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Josefs nahkauf Box
Vom Experiment zum Erfolg
von Kirsten van Loh Graf und Achim Bachhausen

Ein gutes halbes Jahr ist es her. Da öffnete Josefs nahkauf-Box erstmals ihre automatische Tür für die Kundschaft in der 2.000-Einwohner-Gemeinde Pettstadt bei Bamberg. Wir wollten wissen, wie das Angebot des Mini-Supermarktes angenommen wird und haben die Betreiber und Verantwortlichen befragt. 

one: Wird der Minisupermarkt von den Kund:innen angenommen?

Thomas Scheuring: Ja, sehr gut sogar. Wir haben permanent einen kleinen Umsatzanstieg. Die Box wird nicht nur von der Bevölkerung aus Pettstadt angenommen, sondern auch aus Nürnberg oder Erlangen – insbesondere von Jugendlichen, die hier am Wochenende ihre Red-Bull-Vorräte aufstocken wollen (lacht). In der ganzen Region, im Landkreis Bamberg, ist Josefs nahkauf Box bekannt. Am Sonntag stehen die Leute teilweise bis draußen Schlange, denn da kommen 200 bis 300 Kund:innen am Tag.

Florian Sörensen: Stimmt, der Sonntag ist auch umsatzmäßig der stärkste Tag, doch unsere Kund:innen nutzen alle Tage. Übrigens begeistert das Konzept auch die Experten. Josefs nahkauf Box hat den „Retail Innovation Award 2022“ der DHBW Heilbronn in der Kategorie „Smart Stores“ in Silber gewonnen. Und beim Branchenpreis „Best Retail Cases“ landeten wir in der Kategorie „Concept & Store Design“ auf dem dritten Platz.

one: Worauf haben Sie beim Sortiment geachtet?

Günther Schmid: Wir wollten möglichst das gesamte Sortiment eines Supermarktes abbilden, was auf 39 Quadratmetern natürlich schwierig ist. Das war eine Herausforderung, auch weil wir Regionalität und Lokalität sowie Bio, Vegan und Veggie aufnehmen wollten. Dafür verzichten wir aus Platzgründen auf ja!-Produkte. Welche Artikel ins Sortiment kommen, ist somit auch eine kaufmännische Entscheidung. Was ebenso besonders ist an der Box: Wir verlangen nicht mehr als im normalen nahkauf und fahren auch die gleichen Angebote, die es dort gibt. Diese Preispolitik löst regelrechte Begeisterungsstürme bei den Kund:innen aus.

one: Abgesehen vom Kaufverhalten – wie ist bislang das Kundenfeedback?

Florian Sörensen ist nationaler nahkauf-Vertriebsleiter Florian Sörensen: In den Feedbacks bescheinigen uns die Verbraucher:innen eine hohe Zufriedenheit, 94 Prozent würden wieder in der Box einkaufen.

Josef Sier: Es ist schön, jede Woche sehen zu können, ob die Kund:innen zufrieden sind. Und bisher sind sie das: Meistens haben wir Spitzenwerte mit 5 von 5 Punkten. Wir gehen auch direkt auf Kundenwünsche ein, wenn wir sie als sinnvoll erachten. Anfangs kam beispielsweise der Wunsch nach Trockenshampoo und Haribo-Schlümpfen auf – das haben wir dann schnell umgesetzt, und diese Produkte laufen seitdem auch super. Das ist wirklich eine gute Zusammenarbeit mit den Kund:innen.

Thomas Scheuring: Es ist hilfreich, auch Hinweise zu Produkten zu bekommen, die wir selbst übersehen haben. Beispielsweise Pflaster oder Alufolie – wichtige Artikel, die man im Alltag mal eben schnell braucht. 

one: Welche Produkte verkaufen sich am besten?

Thomas Scheuring: Gerade bei den heißen Sommertemperaturen, die es dieses Jahr gab, gehen gekühlte Getränke am besten weg. Ebenso die Frische – also Salate, Brötchen, Snacks to go. Den Bereich Frische haben wir sogar nach kurzer Zeit verdoppeln müssen, da Obst und Gemüse viel besser angenommen wurden, als wir gedacht hatten. Manche Dinge funktionieren im Supermarkt sehr gut, die in der Box gar nicht gehen. Das sind dann Erfahrungs- und Findungswerte. Aber insgesamt gibt es in unserem Sortiment keinen Artikel mehr, der sich nicht dreht. 

