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Foto: Rudie - Fotolia
Die Weichen für den Arbeitsplatz der Zukunft sind gestellt
Wie es euch gefällt?
von Judith Morgenschweis
Feste Arbeitszeiten - das war einmal. Flexible Arbeitszeiten sind heute einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren im Wettbewerb um junge Fachkräfte. An den Kölner Standorten hat die REWE Group deshalb die Arbeitszeitregelungen neu gestaltet.
Oliver Holler
Es geht um mehr als „nur“ die Vereinbarkeit von Beruf und Familie: Feste Arbeitszeiten entsprechen heute vielfach nicht mehr dem gelebten Arbeitsalltag. Auch werden sie von den jungen, umworbenen Fachkräften oftmals bei der Jobwahl als wichtiges Auswahlkriterium genannt. Gleiches gilt für den Arbeitsort

Bereits Anfang des Jahres wurden die Arbeitszeitregelungen für die REWE Zentralorganisation (RZO) gelockert. Nachdem die neuen Regelungen für RZO und REWE Systems bereits zum Jahresanfang umgesetzt wurden, gelten sie seit 1. März auch für Vollsortiment und Discount.

Den Anstoß gab das Audit berufundfamilie: „Im Zuge der Umsetzung des Audits bilden die beiden Handlungsfelder Arbeitszeit und Arbeitsort einen Schwerpunkt“, erklärt Oliver Holler, Bereichsleiter Personalwesen Zentrale RZO/REWE Systems. "Hierbei stand die Arbeitszeitregelung von Beginn an auf der Agenda. Unsere Gesellschaft verändert sich und dies müssen wir auch bei der Gestaltung der Arbeitswelt berücksichtigen."

In den Gesprächen für das Audit stellte sich heraus, dass sowohl für die Führungskräfte als auch für die Mitarbeiter eine flexible Arbeitszeit und ein flexibler Arbeitsort eine hohe Priorität hatten.
Daher wird zusätzlich zu den neuen Arbeitszeitregelungen das zunächst als Pilot eingeführte Home-Office-Konzept unbefristet fortgesetzt.

Das Thema Arbeitszeit ist mit der neuen Regelung noch längst nicht abgeschlossen. Oliver Holler: „Das Jahr 2015 ist bewusst als Pilotphase bezeichnet.
Gemeinsam mit den Betriebsräten werden wir im laufenden Jahr genau beobachten, wie verantwortungsvoll mit den neuen Möglichkeiten umgegangen wird und wo eventuell noch nachgesteuert werden muss. Gleichzeitig suchen wir nach Wegen, wie wir den Umgang mit den Arbeitszeitkonten noch besser gestalten können. Eine komplexe Aufgabe, die wir sorgfältig bewerten und weiter entwickeln werden.“
Oliver Cohn, Leiter Personal Verwaltung Vollsortiment, und Tanja Wördehoff, Leiterin Personal Zentrale Discount, im Interview
„Herausforderung für Mitarbeiter und Führungskräfte“
Mit einer Regelung auf dem Papier ist es nicht getan: Die neuen Arbeitszeiten müssen im Unternehmen gelebt werden. One sprach mit Oliver Cohn (Vollsortiment) und Tanja Wördehoff (Discount), beide für das Personal im Verwaltungsstandort Köln verantwortlich über Vorteile und Herausforderung der neuen Freiheit.
Tanja Wörderhoff und Oliver Cohn
one:Woher kam der Anstoß für die Neuregelungen?
Oliver Cohn: „Wir haben bereits im Rahmen der erstmaligen Zertifizierung für berufundfamilie begonnen, die Arbeitszeiten durch individuelle Kern-/Gleitzeitverschiebungen und Flexibilisierung von Freitzeitausgleich offener zu gestalten. Beispielsweise haben wir schon frühzeitig den Überstundenabbau flexibilisiert. Unsere Mitarbeiter können schon länger mit mehreren freien Tagen hintereinander ihr Überstundenkontingent abbauen.“
Tanja Wördehoff: „Für uns spielt zum einen die Attraktivität als Arbeitgeber eine große Rolle. Flexible Arbeitszeiten sind inzwischen ein wichtiger Faktor bei der Wahl des Arbeitgebers. Zudem kamen schnell Nachfragen von Mitarbeitern nachdem die Regelung für die RZO in Kraft getreten war.“

