Seit dem 1. Januar ist Stephan Koof Geschäftsführer aller Immobilien-Gesellschaften der REWE Group in Deutschland. Im one_Interview erklärt er, warum kaufen manchmal besser als mieten ist, warum Bauprojekte mit Wohnungen über Supermärkten eher Mittel zum Zweck als Expansionsstrategie sind – und warum sein Herz für die Entwicklung von Supermärkten in historischen Gemäuern schlägt.
Stephan Koof, Geschäftsführer Immobilien der REWE Group
one: Herr Koof, Sie sind seit fast drei Jahrzehnten im Expansions- und Immobiliengeschäft. Was ist so reizvoll daran?
Stephan Koof: Zum einen ist der Aufgabenbereich wie kaum in einem anderem Geschäftsfeld extrem breit gefächert. Zum anderen finde ich es schön, dass ich die Ergebnisse meiner Arbeit später auch physisch sehen kann. Und das kontinuierlich. Seit ich für die Expansion verantwortlich bin sind weit über 1.000 neue REWE- und PENNY-Märkte in Deutschland entstanden. 150 neue Märkte gehen allein in diesem Jahr an den Start, dazu kommen knapp hundert Erweiterungen und zahlreiche weitere Umbauten. Es macht schon zufrieden, wenn man sieht, wie sich das Vertriebsnetz in dieser Zeit entwickelt hat – und dass ich daran maßgeblich beteiligt sein durfte.
one: Mieten oder kaufen – wo geht die Reise für die REWE Group-Immobilien hin?
Stephan Koof: Das Mietmodell wird weiterhin der wichtigste Baustein unserer Expansion sein. Dennoch wollen wir den Kauf von bestehenden Märkten und auch von Grundstücken für neue REWE- und PENNY-Märkte aus drei Gründen forcieren: Wir können so gute Standorte langfristig absichern, wir sind bei Umbauten oder Erweiterungen flexibler und nicht zuletzt ist das wirtschaftlich für uns in der Regel attraktiver.
one: Warum steigt die REWE Group angesichts dieser Vorteile dann nicht komplett auf Eigentum um?
Stephan Koof: Eigentumsstandorte zu entwickeln ist wesentlich aufwändiger als beim Mietmodell, wo die Arbeit ein Projektentwickler des Investors übernimmt. Deutschland hat zudem das dichteste LEH-Netz in Europa mit einem dementsprechend harten Wettbewerb um gute neue Standorte. Um alle Standorte selbst zu entwickeln, bräuchten wir ein Vielfaches an Mitarbeitern, denn man muss überall vor Ort verdrahtet sein, um neue Grundstücke und Objekte zu gewinnen. Daher arbeiten wir mit zahlreichen Entwicklern in Partnerschaft zusammen, um neben unseren Eigenentwicklungen auch möglichst viele gute Mietstandorte realisieren zu können.
one: Wenn in Deutschland gefühlt an jeder Ecke ein Supermarkt oder Discounter steht: Können wir denn überhaupt noch expandieren?
Stephan Koof: Auch wenn wir in allen Regionen erfolgreich expandieren: Es gibt im Grunde keine weißen Flecken mehr. Das heißt, Expansion funktioniert im Grunde nur noch über Verdrängung. Dabei haben wir den Vorteil, dass wir mit REWE und PENNY über starke Vertriebskonzepte verfügen, die bei den Entwicklern und Investoren einen guten Ruf haben. Wir können hier die volle Bandbreite anbieten, vom Discount bis zum Vollsortiment. Es gibt im deutschen Lebensmittelhandel keinen anderen, der alle Flächengrößen von 500 bis 5.000 Quadratmetern Verkaufsfläche anbieten kann. Weiterhin haben wir uns als genossenschaftliches Unternehmen über die Jahrzehnte das Image aufgebaut, ein nachhaltig starker und zuverlässiger Partner zu sein: Unser Wort zählt.
one: Und welche unserer Formate und Flächen funktionieren momentan am besten?
Stephan Koof: Bei PENNY peilen wir mindestens 800 Quadratmeter Verkaufsfläche an, damit das Markthallenkonzept voll zur Geltung kommen kann. Bei REWE fokussieren wir uns klar auf die mittelgroße Supermarktfläche…
REWE-Markt der Familie Kruk in Hünxe
… one: Deshalb haben wir uns beim Verkauf der Real-Standorte so zurückgehalten?
