Seit 2016 vergibt die Kindernothilfe Haiti an begabte Absolvent:innen des Collège Véréna Studien-Stipendien, die mit REWE Group-Spenden finanziert werden. Johanne, Leonardo und Maurice gehören zu den ersten Stipendiat:innen, alle drei sehen heute mit Zuversicht in die Zukunft – in ihre eigene und in die ihres Landes.
Vom Stipendienprogramm der Kindernothilfe Haiti, das jährlich an junge Studierende geht, haben bis heute 208 Jugendliche profitiert. Rund die Hälfte davon hat ihr Studium bereits absolviert und ist ins Berufsleben gestartet. Das mit REWE Group-Spenden finanzierte Stipendienprogramm wird auch – und gerade – trotz der aktuell schwierigen Situation im Land fortgeführt, ist es doch für die jungen Männer und Frauen extrem wichtig. Dabei geht es den meisten nicht nur um ihr eigenes berufliches Fortkommen. Vielmehr sehen viele der gut ausgebildeten jungen Leute in dem Stipendium die Basis dafür, dass sie ihrem Land helfen, wieder auf die Beine und endlich zur Ruhe zu kommen.
Johanne, Maurice und Leonardo gehörten 2016 zum ersten Stipendiatenjahrgang. 80 Abiturient:innen des Collège Véréna bewarben sich damals, 15 wurden ausgewählt, mit einem Stipendium der Kindernothilfe Haiti zu studieren. Ohne diese Unterstützung wäre es nicht gegangen, denn alle drei wuchsen mittellos in von Armut und Gewalt geprägten Vierteln von Haitis Hauptstadt Port-au-Prince auf. Wie das Stipendienprogramm das Leben von Johanne, Maurice und Leonardo verändert hat, hat Maurice für one protokolliert:
Völlig mittellos stand die zur Vollwaise gewordene Abiturientin Johanne 2016 da, an ein Studium war nicht zu denken, als sie sich für ein Vollstipendium der Kindernothilfe qualifizierte. Wenige Jahre später bildet die Informatikerin den IT-Nachwuchs aus.
Johanne (vorne) und Kolleginnen.
„Ich heiße Johanne, bin 25 Jahre alt, in Port-au-Prince in einer christlichen Familie geboren, bestehend aus fünf Mädchen und zwei Jungen. Wir sind früh Waisen geworden: Mein Vater starb beim Erdbeben 2010, meine Mutter starb 2015 an Gebärmutterhalskrebs. Ich bin Informatikerin, spezialisiert auf Netzwerktechnik. Ich lebte in Solino, einem von Armut und Kriminalität geprägten Viertel von Port-au-Prince, aber aufgrund der Situation im Land musste ich das Viertel verlassen und wohne derzeit provisorisch bei einem meiner Verwandten in Petionville, einem relativ sicheren und wohlhabenden Vorort.
Dank des Kindernothilfe-Stipendiums habe ich eine Ausbildung in Informationstechnik absolviert. Darüber hinaus hat es mir erlaubt, an zusätzlichen Schulungen, wie Bewerbungstrainings, Unternehmertum oder Führungskompetenz teilzunehmen. Das Stipendium war für mich wortwörtlich Gold wert, denn es kam genau zu dem Zeitpunkt, als meine Mutter starb und wir kein Geld hatten, um mein Studium zu finanzieren.
Als Schülerin des Collège Véréna wurde ich 2016 zu einem Treffen mit der Kindernothilfe eingeladen, auf dem das Stipendium vorgestellt werden sollte. Auf diesen Tag war ich unheimlich gespannt, ich wollte unbedingt wissen, wie man an ein solches Stipendium kommt. 80 Oberstufenschülerinnen und -schüler kamen zu dem Treffen, es sollte aber nur für 15 Studierende ein Vollstipendium geben. Als ich das hörte, hatte ich ehrlich gesagt Angst. Aber dann dachte ich: Eine solche Chance kommt nur einmal im Leben. Und diese Chance war meine Chance, weil sie genau zum richtigen Zeitpunkt kam.