one: Sie haben das Thema voran getrieben - Vollsortiment und Discount gemeinsam. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Wördehoff: „Das lag nahe, denn gerade am Standort Stolberger Straße sitzen Mitarbeiter von Discount und Vollsortiment nah beieinander. Es wäre komisch wenn für Kollegen unterschiedliche Arbeitszeitregelungen gelten würden.“
one: Eine wichtige Grundlage für die Neuerung war auch das Audit berufundfamilie Was waren die wichtigsten Anliegen die in diesem Rahmen formuliert wurden?
Oliver Cohn: „Unsere Informationen über die Anliegen der Mitarbeiter erhalten wir durch regelmäßige Sitzungen mit den Paten für Beruf und Familie sowie durch Mitarbeiterbefragungen. 2014 haben wir eine solche Befragung zum Thema Beruf und Familie durchgeführt. Hinsichtlich der Arbeitszeit wurden als Schwerpunkte für Besserungen die Überstunden und die Kernarbeitszeitregelung genannt. Beide Themen sind durch die neue Betriebsvereinbarung angegangen worden. Bei den Überstunden wurde die monatliche Kappungsgrenze von 15 auf 60 Stunden erhöht. Die Kernarbeitszeit wurde abgeschafft und die Bereiche haben die Möglichkeit, Funktionsbereitschaften festzulegen.“
Tanja Wördehoff: „Wir haben in den regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen gesehen, dass es einen Bedarf an flexibleren Arbeitszeiten gibt – gerade auch bei Mitarbeitern mit besonderen familiären Verpflichtungen.“

one: Was ist die größte Herausforderung der neuen Regelung?

Oliver Cohn: „Die Führungskräfte sind stark gefragt, denn sie müssen ausloten, was in ihrem Bereich möglich ist und was nicht. Vor allem für Bereiche mit Stoßzeiten, in denen Mitarbeiter erreichbar sein müssen ist es eine Herausforderung für die Führungskräfte, Lösungen und ausgewogene Regelungen zu finden. Hier gibt die Betriebsvereinbarung den Führungskräften Sicherheit.“
Tanja Wördehoff: „Das Thema Führung spielt auf jeden Fall eine große Rolle. Führungskräfte und Mitarbeiter müssen einen gewissenhaften Umgang mit der neuen Freiheit entwickeln.“

