Beim diesjährigen Filmfestival in Cannes konkurrierten drei alte weise Meister des Kinos um die Goldene Palme, deren Filme man nicht nur sofort an ihrer Handschrift erkennt, sondern auch an der inhaltlichen Strahlkraft. Ken Loach, seit Jahrzehnten das sozialistische Gewissen des britischen Kinos, trat mit „The Old Oak“ zum 15. und vermeintlich letzten Mal an. Wim Wenders fragte mit japanisch-philosophischer Leichtigkeit in „Perfect Days“ nach der Würde des Lebens. Und Martin Scorseses episch angelegter Abschnitt eines ungewöhnlichen Teils der amerikanischen Geschichte, „Killers of the Flower Moon“, wird ab Mitte Dezember bei Apple TV+ gestreamt.
„Ich habe eine Freundin, die Hoffnung obszön nennt.“ Die junge Syrerin Yara kommt 2016 mit ihrer Familie in Nordengland an. Dort, wo einst gemeinsam in die Kohlegrube eingefahren und gegen Sozialabbau gestreikt wurde, herrschen nun Armut und Ressentiments. Sehr zum Missfallen der alteingesessenen Stammgäste wird der örtliche Pub „The Old Oak“ zum Zentrum für die Flüchtigen. Wirt TJ, selbst an Rande des Ruins, fällt die schier hoffnungslose Rolle des Vermittlers und Schlichters zu, bis ihm eine zündende Idee kommt.
Ken Loach
Mehr als 50 Jahre dreht Regisseur Ken Loach schon Filme, an die 100 Kinostunden sind dabei entstanden, aber in nicht einer Sekunde davon rutscht das Prinzip Hoffnung ins Obszöne ab. Der Glaube an eine gerechtere und solidarische Gemeinschaft beherrscht die 27 Spiel- und vier Dokumentarfilme des 1936 in Nuneaton geborenen Engländers. Mit „The Old Oak“ hat er nun wohl zum letzten Mal den Finger in die Wunden unserer Gesellschaft gelegt. Zumindest hat der 87-jährige Loach das bei der Premiere des Films in Cannes verkündet.
Filmgenre: Drama
Länge: 113 Minuten
Regie: Ken Loach
Mit: Dave Turner, Ebla Mari, Trevor Fox, Col Tait, Debbie Honeywood, Joe Armstrong
Altersfreigabe: ab 6
Verleih: Wild Bunch Germay
Start: 23.11.2023
„Auf einer Skala von 1 bis 10 für Sonderline bist du eine 9“, findet Hirayamas junger Kollege. Widersprechen kann und mag der recht schweigsame Hirayama nicht. Von außen betrachtet wirkt sein Leben als hingebungsvoller Toilettenreiniger, eifriger Leser und passionierter Fotograf floraler Schattenspiele mit Hang zu amerikanischen Rock-Klassikern vermutlich wirklich sonderbar.
Wim Wenders‘ „Perfect Days“ ist eine lupenreine Charakterstudie. So leicht, so originell, so komisch und traurig zugleich dargestellt, dass der Darsteller-Preis in Cannes zurecht an Koji Yakusho verliehen wurde.
Wim Wenders
Für ihn sind Städte nicht einfach nur Schauplätze. Wim Wenders, 1945 in Düsseldorf geboren und in Oberhausen aufgewachsen, macht sowohl in seinen Dokumentarfilmen Städte zu eigenen Charakteren, z.B. 1985 Tokio in „Tokyo-Ga“ und 1999 Havanna in „Buena Vista Social Club“. Bei einigen seiner Spielfilme sind die Handlungsorte sogar titelgebend: „Der Himmel über Berlin“ (1987), „Lisbon Story“ (1994), „Palermon Shooting“ (2008). Ohne Tokio und seine weltberühmten öffentlichen Toilettenhäuschen wäre „Perfect Days“ gar nicht möglich gewesen.
Filmgenre: Drama
Länge: 123 Minuten
Regie: Wim Wenders
Mit: Koji Yakusho, Tokio Emoto, Arisa Nakano, Aoi Yamadam Yumi Asou
Altersfreigabe: ab 6
Verleih: DCM Filmdistribution
Start: 21.12.2023
Wer es im Oktober im Kino verpasst hat, kann es im Dezember per Stream nachholen. Zumindest verspricht das Apple TV+, das Streaming Portal, das Martin Scorseses dreieinhalbstündiges Epos „Killers of the Flower Moon“ koproduziert hat. Schon bei der Premiere auf dem diesjährigen Filmfestival in Cannes schlägt der Film hohe Wellen, zum einen, weil Leonardo DiCaprio und Robert De Niro zum ersten Mal in einem abendfüllenden Spielfilm von Scorsese gemeinsam vor der Kamera standen. Vor allem aber bewegte Publikum und Presse die ungewöhnliche und leider wahre Geschichte der mysteriösen Morde an Mitgliedern des Osage-Stammes, nachdem in ihrem Reservat große Ölvorkommen gefunden wurden.
Genre: Drama
Länge: 206 Minuten
Regisseur: Martin Scorsese
Mit: Leonardo DiCaprio, Lily Gladstone, Robert De Niro, Jesse Plemons, John Lithgow
Altersfreigabe: ab 12
Stream: ab Mitte Dezember bei Apple TV+
Nachdem Milliardär Elon Musk im Oktober 2022 Twitter übernommen hatte, in der Folge Mitarbeiter ab- und Algorithmen umbaute und das Ganze auch noch „X“ nannte, war der Exodus der Nutzer nur eine Frage der Zeit. Bei Bluesky hat zumindest die erste Million der alten Twitter-Hasen ein neues Zuhause gefunden. Dass Bluesky äußerlich Twitter durchaus ähnelt, liegt daran, dass beide Microblogging-Dienste auf Ideen von Softwareentwickler Jack Dorsey fußen. Um Einlass in die von Ex-Twitterern liebevoll „Himmel“ genannte Plattform zu erhalten, braucht es derzeit allerdings noch einen Einladungscode.
Art: Microblogging-Dienst
Gründer: Jay Graber, Jack Dorsey
Erhältlich für: Apple Store, Google Play
Adresse: bsky.app