Die Bewerbung bestand aus einem Test und einem Motivationsinterview. Eines Tages, als ich zu Hause war, rief mich einer meiner Klassenkameraden an und sagte mir, dass mein Name auf der Liste derjenigen stand, die bestanden hätten. Ich kann kaum beschreiben, wie sehr ich mich gefreut habe, ich war unter denen, die ein Zwei-Jahres-Stipendium für ein Studium erhalten hatten!
Mit dem Stipendium habe ich dann Informationstechnik an der sehr praxisbezogenen Haiti Tec studiert. Derzeit unterrichte ich dort in Vollzeit. Sie haben sich für mich entschieden, weil ich eine ihrer besten Studentinnen war.
Später möchte ich gerne meinen Master machen, um andere junge Landsleute für den IT-Bereich auszubilden, ein Ausbildungsinstitut für technische Berufe gründen und so meinen Beitrag leisten, dass Haiti sich weiterentwickelt.“
Auch Maurice, der für one die Geschichten von Leonardo und Johanne (und seine eigene) aufgeschrieben hat, ist Stipendiat der ersten Stunde. Aufgewachsen im Armenviertel Delmas 2, war ihm rasch klar, dass nur eine gute Bildung ihm den Weg raus aus Gewalt und Armut ermöglicht. Heute ist der junge Wirtschaftswissenschaftler für das Stipendienprogramm tätig.
Maurice (rechts)
„Mein Name ist Maurice, Absolvent des Studiums der Wirtschaftswissenschaften, 28 Jahre alt. Aufgewachsen bin ich in einer fünfköpfigen Familie im Armenviertel Delmas 2, wo auch das Collège Véréna liegt. Unsere finanzielle Lage war nicht gut, aber das Stipendium hat sie verbessert, weil es nicht nur meine Studien finanziert hat, sondern ich dadurch im Anschluss eine gut bezahlte Arbeit gefunden habe und so meine Familie unterstützen kann.
Wie Joanne und Leonardo gehöre ich zum ersten KNH-Stipendiatenjahrgang. Zugangsvoraussetzung war das Abitur. Um das zu bestehen, habe ich mich sehr ins Zeug gelegt, und die Aufnahmeprüfung zum Stipendienprogramm habe ich dann als einer der besten bestanden.
Ein guter Job geht in Haiti nur mit einer guten Ausbildung. Dafür war das Stipendienprogramm optimal. Zudem konnte ich in Lifeskill-Schulungen meine Lebenskompetenzen verbessern, was es mir heute möglich macht, in einem Viertel wie Delmas 2, wo Gewalt herrscht und Jugendliche fast nur negativen Einflüssen ausgesetzt sind, positiv zu bleiben.
Im November 2020 ging die Projektleiterin des Stipendienprogramms der KNH in Mutterschutz, ich durfte sie vertreten. Heute bin ich ihr Stellvertreter. In dieser Position bin unter anderem die Kontaktperson zu den Bildungseinrichtungen, die die Jugendlichen besuchen und schreibe die Berichte zu den Stipendiat:innen – und ihre Erfolgsgeschichten. Ich genieße diese Arbeit und die Treffen mit potenziellen Stipendiat:innen sehr.
Das Stipendium hat für mich eine große Bedeutung, es hat mir ermöglicht, meinen Traum zu verwirklichen und das vierjährige Studium der Wirtschaftswissenschaften zu absolvieren. Während dieser vier Jahre habe ich viele Probleme erlebt, vor allem wusste ich oft nicht, wie ich Transport, Essen oder Kopien bezahlen soll. Dass ich mein Studium trotz allem mit Auszeichnung bestanden habe, macht mich stolz. Und es gibt mir Hoffnung. Ich bin heute ein vollwertiges Mitglied der haitianischen Gesellschaft, trage zu den Staatseinnahmen bei, indem ich Steuern und Abgaben zahle. Und vor allem: Das Stipendium hat mich davor geschützt, in die Kriminalität abzurutschen.“
Wie auch Johanne und Maurice sieht der Verwaltungsfachmann Leonardo sein Land realistisch – und hat doch den dringenden Wunsch, Haiti mit seinem Fachwissen - und seinen Gehaltsabgaben – wieder auf die Beine zu helfen. Das Stipendium habe ihm Flügel verliehen – den festen Boden unter seinen Füßen verdanke er seiner Mutter und guten Freunden.
