one: Herr Guidoccio, Frost, Trockenheit, Hagel: Aufgrund der Wetterextreme fällt die Obsternte in Deutschland und vielen anderen europäischen Ländern diesmal erheblich kleiner aus als in den vergangenen Jahren. Ein knappes Angebot bedeutet üblicherweise höhere Preise. Wie viel tiefer müssen die Verbraucher für Äpfel oder Beeren ins Portemonnaie greifen?
Eugenio Guidoccio: Die Situation ist extrem. Bei Kernobst erreicht die Ernte in diesem Jahr voraussichtlich nur etwa 60 Prozent des üblichen Niveaus. Viele Apfelanbauer haben aufgrund der Fröste im April gar Totalausfälle zu beklagen. Das bleibt üblicherweise nicht ohne Folgen für die Verbraucherpreise. Dennoch war Kernobst im August nur 1,1 Prozent teurer als im selben Monat des Vorjahres. Im weiteren Saisonverlauf ist jedoch mit deutlichen Preisaufschlägen zu rechnen. Insgesamt konnten die Verbraucher beim Obsteinkauf gegenüber August 2016 sogar 2,1 Prozent sparen, weil sich vor allem Citrusfrüchte und Bananen deutlich verbilligten.
Eugenio Guidoccio, Geschäftsleiter Ultrafrische REWE Group Buying
one: Auch der Einkauf von Gemüse ist deutlich preiswerter geworden.
Eugenio Guidoccio: Ja, das feucht-warme Klima im Sommer hat der Gemüseernte gut getan. Hier gilt: Ein großes Angebot drückt auf Preise. Kartoffeln beispielsweise waren im August 11,5 Prozent günstiger als im Sommer 2016.
one: In der Summe spüren die Verbraucher die Preiskapriolen bei Obst und Gemüse somit gar nicht?
Eugenio Guidoccio: Nein, die Verteuerung von Kernobst wird im Gesamtwarenkorb durch den Preissturz bei Gemüse mehr als ausgeglichen. Im weiteren Jahresverlauf rechne ich in der Summe mit einem Minus von etwa fünf Prozent.
one: Sprechen wir über Äpfel. Wie haben Sie es geschafft, die Märkte von REWE und PENNY trotz des knappen Angebots in ausreichendem Umfang mit Ware zu versorgen?
Eugenio Guidoccio: Nach den schweren Frösten im April, die insbesondere zu Ausfällen in den Anbaugebieten in der Bodensee-Region führten, haben wir uns frühzeitig nach anderen Bezugsquellen umgesehen. In Südtirol beispielsweise. Oder in Frankreich. Dort verfügen wir über enge Lieferbeziehungen, die wir 2017 intensiver genutzt haben als in normalen Erntejahren. Auch aus Polen haben wir verstärkt Mengen bezogen, obwohl die Apfelproduktion dort auch erheblich unter dem schlechten Wetter gelitten hat.
one: Dabei haben REWE und PENNY das Thema Obst und Gemüse in den vergangenen Jahren stark regionalisiert....
Eugenio Guidoccio: Das ist so. Aber in diesem Jahr sind die regionalen Möglichkeiten leider stark eingeschränkt. Mit Obst aus der Region können wir die Kundennachfrage möglicherweise nicht komplett decken. Es gibt dann keine Alternative, als Teilmengen von überregionalen oder internationalen Anbietern zu beziehen. 2017 war für Äpfel eben ein Ausnahmejahr. In den vergangenen 20 Jahren war die Ernte nur 2007 noch schlechter ausgefallen.
„Campina Verde und Eurogroup sind kein Selbstzweck und stehen mit vielen auch weiterhin wichtigen externen Partnern im Wettbewerb.“Eugenio Guidoccioone: Eurogroup und Campina Verde stellen sich neu auf. Ziel ist es, durch einen direkten Zugriff auf die Produktion hochwertige Ware schneller in die Märkte zu bringen und damit unabhängiger von Zwischenhändlern zu werden. Hat sich dieses Konzept in der aktuellen Erntesaison bewährt?
Eugenio Guidoccio: Absolut. Die Vorzüge unseres Ansatzes haben wir bereits im Januar erkennen können, als ein extremer Kälteeinbruch in Südeuropa den Gemüsebereich und insbesondere Salaten empfindlich zusetzte. Die Ware wurde knapp. Das bekamen vor allem Großhändler zu spüren. Sie waren die ersten, die keine Salate mehr erhielten und mussten zu hohen Preisen an den Spotmärkten zukaufen. Die Eurogroup dagegen war in Spanien stets in engem direktem Kontakt mit den Erzeugern und hat deshalb trotz des knappen Angebots ausreichende Mengen beziehen können – und damit den Märkten einen Vorteil im Wettbewerb verschafft. Campina Verde und Eurogroup sind jedoch kein Selbstzweck und stehen mit vielen auch weiterhin wichtigen externen Partnern im Wettbewerb.
one: Konkret: Was machen Eurogroup und Campina Verde heute anders?