Stephan Koof: Ja, wir sehen für uns in diesen riesigen, oft weit über 10.000 Quadratmeter großen, SB-Warenhausflächen konzeptionell nicht die Zukunft. Und wenn dazu noch Flächen kommen, die nach dem Kauf weitervermietet werden müssen, ist das eine zusätzliche Herausforderung. Gerade jetzt, da etwa viele Textilhändler als potenzielle Mieter ums Überleben kämpfen. An den meisten Standorten herrscht nach unserem Eindruck darüber hinaus ein Investitionsstau, das ist alles mit einem großen Risiko behaftet. Dennoch führen auch wir Gespräche über einzelne Real-Flächen, die für uns geeignet erscheinen.
one: Aber unterm Strich ist das Konzept „großer Komplex auf grüner Wiese“ nicht unseres?
Stephan Koof: Wir sind seit rund 15 Jahren strategisch auf die hochverdichteten Gebiete ausgerichtet und gehörten zu den ersten, die mit kleineren Flächen gerade in Großstädten expandiert haben – und das mit nachhaltig gutem Erfolg. In absoluten Zahlen expandieren wir nicht mehr ganz so stark – die Zeiten sind vorbei. Wir stellen definitiv Qualität vor Quantität.
one: Angesichts großstädtischer Enge wurde vielfach das „Mixed Use“-Konzept diskutiert, also Wohnen und Einkaufen in einem Bauprojekt. Ist das auch für die REWE Group ein Trendthema?
Stephan Koof: Im Grunde ist das nichts Neues – schon die ersten REWE-Märkte 1927 befanden sich zum Teil in mehrgeschossigen Häusern. Und schauen Sie sich unsere Stadtmärkte an, die es auch bereits seit vielen Jahrzehnten gibt: Die haben sich schon eh und je unter Wohnungen befunden. Zudem haben wir bereits etliche Mixed-Use-Objekte selbst oder mitentwickelt. Für uns ist das ganz normales Tagesgeschäft und auch zu einem gewissen Grad Mittel zum Zweck: Aufgrund der gestiegenen Grundstückspreise können Sie an vielen Standorten einen LEH-Markt wirtschaftlich nicht darstellen, ohne in die Mehrgeschossigkeit zu gehen und etwa auch Wohnraum über dem Markt zu bauen. Auch wenn das natürlich viele Herausforderungen mit sich bringt, von der Anlieferung bis zu den von den Kunden ungeliebten Tiefgaragen.
Wohnbebauung über dem PENNY-Markt in der Dasselstrasse im Zentrum von Köln
one: Wie steht es mit der Expansion bei PENNY?
Stephan Koof: Es gibt am Markt mit Aldi und Lidl zwei sehr starke Discounter. Die Herausforderung ist, in diesem sehr harten Wettbewerbsumfeld die Lücken zu finden, in denen wir die Stärken des PENNY-Konzeptes ausspielen können. Das funktioniert zum Beispiel in den Nachbarschaftslagen, die PENNY sehr gut bespielt. Es gibt aber auch in ländlichen Gegenden immer wieder Standorte, die PENNY sehr erfolgreich betreibt. In Summe kommt uns auch hier die Stärke unserer Gruppe wieder zugute: Manchmal macht es Sinn, eine kleinere REWE-Fläche in einen PENNY-Markt umzuwandeln. So können wir unser Bestandsnetz optimieren und alle Potenziale nutzen.
one: Sie sprachen das Kiezkonzept von PENNY an: Positionieren sich Einkaufsstätten mehr und mehr als Nachbarschaftstreff?
Stephan Koof: Ja, der Lebensmittelmarkt entwickelt sich zunehmend zur nachbarlichen Begegnungsstätte. Für den Kunden sind bei der Wahl seiner Einkaufsstätte zwar in erster Linie Preis und Auswahl entscheidend, aber ganz wichtig sind eben auch Nähe und damit schnelle Erreichbarkeit. Bevor wir einen neuen Markt bauen, können wir mit unseren Analysen sehr genau voraussagen, ob er an einem bestimmten Standort funktionieren wird oder nicht. Das ist ein Zusammenspiel zahlreicher Parameter: Wie viele Menschen leben dort, wie hoch ist die Kaufkraft, welche Wettbewerber sind mit wie viel Verkaufsfläche und in welcher Qualität in der Umgebung…?
one: Und welche Expansionsideen haben in den vergangenen Jahren trotzdem nicht funktioniert?
Stephan Koof: Standorte mit hohem Bezug zu Lauffrequenzen wie beispielsweise in Einkaufszentren, Passagen oder Fußgängerzonen haben nicht immer so funktioniert wie wir uns das vorgestellt haben. Mittlerweile wissen wir aber relativ genau, wann da etwas geht oder nicht. Fehler gehören einfach dazu. Manchmal muss man etwas ausprobieren, um sich weiter entwickeln zu können. Fehler bringen einen bekanntermaßen manchmal weiter als Erfolge. Man muss sie nur früh genug aufdecken und die richtigen Lehren daraus ziehen. Das haben wir als Unternehmen in den vergangenen Jahren gut gemacht, sonst wären wir nicht da, wo wir heute sind.
