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Ausbildung statt Studium
Vom Hörsaal hinter die Fleischtheke
von Maik Mosheim

Von der Uni in den Supermarkt – das kennen viele Studierende von ihren Nebenjobs. Dass aus einem Nebenjob eine feste Ausbildung entsteht kommt ebenfalls vor. Celina Baers Weg ist dennoch ungewöhnlich. Die 23-Jährige hat ihr Lehramts-Studium abgebrochen und eine Ausbildung zur Fleischerin bei REWE begonnen. Mit one hat sie über ihre Entscheidung für die Fleischerei und gegen das Studium gesprochen.

Als Celina Baer vor fünf Jahren ihr Lehramts-Studium an der Universität zu Köln mit der Fächerkombination Spanisch und Geschichte begann, rechnete sie damit, heute Kindern und Jugendlichen den Zweiten Weltkrieg oder die spanische Grammatik näherzubringen. Was sie damals noch nicht wissen konnte: Fünf Jahre später steht sie nicht hinter einem Pult einem Klassenzimmer, sondern als angehende Fleischerin hinter einer gläsernen Theke im REWE Center in Köln-Weidenpesch.

(v.l.) Fleischermeister Tobias Eischeid mit seinen Azubis Celina Baer und Till Gröning. Im August 2017 traf Celina Baer die endgültige Entscheidung, ihr Studium abzubrechen – und das nach drei Jahren mit dem Bachelor in Sichtweite. Im darauffolgenden September fing sie dann ihre Ausbildung zur Fleischerin bei REWE an. Ein ungewöhnlicher Weg, der sich während ihrer Studienzeit immer klarer vor ihren Augen auftat. „Ich habe schon neben dem Studium als Aushilfe bei REWE gearbeitet“, erzählt die 23-Jährige aus Hürth bei Köln gegenüber one. Zunächst auf 450 Euro-Basis an der Kasse und im Markt, doch als ihr Marktleiter Personalmangel hatte, wollte er sie überreden, für eine Woche in der Fisch- und Käse-Abteilung auszuhelfen. „Von dem Gedanken war ich am Anfang überhaupt nicht angetan, ich konnte mir das gar nicht vorstellen“, sagt sie rückblickend. Der Marktleiter, damals noch im REWE Center in Brühl, ließ jedoch nicht locker und konnte sie am Ende von dem Abstecher in die Fisch- und Käse-Abteilung überzeugen.

„Hast du nicht mal darüber gedacht, eine Ausbildung zur Fleischerin zu machen?“

Aus einer Woche wurden einige Wochen und Baer lernte mit der Zeit dann auch die Fleisch- und Wurstabteilung kennen – und, wie sich herausstellen sollte, auch lieben. Je mehr Stunden sie in der Abteilung verbrachte, desto bewusster wurde ihr, dass es ihr mehr Freude bereitet, Rollbraten zu knüpfen, Wurst zu schneiden und eine Theke zu bestücken, als die Lehramts-Veranstaltungen an der Uni zu besuchen. Das blieb auch ihrem Marktleiter nicht verborgen. „Irgendwann kam er zu mir und meinte: Celina, hast du nicht mal darüber nachgedacht, eine Ausbildung zur Fleischerin zu machen? Das könnte total dein Ding sein“, erzählt Baer lachend. „Ich habe das zuerst ein wenig belächelt, doch irgendwann habe ich gemerkt, dass er recht hat.“ Gegenwind habe sie allerdings vor allem aus ihrem engsten Kreis zu spüren bekommen, sagt sie. „Bei meiner Familie und meinen Freunden das Bewusstsein zu wecken, dass eine Ausbildung im Vergleich zum Studium kein Abstieg sein muss, hat gedauert.“ Heute spüre sie die volle Unterstützung für ihren Berufsweg.

Im Sommer nächsten Jahres ist Celina Baer ausgebildete Fleischerin. Bei REWE zu bleiben, kann sie sich gut vorstellen. „Mein Job hier ist unglaublich vielseitig“, berichtet sie, „dass ich so lange als Aushilfe hier gearbeitet habe, hilft mir etwa im Kundenkontakt enorm.“ Was sie an ihrem Beruf stört, sind die weitverbreiteten Vorurteile, die über den Metzger oder die Metzgerin kursieren. „Viele denken dann immer an den großen, bärtigen Mann mit fettiger Schürze und Fleischerbeil in der Hand“, sagt sie. Auch in ihrem Jahrgang bestehe der überwiegende Teil der Auszubildenden aus Männern, ein paar Frauen seien aber auch darunter. „Wenn ich jemandem erzähle, dass ich Fleischerin werde, kriege ich oft zu hören, dass ich überhaupt nicht aussehen würde wie eine Fleischerin“, sagt Baer. An solchen Aussagen störe sie sich dann schon, schließlich gebe es keinen Prototyp Fleischerin. 

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„Wir bekamen immer nur gesagt: Ihr macht Abitur, ihr geht dann studieren.“

Das größere Problem sehe sie jedoch in der immer weiter abnehmenden Zahl an neuen Auszubildenden und dem kontinuierlich sinkenden Interesse an dem Beruf des Fleischers. „Fleischer werden heutzutage massenhaft gesucht, niemand mit einer fertigen Ausbildung muss fürchten, keinen Job zu bekommen“, betont sie. Doch gerade für solch handwerkliche Berufe werde in den Schulen, vor allem in den Gymnasien, kein Bewusstsein geweckt. „Wir bekamen immer nur gesagt: Ihr macht Abitur, ihr geht dann studieren.“ Dass das Handwerk ebenfalls attraktive Aus- und Fortbildungsmöglichkeiten bietet wie beispielsweise das triale Studium, bei dem man innerhalb von vier Jahren seinen Gesellen, seinen Meister und einen Bachelor erwirbt, werde den Jugendlichen viel zu wenig vermittelt, findet Baer.

Unter keinen Umständen würde sie das Fleischerbeil wieder gegen den Holzstuhl im Vorlesungssaal eintauschen, davon ist sie überzeugt. Die drei Jahre Studium sehe sie heute eher als verschwendete Zeit, auch wenn sie sich vor ihrer Umorientierung intensive Gedanken gemacht habe, ob sie ihr Studium wirklich abbrechen sollte. „Ich würde heute nicht mehr so lange darüber nachdenken, sondern es einfach machen“, erzählt sie, „aber das sage ich jetzt natürlich auch aus der Erfahrung heraus.“ Unentschlossenen Schülern und unglücklichen Studenten rät sie, eine handwerkliche Ausbildung nicht per se auszuschließen, nur weil der Wert einer solchen Ausbildung in der Schullaufbahn oft nicht vermittelt wurde. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen würde, aber für mich ist die Fleischerei das perfekte Berufsfeld“, sagt sie lachend.

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