Als erster Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland bietet REWE seinen Kunden ein kostenloses Mehrwegsystem für die Salatbar an. Kooperationspartner ist das Kölner Start-up Vytal. Das auf die besonderen Anforderungen für Supermärkte angepasste Konzept wird zunächst an fünf Standorten in Köln getestet.
Convenience-Speisen sind der größte Verursacher von To-Go-Müll in Deutschland. Der Großteil entfällt auf Schalen, Boxen, Becher und Teller, die zum Transport von Essen einmalig verwendet werden. Da die Förderung von Mehrwegalternativen eine zentrale Säule der REWE-Verpackungsstrategie ist, ist die Einführung einer Mehrweglösung für die immer beliebter werdenden Salatbars ein konsequenter Schritt in der Umsetzung der ambitionierten Ziele.
Zentrales Element des Vytal-Mehrwegsystems ist eine stabile und ästhetische Kunststoff-Schale, die sich mit dem dazugehörigen Deckel auslaufsicher verschließen lässt. Die Schale hat ein Volumen von 1.250 ml, ist spülmaschinenfest und für die Mikrowelle geeignet. Die Besonderheit: Das System funktioniert ganz ohne Pfand. Außerdem sind die Ausgabe und die Rückgabe der Mehrwegbehälter extra einfach gehalten. REWE erklärt zudem an den Geräten deren Handhabung auf sehr verständliche Weise. Die Abwicklung der Ausleihe läuft über die kostenlose Vytal-App. Wer diese nicht nutzen möchte, für den offeriert das System zwei alternative Wege, an die Schale zu kommen. Die konsequente Nachhaltigkeitsperspektive des Start-ups zieht sich durch das komplette Konzept. So lässt Vytal die gebrauchten Schüsseln per E-Lastenrad abholen und ortsnah professionell reinigen, um kurze Transportwege zu gewährleisten.
Müllvermeidung hat Priorität
„Das Ziel, Verpackungsmüll zu vermeiden und zu reduzieren, hat in unserer Verpackungsstrategie hohe Priorität. Gleichzeitig wünschen sich immer mehr Kunden verzehrfertig zubereitete Speisen und Snacks verbunden mit der Möglichkeit, diese mitzunehmen, um sich etwa für unterwegs oder die Mittagspause zu versorgen. Da die Produkte für diesen Zweck geschützt und transportabel sein müssen, steigen die Verpackungsmengen. Umso wichtiger ist es für uns, auf echte Systemumstellungen zu setzen, um Verpackungsmüll trotz sich verändernder Konsumtrends konsequent und systematisch zu vermeiden. Wir freuen uns sehr, mit Vytal jetzt eine smarte Mehrweg-Alternative zu testen, die es uns ermöglichen kann, diese Herausforderung ein Stück weit aufzulösen“, sagt Pia Schnück, die für dieses Nachhaltigkeitsprojekt im Warenbereich von REWE verantwortlich ist.
Mehrweg so einfach wie Einweg
„Wir wollen Mehrweg so einfach machen wie Einweg“, erklärt Sven Witthöft, Mitgründer des Start-ups, die Geschäftsidee. Denn nur mit Mehrweglösungen lassen sich Müllberge reduzieren. Unsere Vision ist, dass in fünf Jahren alle Kunden, die Essen mitnehmen oder sich liefern lassen wollen, dies machen können, ohne Verpackungsmüll zu produzieren. Das ist natürlich nur möglich, wenn möglichst viele Verbraucher und gastronomische Anbieter bei unserem offenen System mitmachen. Wir freuen uns daher sehr, auf diesem Weg mit REWE einen großen Partner an unserer Seite zu haben, der an unser Ziel und unser Konzept glaubt.“
Unternehmensgründer Sven Witthöft schwang sich fürs Foto aufs E-Lastenrad (Foto: Achim Bachhausen) Bereits jetzt hat das Start-Up mehr als 200 Partner, unter anderem in Köln, Berlin, Hamburg, München und Freiburg, und expandiert stark. Bundesweit verfügen rund 2.200 REWE-Märkte über eine Salatbar, die jährlich millionenfach von den Kunden genutzt werden – Tendenz steigend.
