Handeln statt am Rand stehen: REWE und der NABU und machen gemeinsame Sache beim Klimaschutz. Warum dabei ausgerechnet Moore im Fokus stehen, wie REWE-Kund:innen beim Einkauf einen Beitrag leisten können und wo die Politik nun gefordert ist: ein Gespräch mit NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger.
Im Kampf gegen den Klimawandel braucht es neue Bündnisse, findet Jörg-Andreas Krüger. Der studierte Landschaftsarchitekt ist seit 2019 Präsident des Naturschutzbund Deutschland (NABU). Im Interview begründet er, warum Klimaschutz nicht ohne informierte Verbraucher:innen geht, welche Rolle der Handel dabei spielt und wieso der NABU und REWE sich gemeinsam für Moore in Deutschland einsetzen.
one: Beim Thema Klimaschutz denken die meisten Menschen an Windräder, E-Autos und vielleicht noch die Rettung der Wälder. Sie hingegen nehmen mit dem NABU-Klimafonds die Moore ins Visier. Warum?
Jörg-Andreas Krüger: Da wo es um Umwelttechnik geht, um Kraftwerke, um Heizungen, da sind wir auf der technischen Verbrauchsseite. In der Natur ist es jedoch so, dass viele Ökosysteme Kohlenstoff aus der Atmosphäre speichern, zum Beispiel in Böden, wie es bei Mooren der Fall ist. Das sind die sogenannten biogenen Senken, also natürliche Kohlenstoffsenken. Wir Menschen setzen über Verbrennungsprozesse von Öl und Kohle nicht nur viel CO2 frei, sondern haben gleichzeitig angefangen, diese natürlichen Kohlenstoffsenken und -speicher zu zerstören, die über Jahrtausende von der Natur vorgehalten wurden. Genau das ist bei den Mooren passiert.
one: In welchem Zustand sind die Moore bei uns in Deutschland momentan?
Jörg-Andreas Krüger: Wir haben in Deutschland etwa 95 Prozent der ehemaligen Moore zerstört, sprich: entwässert, um die Flächen für die Land- und Forstwirtschaft nutzbar zu machen oder um Torf abzubauen. Das kann man mancherorts sogar sehen: Niedersachsen hat beispielsweise die höchste Moordichte aller Bundesländer. Wenn man dort unterwegs ist, fährt man manchmal auf Straßen, die einen Meter höher liegen als das Land links und rechts daneben. Da hat man nicht etwa eine Straße auf dem Deich gebaut – da ist die Landschaft einen Meter abgesackt, weil der Torf verschwunden ist.
one: Welche Folgen hat das für das Klima?
Jörg-Andreas Krüger: Durch die Entwässerung werden riesige Mengen des über Jahrtausende gebundenen Kohlenstoffs innerhalb kürzester Zeit freigesetzt und in die Atmosphäre abgegeben. 6,7 Prozent der Gesamtemissionen Deutschlands kommen direkt aus den Moorböden. Das sind 53 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente, also extrem viel. Und da sagen wir als NABU: Das geht so nicht. Wir müssen einerseits CO2 sparen, aber gleichzeitig auch unsere biogenen Senken stabilisieren. Denn Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt. Und sie haben noch andere wichtige Funktionen: Moore speichern Wasser, und jeder, der in den letzten Wochen die Nachrichten verfolgt hat, weiß, wie knapp Wasser momentan in unseren Landschaften ist. Jeder Schwamm in der Landschaft, der Wasser hält und starke Niederschläge abpuffert, wird gebraucht. Nicht zuletzt sind Moore Lebensraum für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Wir müssen jetzt ran: Wenn wir es schaffen, diese Flächen wiederzuvernässen, erhält das Moor seine ursprüngliche Funktion als Kohlenstoffspeicher zurück und die Freisetzung von klimaschädlichen Gasen kann gestoppt werden.
one: Was bedeutet Wiedervernässung konkret? Machen wir die Flächen einfach wieder nass …?
Jörg-Andreas Krüger: Bei der Wiedervernässung geht es nicht darum, die Flächen unter Wasser zu setzen, sondern einen Wasserspiegel von 5 bis 15 cm unter der Oberfläche zu erreichen, auch in Sommermonaten. Jedoch sind die Moore fast alle in Nutzung und werden in der Landwirtschaft als Acker oder Grünland bewirtschaftet. Dafür sind in den letzten 200 bis 300 Jahren großflächige Entwässerungssysteme aufgebaut worden, viele landwirtschaftliche Betriebe sind beteiligt. Die müssen wir alle mitnehmen, wenn wir diese Flächen wiedervernässen wollen. Und da greift der NABU-Klimafonds.
one: Sie setzen also bei den Landwirt:innen an?