Leonardo
„Ich bin Leonardo, 28 Jahre alt und habe den Studiengang öffentliche Verwaltung absolviert. Ich bin in Delmas 2 aufgewachsen und habe dort fast 25 Jahre verbracht. Ich lebe seit jeher mit meiner alleinerziehenden Mutter zusammen. Sie hat nie viel Geld verdient, aber sie hat immer alles getan, um mich vor den Gefahren in unserem Viertel zu bewahren, Gangs, Drogen, Rumhängen. Meine Rettungsanker waren die Schule, einige Freunde, die wie ich tickten, und die Liebe, die ich für meine Mutter empfinde. Damit bin ich aufgewachsen, sie waren mein Antrieb. Ich habe meinen Vater nie gekannt, aber meine Mutter hat mir genug Liebe für zwei gegeben. Das erfüllt mich mit Stolz.
Das Stipendium gehört zum Besten, was mir in meinem Leben je passiert ist. Mir hat sich dadurch eine Welt erschlossen, in der die unterschiedlichsten Menschen aufeinandertreffen, mit ihren verschiedenen Ideen, Sichtweisen, Erlebnissen und Hintergründen. Dieses Stipendium hat mir gezeigt, dass es außerhalb der Gegend, in der ich aufgewachsen bin, eine Welt gibt, in der Vielfalt in all ihren Formen herrscht – ohne zu vergessen, woher ich komme und wie viel Glück ich habe, etwas aus meinem Leben machen und neue Dinge lernen zu können. Dinge, die mir helfen, die Welt aus einer anderen Perspektive und in einem breiteren und wissenschaftlicheren Kontext zu sehen. Schließlich hat das Stipendium mir auch gezeigt, dass ich, wenn ich mich richtig anstrenge, jederzeit meinen Beitrag zur Entwicklung dieses Landes leisten könnte, da mein Studium sich der Entwicklung von Gemeinden und also von Gemeinschaften widmet. Es ist ein sehr politisches Studium und hat mir gezeigt, wie dieses Land funktioniert.
Für die Zukunft möchte ich die Möglichkeit haben, meine eigenen Bedürfnisse als auch die meiner Familie und meiner engen Freunde zu erfüllen, die immer für mich da waren. Damit meine ich nicht nur Bedürfnisse finanzieller Natur. Ich möchte an Kinder weitergeben, was ich gelernt habe und gemeinsam mit der Kindernothilfe Jugendlichen helfen, ihren Weg zu finden. Was den Rest betrifft, so habe ich dieselben Träume wie alle Menschen: Lieben und geliebt werden, Kinder, ein Ort, an dem Frieden herrscht. Auch wenn Haiti in diesen Tagen nicht der beste Ort ist, um eine Familie zu gründen, glaube ich, dass sich eines Tages die Dinge zu Gunsten meines Landes wenden können.
Mein größter Wunsch ist es, Dinge zu bewegen, meinen Lebensunterhalt ehrlich zu verdienen und mein Land aus der Sackgasse herauszuführen, in der es schon seit Generationen steckt.“
Sie möchten spenden?
Das Stipendienprogramm der Kindernothilfe Haiti ist Teil der Hilfe für Haiti der REWE Group und somit Teil der vier Mitarbeitendenspendenprojekte. Wer eines der Projekte mit einer monatlichen Gehaltsspende von 1, 5 oder 10 Euro unterstützen möchte, kann dies mit Hilfe des Spendenformulars in die Wege leiten.
Mehr Antworten zu wichtigen Fragen zu den vier Mitarbeitendenspendenprojekten finden Sie hier.