„Märkte im Wandel – gemeinsam Zukunft gestalten“, so lautete das Motto der jüngsten MLF-Tagung in Neuwied. Im Mittelpunkt stand jedoch eine prominente Personalie.
Wachwechsel beim MLF: Nach drei Jahrzehnten als Vorstandsvorsitzender übergab Friedhelm Dornseifer (76) den Staffelstab. Sein Nachfolger auf der Spitzenposition der Vereinigung selbstständiger Einzelhändler ist der Bochumer REWE-Kaufmann Stefan Lenk (61). Es war ein Abschied nicht ohne Emotionen: „Ich danke euch, dass ich 30 Jahre euer Präsident sein durfte", sagte Dornseifer vor 400 Teilnehmenden im Food-Hotel Neuwied. „Ihr seid wie eine zweite Familie.“ Mit Stefan Lenk rückt ein Mitglied eben dieser Familie nach. Der Bochumer REWE-Kaufmann erklärte, die erfolgreiche Arbeit seines Vorgängers fortsetzen zu wollen (siehe Doppelinterview weiter unten in diesem Artikel).
Als Abschiedsgeschenk überreichte REWE-Chef Lionel Souque Friedhelm Dornseifer ein Fußballtrikot mit den Autogrammen der FC-Profis I Foto: Reinhard Rosendahl
Mit ihrem Mix aus hochkarätigen Vorträgen und Store-Checks bei renommierten Kaufleuten bot die Tagung reichlich Impulse für die Geschäfte der selbstständigen Händler:innen. Über die aktuellen Herausforderungen und die sich daraus ergebenden Chancen berichteten die beiden Handelsbosse Lionel Souque (REWE) und Markus Mosa (Edeka). Lionel Souque I Foto: Reinhard Rosendahl
Eine vorausschauende Planung zahle sich für REWE gerade im schwierigen Umfeld aus, stellte Lionel Souque fest. Beispiel Strombeschaffung: „Dank unseres Versorgers, der EHA, konnten wir die enormen Energiepreisspitzen vermeiden und haben uns günstig eingedeckt“, betonte der Vorstandsvorsitzende.
Souque untermauerte die Vorreiterrolle der REWE Group in der Nachhaltigkeit anhand einiger Beispiele: So bezieht die REWE Group bereits seit 2008 grünen Strom und baut seit 2009 alle neuen REWE-Märkte ausschließlich nach den Green-Building-Standards.
Grundsätzlich hätten mutige Entscheidungen sich ausgezahlt; etwa die Abschaffung der Plastiktüten im Jahr 2016. Mit der Einstellung des gedruckten REWE-Handzettels steht nun der nächste Meilenstein bevor. „Wir waren damals die Ersten, und wir wollen auch heute Vorreiter sein“, bekräftige Lionel Souque den Pionier-Anspruch des Unternehmens.
Bereits heute erreiche REWE einen Großteil der Haushalte in Deutschland über ihre Online-Kanäle. Gute Voraussetzungen also für die Umstellung vom Massenmedium Handzettel auf eine personalisierte Kund:innenansprache.
Letztere ist bekanntlich das Tagesgeschäft der REWE-Kaufleute, die dank ihrer unmittelbaren Nähe zu den Kund:innen deren Ansprüche und Wünsche bestens kennen und mittels Feintuning der Sortimente auch bedienen können. Nicht wenige bauen ihren Markt zur lokalen Marke auf. So wie Michael Glück. Sein frisch renovierter REWE-Markt in Rengsdorf bestand den Storecheck des kritischen Fachpublikums mit wenigen Detail-Verbesserungsvorschlägen, ansonsten aber mit reichlich Lob, vor allem für die einzigartige Wein-Abteilung. Das freute neben dem Inhaber und Firmengründer auch dessen Sohn Lukas Glück, der das Geschäft zum Jahreswechsel übernehmen wird. Auch dies ein Beispiel für eine vorausschauend geplante Unternehmensnachfolge. Wenn der Vater mit dem Sohne: Michael und Lukas Glück in ihrem REWE-Markt in Rengsdorf
Friedhelm Dornseifer und Stefan Lenk im one_Gespräch* über Vorbilder, Freundschaften, gemeinsame Werte und was das mit geschäftlichem Erfolg zu tun hat.
one: Herr Dornseifer, 30 Jahre sind eine wahrlich lange Zeit. Was waren rückblickend die schönsten oder beeindruckendsten Erlebnisse in und mit der MLF?
Friedhelm Dornseifer: Die Tagungen, die wir selbst als Unternehmen ausgerichtet haben und unsere Auslandsreisen mit der ganzen Gruppe.
one: Was zeichnet die MLF aus?
Dornseifer: Die Kultur des vertrauensvollen Umgangs miteinander ist einzigartig. Wir tauschen uns aus, und wir reden offen. Das ist entscheidend, um voneinander lernen zu können.
Stefan Lenk: Auf den MLF-Tagungen erzählen Händler auch mal, wenn etwas nicht funktioniert. Außerdem bilden sich Freundschaften weit über die Tagungen hinaus, oft entsteht sogar eine familiäre Verbundenheit.
one: Herr Dornseifer, woher haben Sie über die lange Zeit die Motivation und Energie genommen? Immerhin führten Sie ja ein großes mittelständisches Unternehmen.
Dornseifer: In all den Jahren sind viele Freundschaften entstanden, nicht nur auf den Tagungen, sondern weit darüber hinaus, bis hin zu gemeinsamen Urlauben. Das Miteinander war für mich der größte Erfolg.
one: Herr Lenk, haben Sie lange überlegen müssen, ob Sie die Nachfolge antreten möchten?