Jörg-Andreas Krüger: Genau. Wir gehen auf Landwirt:innen und Landeigentümer:innen zu, die Moorflächen besitzen und unterstützen sie – sowohl finanziell als auch fachlich – dabei, die Flächen wiederzuvernässen. Wir schauen uns individuell an, was machbar ist: Kann die Fläche renaturiert werden, also wieder zu einem lebendigen, wachsenden Moor werden? Das ist vielleicht bei 10 bis 20 Prozent der Torfböden in Deutschland der Fall. Bei den übrigen Flächen geht es darum, die landwirtschaftliche Nutzung so zu ändern, dass sie nass geschehen kann, beispielsweise eine Mutterkuhhaltung möglich ist, oder Schilf für Dämmstoffe oder Verpackungsmaterial angebaut werden können. Es geht also auch darum, neue Bewirtschaftungsmöglichkeiten und Wertschöpfungsketten zu entwickeln. Diesen Einschnitt in die Produktionsabläufe kompensieren wir durch eine Prämie. Landwirt:innen bekommen dann bis zu 65 Euro jährlich pro eingesparter Tonne CO2 pro Hektar, so dass ein tragfähiges betriebswirtschaftliches Modell entsteht, denn sie verdienen ja über die Mutterkuhhaltung mit dem Land weniger. Das gleichen wir mit dem NABU-Klimafonds aus.
„Durch die Zusammenarbeit mit REWE und dem Klimafonds sind wir zum Glück in der Lage, ein Angebot zu machen. Wir fordern nicht nur, sondern können finanziell einen Ausgleich schaffen.“Jörg-Andreas Krüger
one: Allein in Niedersachsen bewirtschaften etwa 5.000 bis 8.000 Betriebe Flächen in Moorgebieten. Haben Sie Verständnis für die Sorgen derer, deren Lebensunterhalt davon abhängt?
Jörg-Andreas Krüger: Die Sorge kann ich verstehen, ja. Daher versuchen wir, so frühzeitig und offen wie möglich in den Austausch zu gehen, denn es wird nur gemeinsam mit den Landwirt:innen gelingen. Man muss verstehen: Die Landwirt:innen wirtschaften teils seit Generationen auf Moorböden, früher ist es eine Errungenschaft gewesen, diese unwirtschaftlichen Flächen nutzbar zu machen – und jetzt kommen wir daher und sagen: War doch nicht so eine gute Idee. Da ist es völlig klar, dass wir die Menschen bei diesem Wandel mitnehmen müssen. Jeder Betrieb ist anders, deswegen sind direkte Gespräche sehr wichtig. Durch die Zusammenarbeit mit REWE und dem Klimafonds sind wir zum Glück in der Lage, ein Angebot zu machen. Wir fordern nicht nur, sondern können finanziell einen Ausgleich schaffen und gemeinsam mit Landwirt:innen überlegen, welche Wertschöpfungsmodelle sich eignen.
Gesunde Moore sind natürlicher Klimaschutz. Doch bis heute werden Moore entwässert – um die Flächen für die Landwirtschaft nutzbar zu machen oder um Torf abzubauen. Daher hat der NABU den NABU-Klimafonds ins Leben gerufen; REWE unterstützt mit mindestens 25 Millionen Euro in den kommenden fünf Jahren.
In einem ersten Projekt wird damit die Wiederbelebung von deutschen Mooren finanziert. Mit dem Kauf von REWE Bio und REWE Beste Wahl unterstützen Kund:innen automatisch den Fonds, der auch als Label auf den Produkten sichtbar wird.
one: Ist REWE beim NABU-Klimafonds reiner Geldgeber?
Jörg-Andreas Krüger: REWE unterstützt nicht nur den NABU-Klimafonds, sondern bringt durch ihre Kampagnen wie zum Beispiel aktuell mit REWE Bio, das Thema Klimaschutz auch näher an die Verbraucher:innen. Wir werden uns regelmäßig zusammensetzen und schauen, was sich im Bereich Forschung und Erprobung tut. Zum Beispiel: Gibt es aus Sicht des Handels Möglichkeiten für Verpackungsmaterial aus bestimmten Gräsern, die auf den Moorflächen angebaut werden? Es ist toll, einen Partner zu haben, der nicht nur die Renaturierung unterstützt, sondern auch einfach mal mitdenkt und Zukunftsvisionen entwirft.
one: Der NABU wird künftig mit seinem Logo auf REWE-Produkten und in der Kommunikation von REWE präsent sein. Sehen Sie darin als NGO einen Interessenskonflikt?