Kurzer Weg: Für die Rückgabe der Bowls müssen die Vytal-Kunden nicht durch den Markt (Fotos: Achim Bachhausen)
Die geplanten REWE-Märkte für den Vytal-Test sind:
REWE, Salierring 47-53, Köln
REWE, Bonner Str. 211, Köln-Bayenthal*
REWE Richrath, Schwertnergasse 1, Köln*
REWE Bilkay, Hohenzollernring 79-83, Köln*
REWE, Widdersdorfer Str. 219, Köln-Braunsfeld*
*Märkte können sich noch ändern. Die Startzeitpunkte liegen voraussichtlich im Oktober/November, sind aber noch nicht terminiert.
Ist jemand schon Vytal-Kunde, ist der „Schlüssel“ zum Erhalt einer Mehrweg-Schale sein individueller QR-Code aus der Vytal-App oder auf seiner Offline-Karte. Den Code scannt der Kunde an der Ausgabestation ein. Anschließend kann er die Schale aus dem Ausgabefach entnehmen und an der Salatbar wie gewohnt befüllen. An der Kasse wird beim Abwiegen des Inhalts das Eigengewicht der Schale automatisch abgezogen. Vytal räumt seinen Kunden 14 Tage Zeit für die kostenlose Rückgabe ein. Die Schale muss bei Rückgabe innerhalb von 24 Stunden nicht gespült, sondern nur dicht verschlossen, vollständig entleert und grob gereinigt sein. Bei einer längeren Ausleihe wird der Kunde gebeten, die Schale einmal kurz mit kaltem Wasser auszuspülen.
So funktioniert die Rückgabe: Der Kunde scannt den QR-Code auf dem Schalen-Deckel, öffnet die Schiebetür der Rücknahmestation, legt die Schale ein und schließt die Schiebetür wieder. Das Gerät überprüft, ob die Schale leer und mit Deckel zurückgegeben wurde. Ist dies der Fall, wird die Schale aus dem Kundenkonto ausgebucht und der Kunde erhält eine Rückgabebestätigung auf sein Handy.
Grundsätzlich kann der Kunde die geliehene Mehrwegschüssel auch bei jedem anderen Partner, der mit Vytal zusammenarbeitet, zurückgeben. Die App zeigt alle teilnehmenden Anbieter an. Wer den Service erst mal testen will, ohne die App installieren zu müssen, kann am Display der Ausgabestation seine Mobilfunknummer eingeben. Der Kunde erhält dann eine SMS mit einem Code, den er im Display eingibt und bekommt dann eine Schale über das Ausgabefach des Geräts. Über die Handynummer können insgesamt drei Schalen ausgeliehen werden.
Die "Vytal"-Bowls
- Hochwertige Schalen vom holländischen Hersteller Mepal, made in Holland nach allen EU-Standards
- Volumen 1.250ml mit Deckel
- 100% BPA-frei
- Geeignet für Mikrowelle und industrielle Spülung (erhitzbar bis 110 Grad)
- Eindeutige Identifizierbarkeit über Vytal-QR-Code-Labels auf dem Deckel
- Aus Polypropylen (Schale und Sichtfenster) und thermoplastischem Elastomer (Dichtung Deckel)
- Haltbar mit mindestens 200 Befüllungen
- Schon nach 10 Befüllungen ökologischer als Einweg
- Gut recyclebar am Ende des Lebenszyklus
Schon mehr als 1.200 Eigenmarkenverpackungen hat REWE nach der Devise „Vermeiden, Verringern, Verbessern“ über alle Warenbereiche hinweg sukzessive umweltfreundlicher gestaltet. Bei diesen Schritten zu mehr Nachhaltigkeit hat der Lebensmitteleinzelhändler oft eine Pionierfunktion in der Branche eingenommen – auch bei der Förderung von Mehrwegalternativen. Zu den bekannteren Maßnahmen gehört zum Beispiel die Auslistung der Plastiktüte (Juni 2016) zu Gunsten von Mehrwegtragetaschen, die bundesweite Einführung des Mehrwegfrischenetzes als Option zum Knotenbeutel (Oktober 2018) sowie das Angebot in bundesweit rund 2.000 REWE-Märkten, Kunden an der Bedienungstheke für Fleisch, Wurst, Feinkost und Käse mitgebrachte Mehrwegbehälter zu befüllen (Januar 2019 – aktuell wegen Corona-Auflagen ausgesetzt). Weitere Beispiele sind die Glas-, Edelstahl- und Papier-Trinkhalme als Ersatzprodukte für die 2019 aus den Regalen verbannten Einweg-Plastikhalme, von denen REWE zig Millionen jährlich verkauft hatte. Auch hat das Handelsunternehmen sämtliches Plastik-Einweggeschirr aus der Listung gestrichen. Darunter fallen alle Einweg-Teller, -Becher, -Schalen und -Besteck aus Plastik, von denen zuvor jährlich insgesamt 146 Millionen Stück innerhalb des Konzerns verkauft wurden. Auch bei den Convenience- Verpackungen der Eigenmarken wird sukzessive kein Plastikbesteck mehr angeboten und Coffeedrinks werden nur noch ohne Plastikdeckel angeboten. An den Salat- und Heißen-Theken der REWE-Märkte gibt es bald nur noch Besteck aus Holz statt aus Plastik. In einigen REWE-Märkten können sich Kunden auch den eigenen Coffee-To-Go-Becher wieder befüllen lassen.