Lenk: Nein. Um es mit Peter Struck (ehemaliger SPD-Verteidigungsminister, d. Red.) zu sagen: Ich bin an dieser Stelle Parteisoldat. Wenn ich gebraucht werde, stehe ich zur Verfügung. Ich habe diese Aufgabe gerne übernommen – als Teil eines gut funktionierenden, etablierten Teams.
one: Was nehmen Sie von Ihrem Vorgänger mit?
Lenk: Bescheidenheit und die Eigenschaft, sich nicht zu wichtig zu nehmen. Der Teamgedanke und das fokussierte Arbeiten miteinander auf ein Ziel hin, das zeichnet Friedhelm Dornseifer aus. In den 30 Jahren ist die Mitgliederzahl genauso angestiegen wie die Qualität der Tagungen. Friedhelm Dornseifer hatte ein gutes Händchen bei der Personalauswahl. Viele Mitglieder haben sich an ihm orientiert, an seiner tollen Nachfolgeregelung im Unternehmen und der Wertschöpfung. Er hat Sachen ausprobiert, die sich andere nicht getraut haben.
Friedhelm Dornseifer Friedhelm Dornseifer, 76, gründete 1965 in Wenden (Sauerland) das gleichnamige Familienunternehmen. Aus anfänglich zwei Läden mit 17 und 20 Quadratmetern Verkaufsfläche wurden 18 Frischemärkte. Die SB-Spezialitäten aus den eigenen Produktionsbetrieben werden weit über die Region hinaus im LEH verkauft. Insgesamt beschäftigt das Unternehmen 1.200 Mitarbeitende. Bereits im Jahr 2010 hat Friedhelm Dornseifer die Firma auf seine beiden Söhne Peter und Jörg übertragen. Ausgleich findet der umtriebige Unternehmer in seinen Hobbies: Australian-Shepherd-Hündin Ivy, seinen Schafen, dem Skifahren, Wanderungen auf Irland und bei den Spielen seines Eff-Zeh (1. FC Köln).
Stefan Lenk I Foto: Reinhard Rosendahl Stefan Lenk, 61, führt gemeinsam mit seiner Frau Claudia und den Söhnen Moritz, Fabian und Philipp neun REWE-Märkte mit 530 Mitarbeiter:innen in Bochum. Der Firmenchef setzt klare Prioritäten: „Erst die Familie, dann die Firma, dann die REWE und der MLF.“ Entspannung findet Stefan Lenk auf seiner Lieblingsinsel Sylt und beim Spaziergang mit dem Hund, körperliche Herausforderungen sucht er beim Radfahren, und die volle Ablenkung genießt er bei den Partien seines VfL (Bochum).
one: Herr Lenk, verraten Sie uns Ihre Agenda?
Lenk: Friedhelm Dornseifer hat die MLF über 30 Jahre überzeugend geführt und weiterentwickelt. Mir geht es darum, das fortzusetzen. Mein Credo ist dabei das Team. Ich werde versuchen, immer wieder neue Impulse zu finden, gerade für die Zukunftsthemen, die wir jetzt noch gar nicht kennen – immer in Abstimmung mit den Kolleg:innen aus dem Beirat.
one: Worin sehen Sie aktuell die größte Herausforderung für die selbstständigen Händler:innen?
Lenk: Mitarbeitende sind ein Riesenthema. Wir müssen Leute wieder für den Ausbildungsberuf begeistern. Wir müssen anständige Arbeitsbedingungen und eine anständige Dotierung schaffen, um im Wettbewerb zu bestehen. Auf der Kostenseite warten gewaltige Herausforderungen. Und schließlich stellt das sich ändernde Kund:innenverhalten hin zur Preisfokussierung eine weitere Aufgabe dar.
one: Herr Dornseifer, auch Ihnen war die Förderung und Qualifizierung des Branchennachwuchses stets ein Herzensanliegen gewesen.
Dornseifer: Seit Mitte der 1990er Jahre gibt es die MLF-Juniorengruppe, in der sich aktuell 40 junge Menschen austauschen. Außerdem ist die MLF am Food-Hotel Neuwied beteiligt. Der Bundesverband des Lebensmittelhandels, dem ich seit mehr als zehn Jahren als Präsident vorstehen darf, ist wiederum an der Food-Akademie beteiligt. Derzeit schulen wir bundesweit über 2.000 Studierende. Ich selbst habe diese Kaderschmiede 1964 durchlaufen.
one: Würden Sie heute jungen Menschen empfehlen, eine Ausbildung im LEH zu machen?
Dornseifer: Ja, davon bin ich tief überzeugt. Wäre ich sonst nicht der Falsche an der Spitze des MLF oder im eigenen Unternehmen gewesen?
(*in Teilen aus den Fachmedien Lebensmittelpraxis und Lebensmittelzeitung zitiert)
Dem 1959 gegründeten Verein Mittelständische Lebensmittel-Filialbetriebe e.V. (MLF) gehören aktuell 111 selbstständige Kaufleute und 53 Industriepartner an. Mit ihren mehr als 1.000 Märkten erwirtschaften die Händler einen Umsatz von sechs Milliarden Euro. Feste Tradition ist die zweimal jährlich stattfindende Arbeitstagung mit hochkarätigen Referent:innen und der Besichtigung der ausrichtenden Märkte. Berühmt-berüchtigt ist die anschließende, schonungslose, aber meist sehr fruchtbare Manöverkritik, der sich die gestandenen Kaufleute stellen.