Jörg-Andreas Krüger: Das haben wir uns ganz genau überlegt. Aber wir können nicht immer sagen, es ist wichtig und dringend, aber wollen uns mit niemandem aus Handel und Industrie verbünden – oder nur das Geld nehmen und nicht groß darüber sprechen. Wir brauchen und wollen den Schulterschluss mit unseren Partner:innen, weil es um eine gemeinsame Sache geht. Die REWE Group und den NABU verbindet eine mehr als zehnjährige Partnerschaft und es ist klar, dass man so einen Schritt nur macht, wenn man sich gut kennt und eine Vertrauensbeziehung hat. Es gibt natürlich Organisationen, die überhaupt nicht mit der Wirtschaft zusammenarbeiten. Wir wollen aber nicht immer nur diejenigen sein, die am Rand stehen und sagen, was sich ändern müsste oder alles nicht geht. Wir wollen Teil der Lösung sein. 2030 ist quasi übermorgen, wir sehen momentan jeden Tag, was der Klimawandel für uns bedeutet. Da können wir uns keine passive Haltung leisten. Sonst wartet auf uns eine ganz andere Lebenswelt, von der wir gerade eine erste Ahnung bekommen.
„2030 ist quasi übermorgen, wir sehen momentan jeden Tag, was der Klimawandel für uns bedeutet. Da können wir uns keine passive Haltung leisten.“Jörg-Andreas Krüger
one: Stichwort 2030: Mit Landwirt:innen sprechen, neue Wertschöpfungsmodelle entwickeln – das braucht alles Zeit. Haben wir die in Anbetracht des Klimawandels?
Jörg-Andreas Krüger: Wenn wir die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreichen wollen, müssten wir in Deutschland pro Jahr 50.000 Hektar Moor renaturieren. Das ist fünfmal die Fläche von Sylt. Das kriegen wir nur hin, wenn wir Tempo machen. Ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren immer größere Schritte gehen können. Was wir dazu von der öffentlichen Hand und der Politik brauchen, ist ein Genehmigungs- und Verfahrensrecht. Denn immer, wenn wir in Wasserhaushalte eingreifen und Be- und Entwässerungssysteme ändern, zieht das wasserrechtliche Verfahren nach sich und wenn die dann mehrere Jahre dauern, ist das schlecht.
one: Wie könnte es besser gehen?
Jörg-Andreas Krüger: Wir werben als NABU stark dafür, die Renaturierung zu einem Thema öffentlichen Interesses zu erklären, das wir als Gesellschaft voranbringen wollen. Dadurch würden die Genehmigungen leichter. Auch kann die Zahl der Akteure gar nicht groß genug sein, die das Thema mit Kraft, Kontakten, Netzwerken und guten Ideen vorantreiben. Und ehrlich gesagt war es bisher nie so erfolgreich, wenn die Regierung Wertschöpfungsketten entwickeln sollte. Daher sagen wir: Es ist wichtig, dass investiert wird, aber es muss vor allem der planungsrechtliche Rahmen geschaffen werden für eine gute Moor-Renaturierung.
one: Wo wären Sie mit dem NABU-Klimafonds gern in fünf Jahren?
Jörg-Andreas Krüger: Ich würde gern sagen können: Das ist der Fonds, der bei den Mooren den Unterschied gemacht hat. Mit starken und sichtbaren Partner:innen, die Lösungswege mitentwickeln. Denn eine Partnerschaft existiert auch jenseits von Geld. Darum finde ich die Kommunikation zum Fonds so wahnsinnig wichtig, die REWE aktuell mit #umdenkbar macht. Wenn wir Ideen, Wertschöpfungsketten und eine andere Politik brauchen, ist das nur mit einer informierten Bevölkerung zu schaffen – informierten Kundinnen und Kunden. Haben wir eine Bevölkerung, die der Politik signalisiert: Wir wollen auch, dass das mit der Moor-Renaturierung schneller geht? Haben wir Kund:innen in Deutschland, die offen für alternatives Verpackungsmaterial sind? Daran arbeiten wir Hand in Hand mit REWE.