one: Sind weitere Flexibilisierungsmaßnahmen geplant?
Oliver Cohn: „Sicher wird das Thema Home Office eine noch größere Rolle spielen. Aber das hängt natürlich auch stark vom Arbeitsplatz ab. Es gibt unterschiedliche Kulturen in den einzelnen Bereichen. In manchen Bereichen können sich die Mitarbeiter ihre Aufgaben schon sehr frei einteilen, während andere reglementierter sind – dort müssen wir gemeinsam mit Führungskräften und Paten an Veränderungen arbeiten.“
one: Gibt es Erfahrungen dazu, wie lange ein Unternehmen braucht, bis sich solche Neuerungen tatsächlich durchgesetzt haben?
Oliver Cohn: Regelungen sind schnell vereinbart. Herausforderung ist die Schaffung von Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeitern. Dies bedeutet auch eine Veränderung der Unternehmenskultur. Führungskräfte müssen Vertrauen in ihre Mitarbeiter haben, dass bestimmte Freiheiten nicht ausgenutzt werden und sie müssen Führungsstärke beweisen, da nicht jede Regelung für jeden Mitarbeiter im gleichen Maße umgesetzt werden kann. Die Mitarbeiter müssen auch verstehen, dass bei Beruf und Familie nach wie vor Beruf an erster Stelle steht. Grundsätzlich hilft berufundfamilie ungemein, um etwas zu bewegen. Denn damit verständigt sich die oberste Führungsebene auf Ziele und Maßnahmen, die von ganz oben in die Organisation hineingetragen werden können.
Tanja Wördehoff: In jedem Fall ist die Vereinbarung ein klares Statement in Richtung Mitarbeiter, dass mehr Eigenverantwortung gefragt ist. Der Job verändert sich ja nicht. Und natürlich ist es auch ein Ausdruck von wachsendem Vertrauen.
3 Fragen an Robert Kania, Personalleiter REWE Region Ost
„Jede Abteilung bringt ihre ganz eigenen Anforderungen in Sachen Arbeitszeit mit sich“
Im Verwaltungsstandort Teltow in der Region Ost haben alle Mitarbeiter Vertrauensarbeitszeit. Seit knapp zehn Jahren stimmen sie sich untereinander und mit den Vorgesetzten ab, um persönliche Bedürfnisse und Kundenwünsche optimal erfüllen zu können. Robert Kania, Personalleiter der REWE Region Ost, über seine Erfahrungen mit diesem Arbeitszeitmodell.
Robert Kania, Personalleiter REWE Region Ost
one: Wann haben Sie sich in Teltow eingemietet und welche Arbeitszeiten kannten die Beschäftigten vorher?
Robert Kania: Mit der REWE-Reform vor zehn Jahren entstand die Region Ost, wie wir sie heute kennen. Daher zogen wir 2006 mit einem vergleichsweise kleinen Mitarbeiterstamm nach Teltow. Sukzessive haben wir mehr und mehr neue Kollegen eingestellt. Einige kannten noch die Zeiterfassung, andere nicht. Die Vertrauensarbeitszeit war und ist hilfreich, um Prozesse regelmäßig abzustimmen und die Arbeit in den wachsenden Teams zu organisieren.

one: Ganz allgemein: Wie sind Ihre Erfahrungen mit der Vertrauensarbeitszeit?

Robert Kania: Unsere Mitarbeiter sind Spezialisten auf ihren Gebieten. Sie wissen, welche Anforderungen die Kunden und Partner an ihre Arbeit stellen. Diesen externen Bedürfnissen nachzukommen ist ebenso wichtig wie die persönliche Situation des einzelnen Mitarbeiters zu beachten. Unsere Führungskräfte stimmen sich in ihren Abteilungen ab, beobachten die Abläufe und steuern gegebenenfalls nach. Vertrauensarbeitszeit basiert ganz klar auf verantwortungsvollem Handeln. Für die Mitarbeiter ist es auch eine Form der Mitbestimmung. Und da wir möchten, dass die Kollegen motiviert sind, ist sie für uns ein hohes Gut.
one: Wie haben die Bereiche sich organisiert? Wie wichtig war eine Unterstützung seitens der Personalbereichs?
Robert Kania: Jede Abteilung bringt ihre ganz eigenen Anforderungen in Sachen Arbeitszeit mit. Daher ist es für uns selbstverständlich, dass sie sich eigenständig organisieren. Die Teams müssen miteinander reden und ausloten, was notwendig ist und wo flexibel verfahren werden kann, auch im Hinblick auf unsere Bemühungen
rund um „berufundfamilie“. Dass auch nachgesteuert wird, versteht sich von selbst. Der Personalabteilung fällt dabei eine moderierende Rolle zu. Auf der Suche nach individuellen Lösungen stimmen wir uns natürlich mit dem Betriebsrat ab. Letztlich sollten immer die Wünsche von Mitarbeitern, Kunden und Arbeitgeber in Einklang gebracht werden. Das funktioniert dank der Vertrauensarbeitszeit sehr gut.
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