingt, sich dort zu engagieren. Es ist großartig zu sehen, was dort alles passiert. Aus Nichts machen sie dort unglaublich viel. Und das Projekt erreicht ja nicht nur die Schulkinder, sondern auch die Eltern, die Nachbarn, das gesamte Dorf. Wir verändern mit unserer Arbeit dort sicher nicht die politischen Gegebenheiten. Aber wir können Beispiele geben und zeigen, was möglich ist, wenn man die Menschen in Haiti lässt und ihnen ihr Selbstbewusstsein zurückgibt.
Über das Mitarbeitenden-Spendenprojekt hat Bettina Rees mit Projektleiterin Sonja Liedke im one_Podcast gesprochen
Das Projekt der Kindernothilfe e.V., die Schützende Schule, ist einer der vier Empfänger des Mitarbeiter-Spendenprojekts der REWE Group. Wer eins der Projekte mit einer monatlichen Gehaltsspende von 1, 5 oder 10 Euro unterstützen möchte, kann dies mit Hilfe des Spendenformulars in die Wege leiten.
Alle wichtigen Fragen und Antworten rund um das Mitarbeiter-Spendenprojekt finden Sie hier