PENNY-Markt am Ostbahnhof in Berlin
one: Stichwort Fußgängerzonen, die ja momentan Lockdown-bedingt verwaist sind: Inwieweit wird Corona Ihre Expansionsplanungen beeinflussen?
Stephan Koof: Niemand kann mit Gewissheit voraussagen, was passiert. Es gab aber auch schon vor Corona den Trend hin zu Kiezen und Stadtteilen. Das verstärkt sich jetzt. Vielleicht ist Corona eine Chance für die Innenstädte, wieder mehr Vielfalt zu bieten: eine Mischung aus Geschäften, Wohnen und Arbeiten, vielleicht auch wieder Lebensmittelmärkte – wenn die Mieten langfristig sinken.
one: Welche Rolle spielen die Gebäude selbst, etwa die Green Buildings bei REWE?
Stephan Koof: Es hat sich herumgesprochen, dass wir zu den ersten gehörten, die in Serie im Green-Building-Standard gebaut haben. Da sind wir nach wie vor führend. Für die Kommunen ist das ein gewichtiges Pfund für die nachhaltige Stadtplanung. Aber auch für Investoren ist das nach etwas Anlaufzeit immer interessanter geworden. Die Marktpreise für Green Buildings sind mittlerweile höher als bei konventionell errichteten Objekten.
one: Apropos Green Buildings: Etliche besondere Konzepte sich ausgezeichnet worden, welche Bedeutung haben Branchenpreise?
Stephan Koof: Das zahlt auf unser Image ein: Wir zeigen der Immobilienwelt und den Kommunen öffentlichkeitswirksam, welche Konzepte wir umsetzen können. Denn das zeichnet die REWE Group aus: dass wir uns architektonisch in alle Richtungen bewegen können, von hochmodern bis zu denkmalgeschützten Jahrhundertbauten. So standen wir mit REWE und PENNY bei Branchenpreisen wie dem „Store of the year“ oder dem „Fachmarktstar“ schon oft auf dem Treppchen – auch ganz oben. Gewonnen haben wir etwa erst vor kurzem mit dem REWE-Markt in der ehemaligen Baumwollspinnerei in Flöha für die beste Sanierung eines Altbaus.
Store of the year 2019: Der REWE-Markt in den Zeisehallen in Hamburg
one: Was reizt Sie an denkmalgeschützten Projekten?
Stephan Koof: Für mich ist immer alles interessant, was nicht Standard ist und sich aus dem Alltag heraushebt. So auch bei den Immobilien: Solche Projekte sind eine besondere Herausforderung, weil vieles erst bei der Umsetzung zu Tage tritt. Da muss man nicht nur bei der Planung kreativ sein, sondern auch noch während der Bauphase. Die Kunst liegt darin, den richtigen Spagat hinzubekommen in der Kombination eines modernen Einkaufserlebnisses mit der Geschichte des Ortes. Ein Beispiel: In unserem REWE-Markt in den Zeisehallen in Hamburg haben wir während der Bauphase im Boden die alte Gussform der Schiffsschrauben entdeckt. Wenn Sie heute durch den Markt schreiten, können Sie darüber laufen, denn wir haben eine große Glasplatte in den Fußboden eingelassen, durch die diese Gussform beim Einkauf zu sehen ist. Geschichte bewahren zu können, so wie bei dieser alten Fabrik, finde ich großartig und immer wieder faszinierend.
Gleich zu Beginn seines fast 30jährigen Berufslebens entdeckte der dual studierte Wirtschaftswissenschaftler und Trainee im Handel seine Leidenschaft für Immobilien. Folgerichtig stieg er bei einem Immobilienmakler ein – und wunderte sich schnell, warum auf seine Standortangebote von den großen Lebensmittelhändlern oft Absagen kamen. Um das Rätsel zu lüften, bewarb er sich vor genau 25 Jahren auf ein Stellenangebot als Standortanalytiker bei REWE. Ein Jahr wollte er bleiben, um mit dem erworbenen Wissen anschließend in die Immobilienbranche zurückzukehren. Stattdessen durchlief er so gut wie alle Stationen des REWE Group internen Standortentwicklungsbereichs; bis Ende vergangenen Jahres war er Leiter Expansion/ Immobilienmanagement REWE und PENNY National.
