In drei Filialen testet Billa Merkur Österreich derzeit eine Innovation im Backshop. Das Ziel des „Smart-Shelf": Der Verschwendung von Lebensmitteln entgegenwirken und gleichzeitig den Kunden eine stete Warenverfügbarkeit gewährleisten. Hat das intelligente Regal das Potenzial zum Rollout?
Es sieht aus wie ein herkömmliches Selbstbedienungsregal im Backshop, doch das Smart Shelf verfügt über besondere innere Werte: Mit Hilfe einer neuen digitalen Lösung leitet es die Nachproduktion von Semmeln, Brezeln und Co. je nach Bedarf automatisch ein.
©BILLA MERKUR Österreich / Christian Dusek
Ein punktgenaues Wiegesystem erkennt automatisch, wann welches Gebäckstück aus dem Regal entnommen wurde und sendet diese Information an den angebundenen, ebenfalls automatisierten Backofen, der daraufhin den backfrischen Nachschub liefert. Durch diese permanente digitale Bestandsaufnahme wird nicht nur garantiert, dass die Kunden stets frische Backwaren vorfinden, es werden auch die Mitarbeiter im Backshop, die bisher für die Bestandskontrolle verantwortlich waren, entlastet.
Backwaren produzieren, wenn sie benötigt werden
Hat das intelligente Regalsystem einmal genügend Daten gesammelt, wird die Gebäckproduktion an Wochentage, Uhrzeiten und sogar an das Wetter angepasst – denn die Nachfrage nach frischen Backwaren variiert je nach Tagesverlauf. Somit vermeidet man, dass zu viel davon hergestellt wird. Darüber hinaus verfügt das Smart-Shelf auch über eine dynamische automatisierte Preisanpassungsfunktion. Sollte gegen Ende der Öffnungszeiten doch noch eine große Menge einer bestimmten Backware übrig sein, könnte das System automatisch den Preis reduzieren, was mehr Kunden zugreifen ließe.
Das Einkaufserlebnis verbessern
„Mit der Umstellung auf die Smart-Shelf-Lösung leistet Merkur einen weiteren Beitrag gegen die Überproduktion von Lebensmitteln und übernimmt in Bezug auf digitale Neuerungen in der Lebensmittelbranche erneut die Vorreiterrolle. Wir sind damit absolut am Puls der Zeit und freuen uns, wenn wir durch moderne Lösungen das tägliche Einkaufserlebnis unserer Kundinnen und Kunden weiter verbessern können. Gleichzeitig sind wir durch das Wissen, wann welches Gebäck besonders gefragt ist, in der Lage, unseren Kundinnen und Kunden stets ihr frisches Wunschgebäck zur Verfügung zu stellen“, erklärt Harald Mießner, Vorstand Vertrieb bei Billa Merkur Österreich. Entwickelt wurde das „Smart-Shelf“-System von der deutschen Bizerba SE & Co. KG, Weltmarktführer im Bereich der Wäge-, Schneide- und Auszeichnungstechnologie.
Wie ist die Idee zu dem intelligenten Backregal entstanden und verfügt es über das Potenzial zum Rollout? one sprach mit Linda Winkler, Mitarbeiterin Marktprozesse und Projektmanagement Billa Merkur Österreich.
Linda Winkler
one: Wie ist die Idee zum Smart-Shelf entstanden?