„Wenn wir Ideen, Wertschöpfungsketten und eine andere Politik brauchen, ist das nur mit einer informierten Bevölkerung zu schaffen – informierten Kundinnen und Kunden.“Jörg-Andreas Krüger
one: Die Aktivierung von möglichst vielen Menschen braucht oft ein bestimmtes Narrativ – wie beispielsweise bei Fridays for Future. Die haben es geschafft, viele junge Menschen für das Thema Klima zu mobilisieren. Glauben Sie, dass das Thema Moorschutz dafür sexy genug ist?
Jörg-Andreas Krüger: Es gibt einen Unterschied zwischen Bewegung und Implementierung. Was die Fridays geschafft haben, ist eine soziale Bewegung. Das ist extrem wichtig, was das politische Momentum und das Aufrütteln der Bevölkerung angeht. Immer wenn es um Umsetzung geht, kommen Bewegungen jedoch an ihre Grenzen und es braucht Implementierung. Und Sie haben Recht, das Thema Moor und seine Bedeutung erschließt sich nicht für jeden direkt. Darum ist es so wichtig, dafür zu werben. Jeder in Deutschland kennt die Moore. Das ist ja nicht so, als hätte man das noch nie gesehen. Es muss einem nur bewusst werden. Es wird nicht so eine Flughöhe haben wie die Fridays, die auf einem abstrakten Level unterwegs sind: Da geht es um das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels und um das Thema Generationengerechtigkeit. Uns geht es darum zu sagen: Wir informieren und wir nehmen die Leute mit. Wir gehen auf die Landwirtschaft und Grundeigentümer zu und wir bauen diese Zukunft jetzt.
one: Inflation, Krieg, die Versorgung mit Gas – für viele Menschen bedeutet die Weltlage aktuell eine große Unsicherheit. Haben Sie die Befürchtung, dass das Thema Klimaschutz ins Hintertreffen rückt?
Jörg-Andreas Krüger: Die Veränderungen, die wir jetzt gerade erleben, sind für viele Menschen herausfordernd, vielleicht auch überfordernd und beängstigend. Daher ist es wichtig, mit Dingen im vertrauten Umfeld zu beginnen, die anfassbar und verständlich sind. Mit Kommunikation am Point of Sale, mit der Möglichkeit, sich Dinge anzugucken und zu sehen, was das eigene Handeln bewirkt. Wenn wir ständig in den Medien lesen und hören: Das Ende ist nah, die Apokalypse kommt – dann aktivieren wir natürlich niemanden. Aber wenn wir das runterbrechen und zeigen, was wir wirklich tun können, angefangen bei den Fragen: Wie stabilisiere ich denn meine Landschaft? Und wie kaufe ich als Kund:in bewusst Produkte, mit denen ich zum Klimaschutz beitrage? Dann bekommen wir auch Menschen begeistert. Da bin ich optimistisch.
one: Sie sprechen davon, dass wir mehr Menschen begeistern und aktivieren müssen. Damit lädt man dem Einzelnen viel Verantwortung auf. Brauchen wir nicht stattdessen eine durchsetzungsstärkere Politik?
Jörg-Andreas Krüger: Es braucht beides. Nachhaltigkeit braucht die Wirtschaft und Verbraucher:innen als Akteure, aber die Politik muss den gesellschaftlich akzeptierten Rahmen setzen und umsetzen. Das ist in den letzten 20 Jahren zu wenig passiert. Stichwort freiwillige Selbstverpflichtungen – das führt oft nicht zum Erfolg. Nun ist aber der Problemdruck so groß und sichtbar, dass die Bereitschaft zu klaren Ansagen da ist.
one: Welche drei Schalter würden Sie persönlich politisch umlegen – für Umwelt- und Naturschutz?
Jörg-Andreas Krüger: Zum einen die Erhöhung des CO2-Preises. Das wäre sowohl leicht politisch zu beschließen als auch leicht zu implementieren. Wir brauchen mehr Transformation im Hinblick auf die Renaturierung. Das soll mit dem Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz (ANK) kommen, aber die dafür eingeplanten vier Milliarden der Regierung sind – gemessen an dem, was zu tun ist – ein kleiner Anfang. Und wir brauchen für den globalen Süden sowohl was die Ernährungssicherheit als auch die Unterstützung beim Klimaschutz angeht, ganz dringend mehr Geld und Initiativen.
one: Klimawandel ist ein globales Problem. Mit dem NABU-Klimafonds setzen Sie jedoch in Deutschland an. Was bewirken denn Klimaschutzmaßnahmen vor der eigenen Haustür?