Seit dem 1. Januar 2021 wurde unter der Gesamtleitung von Stephan Koof der überwiegend für Projektentwicklung, Transaktionen und Gesellschaftssteuerung zuständige Immobilien-Bereich mit dem Bereich Expansion / kaufmännisches Immobilien und -Assetmanagement verschmolzen. Stephan Koof ist nun gleichzeitig auch Geschäftsführer aller REWE-Immobilien-Gesellschaften in Deutschland. „Mit der Neuausrichtung können wir künftig alle Schnittstellen über den gesamten Lebenszyklus eines Marktes noch enger verzahnen und alle Entscheidungen direkt aus einer Hand treffen“, erläutert Koof. „Damit werden wir insbesondere bei Immobilien-Transaktionen noch wesentlich schneller agieren können als bisher.“
1. Zielgebiets- / Netzanalyse: Am Anfang steht die Frage: An welchen Orten in Deutschland gibt es noch Potenzial für neue Märkte und wie kann das bestehende Netz optimiert werden? Dabei werden die Regionen durch Suchraum- und Potenzialanalysen sowie durch eine ABC-Kategorisierung des Filialnetzes unterstützt.
2. Standort-Akquise & Verhandlung: Die regionale Expansion sucht gezielt nach Standortoptionen, klärt die Erfolgsaussichten bzgl. Grundstücksverfügbarkeit und Baurechtschaffung und nimmt Gespräche mit allen wesentlichen Akteuren auf, die dann in konkret in ernsthafte Verhandlungen münden.
3. Standortbewertung & Genehmigung: Jedes Expansionsvorhaben, welches durch die Regionen für „machbar“ befunden wurde, wird durch die Zentrale neutral gegengeprüft und beschieden. Dabei stehen verschiedene regressionsbasierte Beurteilungstools zur Verfügung, die zur Umsatzschätzung und Bewertung der Wirtschaftlichkeit herangezogen werden.
4. Vertragsprüfung: Der mit dem Eigentümer/ Vermieter endverhandelte Vertrag wird juristisch geprüft und die wirtschaftlichen Parameter mit der Standortgenehmigung abgeglichen.
5. Gutachterliche Prüfung bei Eigenobjekten: Wenn ein Objekt gekauft oder gebaut werden soll, werden Gutachter beauftragt, um den technischen Zustand und Baurechtskonformität des Gebäudes sowie mögliche Bodenbelastungen des Grundstückes zu prüfen.
6. Abschluss Miet-/Kaufvertrag: Beim Vertragsabschluss muss u.a. auf die Absicherung des zukünftig gewünschten Baurechtes und die rechtswirksame Gestaltung des Vertragswerkes geachtet werden.
7. Projektenwicklung/Baurechtschaffung: Je nach Projekt erfolgt die Projektentwicklung/ Baurechtschaffung durch zentrale und regionale Fachabteilungen in Zusammenarbeit mit externen Dritten.
8. Gründung & Steuerung von Immobiliengesellschaften bei Eigenobjekten: Neue Standorte werden nach SGE, Investitionsvolumen und steuerlichen Aspekten in vorhandene oder neue Gesellschaften integriert und diese dann kaufmännisch ausgesteuert.
9. Untervermietung: Als Hauptmieter bei Mietstandorten und für unsere Eigenobjekte, vermietet die REWE Group auch Flächen an Untermieter, von Bäckereien bis zum großen Fachmarkt.
10. Laufende Objektverwaltung: In erster Linie umfasst dies die Verwaltung der Mietverträge und damit verbundenen Buchungen der Mieter, Korrespondenz mit Behörden, Vermietern und Dritten sowie die Erstellung von Nachträgen, Mahnungen, Reportings etc.
11. Verhinderung von Wettbewerbsansiedlungen: Um größere Umsatz- und Ergebnisabschmelzungen bei tangierten REWE/Penny zu verhindern, gibt es verschiedene Ansätze und Methoden, um Wettbewerbsansiedlungen zu verhindern oder zumindest zeitlich stark zu verzögern.
12. Laufendes Standortcontrolling: Hat sich ein Markt wie erwartet entwickelt? Welche Gründe gibt es für eine abweichende Entwicklung? Parameter wie zum Beispiel die Umsatzentwicklung werden vom Immobilienbereich ständig überprüft.
13. Verhandlung von Vertragsverlängerungen: Bei auslaufenden Mietverträgen werden früh- und ggf. auch vorzeitig neue Laufzeiten und Konditionen verhandelt sowie auch Baukostenzuschüsse bei geplanten baulichen Veränderungen. Bei Großvermietern werden teilweise auch zentrale Verhandlungen für abgestimmte Portfolien geführt.
14. Standortoptimierung: Bestehende Standorte werden von den Immobilienexpertinnen und -experten ständig bewertet und wenn möglich Optimierungen wie z.B. ein Großumbau, eine Erweiterung, ein Abriss/ Neubau oder eine Verlagerung eingeleitet.
Sehr interessanter Artikel. In Hamburg (Hammerbrook und Hafencity) war die REWE-Expansion leider nicht mutig genug. Diese Zukunftsstandorte hat Edeka (Hammerbrook) bzw. Edeka und Aldi (Hafencity) besetzt...