Eugenio Guidoccio: Früher haben wir die Ware erst in dem Moment betrachtet, in dem sie bei uns an der Rampe ankam. Heute möchten wir bereits stärker auf die Produktion Einfluss nehmen und die Ware über eigene Plattformen schneller und frischer in die Märkte bringen. Das gelingt uns bereits sehr gut. Wir nutzen immer stärker die Möglichkeit, direkt beim Erzeuger Ware zu beschaffen und schalten damit den Zwischenhandel aus. Das ist ein Quantensprung – mit sehr positiven Folgen auch für das Ergebnis. Damit hat sich das Aufgabenfeld eines Einkäufers deutlich verändert. Er muss die Lieferkette vom Ursprung bis in die Märkte aktiv steuern. Das heißt, er muss sich mit Logistik, Produktion, Planung beschäftigen - statt wie früher lediglich klassische Ausschreibungen zu organisieren.
one: Ein solcher Umbau benötigt Zeit und verläuft üblicherweise nicht geräuschlos...
Eugenio Guidoccio: Sagen wir so: Wir haben ein Spannungsfeld aufgetan. Wenn man neue Bereiche entwickelt und bestehende Bereiche neu ausrichtet, entsteht kreative Unruhe. Wichtig ist, dass das Ergebnis stimmt. Wir haben in kurzer Zeit sehr viel geschafft. Von fünf geplanten Kopflägern sind bereits drei etabliert; die übrigen beiden gehen 2019 an den Start. In diesem Jahr werden Eurogroup und Campina Verde gemeinsam mehr als eine Milliarde Euro umsetzen. Das sind 300 Millionen Euro mehr als 2016 und auch deutlich mehr als wir geplant hatten.
one: Sind Eurogroup und Campina schon so weit, dass sie auf allen Märkten selber Ware beschaffen können, ohne Zwischenhändler?
Eugenio Guidoccio: Ja, wir können aus jedem Ursprungsland Obst und Gemüse über eigene Gesellschaften beziehen. Auch aus Übersee, wo wir bis vor eineinhalb Jahren als REWE Group überhaupt nicht vertreten waren. Wir hatten kein Gesicht, kein Image, weil wir das gesamte Geschäft über Importeure und Zwischenagenten abgewickelt haben. Jetzt sind wir komplett unabhängig. Das ist wichtig, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Denn der Wettbewerb bei Obst und Gemüse wird zunehmend zu einem Wettbewerb der Lieferketten. Es reicht nicht, nur in den Märkten einen guten Job zu machen. Marktanteile gewinnen zunehmend diejenigen Händler, die ihre Lieferkette am besten organisiert haben.
one: Welche Herausforderungen sind noch zu bewältigen?
Eugenio Guidoccio: Die IT-Unterstützung bleibt ein großes Thema, im nächsten Jahr und möglicherweise auch noch 2019. Weitere Herausforderungen sehe ich noch auf den Feldern Warenflussteuerung, Qualitätssicherung sowie der weiteren Digitalisierung der Abwicklung. Es gibt sicherlich noch viel zu tun und zu optimieren. Aber wir haben wichtige Grundlagen geschaffen und sind mit manchem Wettbewerber, der uns voraus war nun zumindest auf Augenhöhe. Wir sind bestens aufgestellt.
Demnächst in one: Mehr über den Strategischen Einkauf und die REWE Group Fruchtlogistik.
Beschaffungsarm für
Obst und Gemüse
1988 | Gründung der Eurogroup durch REWE und Gran Basar (Belgien) zur Beschaffung von Obst und Gemüse aus Spanien, Italien, Griechenland und weiteren Mittelmeeranrainern, Übersee nach Planung, Sitz: Scafati (Italien). |
1990 | COOP-Gruppe, Schweiz, steigt bei Eurogroup ein. |
2004 | REWE und COOP ordnen die Eigentumsverhältnisse neu. Beide Unternehmen halten nun 50 Prozent der Anteile. |
2006 | Gründung der Eurogroup Spanien mit Sitz in Valencia |
2008 | Eurogroup Italien verlegt ihren Sitz von Scafati nach Verona. |
2009 | REWE steigt mit einer Minderheitsbeteiligung bei dem andalusischen Bioproduzenten Campina Verde ein. |
2010 | Gründung der Eurogroup Deutschland GmbH mit Sitz in Langenfeld |
2016 | REWE Group übernimmt die Anteile der COOP und ist alleiniger Eigentümer der Eurogroup. |
2017 | Zum 1. Oktober übernimmt die REWE Group Campina Verde komplett. Der Gesamtumsatz wird mehr als eine Milliarde Euro erreichen. |