Die Box verfügt über 39 Quadratmeter. Rund 800 Artikel finden Kund:innen hier vor. one: Welche Erlebnisse der vergangenen Monaten bleiben Ihnen besonders in Erinnerung?

Günther Schmid: Man sieht immer glückliche Menschen, wenn man hier ist, und die Gemeinde ist sehr froh, dass Josefs nahkauf Box hier steht.

Josef Sier: Insgesamt ist die Box ein Erfolg! In Verbindung mit einem Hauptmarkt zahlt man auch auf sein Image im Landkreis ein. Das ist eine super Sache.

one: Nachdem der Pilot so erfolgreich gestartet ist: Wie geht es weiter? Sind weitere nahkauf-Boxen geplant?

Florian Sörensen: Aktuell sind zwei weitere Pilot-Märkte geplant, einer im Osten und einer im Ahrtal. 

Stefan Weiß ist in der Geschäftsleitung der REWE Markt GmbH für den Vertrieb der REWE verantwortlich one: In Bayern wurde das Thema Öffnungszeiten ja kontrovers diskutiert, letztlich aber durfte Josefs Box auch an Sonntagen öffnen. Wie reagiert die Politik in anderen Bundesländern beziehungsweise im Bund auf diese innovative Art der Lebensmittelversorgung?

Stefan Weiß: Die Signale sind positiv, denn die Politik hat ein großes Interesse an wohnortnaher Versorgung. Vor allem im ländlichen Bereich können wir mit der nahkauf-Box die eine oder andere Lücke schließen und einen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität leisten.

Zu den Personen

Josef Sier (Foto, Mitte) ist Namensgeber der Box, die er gemeinsam mit Thomas Scheuring (links) betriebt. Ihre (Sortiments-)Erfahrungen im klassischen nahkauf kommen ihnen als Betreiber der Box entgegen. Günther Schmid (rechts) ist nahkauf-Vertriebsleiter in der Region Süd.

Mein Kommentar
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Kommentare
Solveig Rose
vor 1 Jahr und 1 Monat

Hallo zusammen,

ich habe mir den Artikel jetzt erst einmal wieder raussuchen müssen, weil ich die Idee klasse fand. Auch wenn dieses Konzept eher für den ländlichen Raum gedacht ist, so frage ich mich, ob dies oder etwas ähnliches nicht auch ein Konzept für ein Neubaugebiet in Bonn Vilich-Müldorf wäre (Wohnpark II). Allerdings denke ich dabei in Zusammenarbeit mit Wohnprojekten und dem ansässigen Bürgerverein und natürlich der Stadt an eine nachhaltige Variante und die vielleicht nur per S-Bahn und Fahrrad für den Kunden zu erreichen ist - müsste man analysieren. Das wäre ein längerfristiges Neubauprojekt. Wen kann ich dazu kontaktieren? Vielen Dank im Voraus.

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Thomas Weber
vor 1 Jahr und 11 Monaten

... eine megatolle Idee und Umsetzung. Hier ergeben sich Chancen für den ländlichen Raum, wo die Nahversorgung nahezu zum Erliegen kommt. Mit der Nahkauf-Box lässt sich diese Lücke super schließen. Hoffen wir auf viele Standorte in

Gegenden, wo es wichtig ist, dass es (wieder) eine Einkaufsmöglichkeit vor gibt. Viele stationär betriebene Dorfläden sind mittlerweile geschlossen...

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Silke Tiedje
vor 1 Jahr und 11 Monaten

Ich würde es so feiern, wenn auch eine Box nach 50181 Bedburg-Rath kommen würde. Es gibt weder einen Kiosk noch einen Bäcker. Für knapp 1.000 Einwohner (darunter auch viele Senior:innen) gibt es keine Option Lebensmittel zu kaufen. REWE Dugandzic in Bedburg ist nur mit dem Auto erreichbar.

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