MEHR ZUR SERIE VERPACKUNG "VERMEIDEN, VERRINGERN, VERBESSERN"
Vytal betreibt Deutschlands erstes digitales und pfandfreies Mehrwegsystem mit hochwertigen, auslaufsicheren Essensverpackungen für Mitnahme- und Lieferessen ohne Pfand mit dem Ziel, Mehrweg so einfach und bequem zu machen wie Einweg heute. Vytal richtet sich an Kantinenbetreiber, Restaurants, Supermärkte und Lieferdienste, die gegen den Einwegverpackungswahnsinn ankämpfen. Für Konsumenten ist Vytal vergleichbar mit anderen Sharing Diensten wie eScootern. Mit Hilfe von Erinnerungen, Anreizen, Gamification und Promotions werden die Nutzer zur regelmäßigen Nutzung und Rückgabe der Schalen motiviert, um so den ökonomischen und ökologischen Mehrwert des Systems zu maximieren. Mit über 98 Prozent Rückgabequote und einer durchschnittlichen Leihdauer von 3,5 Tagen erzielt Vytal nach eigenen Angaben bessere Rücklaufquoten als das deutsche Flaschenpfandsystem.
Pia Schnück im one_Interview über die Herausforderung, im To-Go-Bereich Verpackungsmüll zu sparen, das Besondere am Vytal-Konzept und Mehrweg-Potenziale für weitere Sortimente.
Pia Schnück
one: Welche Rolle spielt der Vytal-Test bei der Vepackungsstrategie von REWE?
Pia Schnück: Für REWE ist das Einsparen von Einwegmüll sehr wichtig. Wir haben eine klare Strategie im Bereich Verpackung, gerade mit Blick auf Plastik: Wir wollen Verpackungen systematisch vermeiden, verringern und verbessern. Zugleich sehen wir mit Blick auf die Einwegverpackungen, dass die Mengen aufgrund des geänderten Konsumverhaltens steigen. Im To-Go-Bereich machen die Verpackungen für vorgefertigte Speisen einen erheblichen Mengenanteil aus. Da ist es wichtig, Systemänderungen einzuführen, denn durch Optimierungen allein lässt sich die Menge nicht reduzieren. Wir glauben, dass wir mit der Vytal-Einführung eine gute Alternative im To-Go-Bereich haben, um die Verpackungsmenge deutlich zu reduzieren.
one: Wann ist der Test für REWE erfolgreich?
Pia Schnück: Wir verfolgen drei Ziele: Zum einen wollen wir testen, ob und wie das System im Markt funktioniert. Das zweite Ziel ist der Test, ob das System vom Kunden angenommen wird, ob er tatsächlich von Einweg auf Mehrweg umsteigt. Und das dritte Ziel ist, so viel wie möglich an Müll-Einsparung zu generieren. Wenn wir die Menge des Verpackungsmülls deutlich reduzieren, haben wir genau das erreicht, was wir wollen.
one: Wenn der Test erfolgreich ist, wie geht es dann weiter?
Pia Schnück: Wenn wir sehen, dass das System an der Salatbar funktioniert, werden wir im nächsten Schritt weitere Sortimente überprüfen, um auch dort die Umstellung auf Mehrweg möglich zu machen.
one: Ihre persönliche Einschätzung: Wie wird der Service bei den REWE-Kunden ankommen?