Linda Winkler: Auf einer internationalen Messe wurde ein Prototyp präsentiert - ein Selbstbedienungsregal mit Backshop Artikeln und ein Bildschirm mit der Smart-Applikation. Wenn ein Artikel aus dem Regal entnommen wird, erfassen die Wiegezellen die Produktentnahme elektronisch und kommuniziert dies an die Applikation/Software. Fast zeitgleich wurde die Entnahme am Bildschirm angezeigt. Im Hintergrund wird die Bestandsveränderung bei der Entnahme eines Artikels im entsprechenden Fach erkannt, gesammelt und für weitere Berechnungen zur Verfügung gestellt. Digitalisierung ist ein wichtiger Grundbaustein im Lebensmittelhandel. Der Ausblick auf eine datenbasierte Produktionsplanung, sowie das Nutzen von Schnittstellen zu weiteren Geräten und Systemen haben unser Interesse geweckt. Nach einigen Abstimmungen mit Bizerba kam es dann zur Kooperation und Testung in drei Merkur Märkten. Um bei einem möglichen Rollout die Regale nur umrüsten und nicht neu kaufen zu müssen, haben wir uns für eine Erweiterung des bestehenden Backshop-Regals entschieden.
one: Sie testen das Smart-Shelf seit Sommer 2020 in drei Merkur Märkten. Wie sind die ersten Erfahrungen damit?
Linda Winkler: Die Umsetzung von Theorie in die Praxis eines laufenden Betriebs stellt einen immer vor Herausforderungen. Die Umrüstungs- und Vorbereitungsarbeiten konnten wir bereits abschließen. Zurzeit befinden wir uns noch in der Entwicklungs- und Programmierungsphase der Applikation. Die Bestandsüberwachung bzw. die Berechnungen auf Artikelbasis bereiten uns noch einige Schwierigkeiten, zum Beispiel bei Gewichtsschwankungen, Doppelbelegungen. Zum Abschluss der Programmierphase fehlt uns noch die individuelle Einstellung des Frühwarnsystems. Hier arbeiten wir mit Wochentags- und Uhrzeiteinstellungen und den Erfahrungen der Mitarbeiter (wie viele Artikel sollen wann vorhanden sein?). Gemeinsam mit Bizerba konnten bereits Lösungen erarbeitet werden. Der nächste große Schritt ist die Implementierung in die Marktprozesse und die Anbindung an weitere Geräte und Systeme, wie. z.B. Headsets oder das Warenwirtschaftssystem.
one: Wie wird das Smart-Shelf von den Kunden und Mitarbeitern aufgenommen?
Linda Winkler: Die Applikation ist für den Kunden gänzlich unsichtbar. Von vorne, also aus Kundensicht, sieht das Regal wie jedes unserer Backshop-SB-Regale aus.
Die Mitarbeiter sind sehr neugierig. Bis jetzt wurden die Mengenentscheidungen zur Produktion und zum Nachlegen von den Mitarbeitern Vorort getroffen. Hierzu mussten Erfahrungswerte und Schätzungen herangezogen werden. Das Smart-Shelf wird die Mitarbeiter mit den gesammelten Daten zukünftig unterstützen. Die Applikation wird hierzu je nach Tageszeit einen Back-/Einlegevorschlag anzeigen und somit Ausverkaufssituationen vermeiden können.
one: Wie groß schätzen Sie das Potenzial des Smart-Shelf zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung ein?
Linda Winkler: Jeder Markt, der hohe Abschriften verzeichnet, hätte großes Potenzial. Wie groß dieses genau sein wird, lässt sich jedoch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht beziffern, da die Berechnungen noch ausstehen.
one: Sehen sie das Potenzial, das Smart-Shelf bei Billa und Merkur auszurollen?
Linda Winkler: Ja, das Smart-Shelf sorgt nicht nur für die Reduktion von Lebensmittelabfällen, sondern auch für eine Verbesserung der Warenverfügbarkeit, Personaleinsatzplanung oder Produktionssteuerung. Ziel des Smart Shelfs ist der optimale Einsatz von Ressourcen jeglicher Art. Aus meiner Sicht hat das Smart Shelf das Potenzial, Kennzahlen und Prozesse positiv zu beeinflussen. Vorteile ergeben sich insbesondere auch in den baulich benachteiligten Märkten, wenn zum Beispiel die Bestände im Backregal für Mitarbeiter schwer ersichtlich sind oder keine Bedientheke vorhanden ist.