Pia Schnück: Ich persönlich bin davon überzeugt, dass die Kunden das annehmen werden. Sie wünschen sich weniger Plastik, sie suchen nach Alternativen zur Einweg-Verpackung. Natürlich ist es ein bisschen komplexer, denn ich muss die Schale wieder zurückbringen. Das besondere an Vytal ist aber die Vision dahinter: Mehrweg so einfach zu machen wie Einweg, indem man zum Beispiel aufs Pfand verzichtet. Die Kunden sind offen für Alternativen, solange sie das Leben nicht komplizierter machen. Wenn wir das schaffen, wird es der Kunde auch annehmen.
one: Welche Herausforderungen gab es bei der Einführung des Mehrweg-Tests?
Pia Schnück: Die Einführung ist ein echtes Pilotprojekt, denn wir haben bislang im deutschen Handel noch kein Mehrwegsystem im To-Go-Bereich. Mit Vytal haben wir ein System gefunden, das aus der Gastronomie kommt und für den Handel angepasst wurde. Wichtig für uns war, ein Mehrwegsystem zu finden, das sehr niedrige Hürden hat. Der Test ist nun dafür da zu erproben, ob es in der Markt-Praxis funktioniert und vom Kunden angenommen wird und wo Optimierungsbedarf besteht.
Vytal-Gründer Sven Witthöft erklärt, wie er ein Mehrweg-System etablieren will, das für den Kunden keinen Mehraufwand bedeutet – und wo sein Unternehmen jetzt schon besser ist als das deutsche Flaschenpfand.
Sven Witthöft
one: Herr Witthöft, warum haben Sie Vytal gegründet?
Sven Witthöft: Wir sind drei Gründer, die was dafür tun wollen, dass unsere Kinder in einer gesünderen und nachhaltigeren Welt aufwachsen. Wir haben Vytal gegründet mit dem Fokus, etwas zu schaffen, das auch wirklich wirkt. Deswegen messen wir auch genau, wie viel Verpackung wir einsparen oder arbeiten mit dem Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie daran, unsere Umweltbilanz immer weiter zu verbessern. Potenziale gibt es etwa noch bei umweltfreundlicheren Spüllösungen oder auch in der Logistik. Wir haben letztes Jahr im September die ersten Schalen in Umlauf gebracht und arbeiten mittlerweile mit über 200 Partnern in ganz Deutschland zusammen.
one: Wie ist es zur Zusammenarbeit mit REWE gekommen?
Sven Witthöft: Wir als Kölner Start-Up haben sofort gesagt, wir müssen an die Salattheken, auch weil uns viele Kunden auf die Müllmengen angesprochen haben, die dort entstehen. Aber auch weil wir die Mehrweg-Lösung für die Kunden bequem machen wollen. REWE ist bundesweit sehr verbreitet. Wenn dann im Vorkassenbereich eine Rückgabestation steht, kann der Kunden ohne Mehraufwand dort seine Mehrwegschüssel zurückzugeben.
one: Bezahlt der Kunde für den Service?
Sven Witthöft: Der Kunde kann die Schale komplett kostenlos für 14 Tage ausleihen. Er bezahlt nur, wenn er sie nicht zurückbringt. Wir wollen verhindern, dass sich die Schalen in den Küchen stapeln, denn nur wenn die Schalen im Umlauf bleiben, sparen wir wirklich Verpackungsmüll ein, und das ist ja das Ziel.
one: Was ist Ihre Vision über die Zukunft von Mehrweg?
Sven Witthöft: Mit Vytal ist es unser Ziel, dass wir Mehrweg so einfach und selbstverständlich machen wie Einweg heute ist. Das heißt, der Kunde soll die Möglichkeit haben, Mehrweg überall nutzen zu können, auch ganz spontan – beim Einkauf, in der Gastronomie. Er bekommt qualitativ hochwertige Mehrweggefäße, die er kostenlos nutzen kann und überall wieder zurückgeben kann. Nachhaltiges Verhalten soll keinen Schmerz verursachen, sondern etwas Angenehmes und Komfortables sein.
one: Wie lange behält der Vytal-Kunde die Schalen durchschnittlich?
Sven Witthöft: Unsere aktuell über 10.000 Schalen, die wir im Umlauf haben, kommen im Durchschnitt nach drei bis vier Tagen zurück, und 98 Prozent unserer Kunden geben sie nach 14 Tagen wieder zurück. Damit erzielen wir eine höhere Rücklaufquote als das deutsche Flaschenpfand.