Jörg-Andreas Krüger: Unser Handeln beeinflusst das Klima auf Landschaftsebene. Das merken Sie schon, wenn Sie mal raus aufs Land fahren und dort viel kühlere, frischere Luft atmen können. Sobald Sie sich wieder der Stadt nähern, steigt die Temperatur mit jedem Kilometer an. Ich bin zum Beispiel viel in Brandenburg unterwegs und da ist es oft acht Grad kühler als in Berlin. Da merkt man, wie Wälder, Grünachsen in der Stadt, Kaltluftschneisen oder Straßenbäume unser Lebensklima verändern können.
one: Verbraucher:innen müssen täglich eine Menge Kaufentscheidungen treffen: Wie sollen sie noch überblicken, welche Folgen das jeweils hat?
Jörg-Andreas Krüger: Man kann schon mal mit dem Spruch meiner Großmutter beginnen: So wenig wie möglich, so saisonal wie möglich, so regional wie möglich. Da ist man auf einer guten Seite. Dann brauchen wir Transparenz über die Herkunft von Produkten: Sind das Erdbeeren oder Spargel aus Chile, oder Kartoffeln aus Ägypten? Da versuchen wir über die Kommunikation der Verbände ranzugehen und würden uns seitens des Handels auch wünschen, dass es bestimmte Produkte gar nicht mehr im Angebot gibt. Das ist zu Teilen ja auch schon passiert, aber es gibt noch Luft nach oben. Oder man regelt das über den CO2-Preis – dadurch würden manche Produkte wettbewerblich unattraktiv. Preis ist ein Signal. Und jeder kann auf seinen Fleischkonsum gucken: Wir essen momentan im Durchschnitt doppelt so viel Fleisch wie von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung empfohlen. Davon müssen wir runter. Nicht nur im Sinne des Klimas, sondern auch weil wir in Deutschland und global riesige Ackerflächen für den Futteranbau nutzen. Wenn wir den Welthunger bekämpfen wollen, darf unser Essen nicht als Futter in der Massentierhaltung landen.
one: Abschließend: Was macht Ihnen Hoffnung, dass die ausgegebenen Klimaziele – also eine Begrenzung der Erderwärmung auf höchstens zwei Grad– erreichbar sind?
Jörg-Andreas Krüger: Je mehr die Folgen von dem, was da auf uns zukommt, sichtbar werden, desto entschlossener handeln Menschen. Leider sind wir schlecht darin, aus abstrakten Warnungen Handlungsweisen abzuleiten. Aber nun, wo wir Dürresommer, Fluten oder den Rückgang der Insekten tatsächlich erleben, tut sich etwas. Auch die Politik hat reagiert – klar, erstmal nur mit ersten Ansätzen, aber es bewegt sich etwas. Wir haben einfach 20 bis 30 Jahre zu lange gewartet und müssen nun unglaublich viel gleichzeitig tun. Ich wünsche mir, dass wir hinkommen zu einem „Can Do“ – erstmal anfangen, wohlwissend, dass wir vielleicht auf dem Weg nochmal nachjustieren müssen. Und da greift für mich auch der NABU-Klimafonds: Wir schauen nicht mehr zu, wir handeln.
Vor etwa 300 Jahren war Deutschland zu großen Teilen von Moor bedeckt. Rund 1,5 Millionen Hektar hat das einstige „Moorland” umfasst. Das entspricht ungefähr der Fläche Schleswig-Holsteins.
Durch Regen gespeist, sind im Nordwesten vor allem sogenannte Hochmoore entstanden. Im Osten und Nordosten waren es oftmals Niedermoore in der unmittelbaren Nähe von Seen, Senken oder Quellen. Die Moore haben insgesamt 4,2 Prozent der Fläche Deutschlands bedeckt, womit sie zahlreichen Pflanzen und Tieren einen ganz besonderen und vielfältigen Lebensraum boten.
Heute zeigt sich allerdings ein anderes Bild: 95 Prozent der natürlichen Moore wurden in den letzten Jahrhunderten zerstört. Der Mensch sie entwässert, um sie abzutorfen, forst- und landwirtschaftlich zu nutzen oder um sie zu bebauen.
Fakt ist jedoch, dass das Verschwinden der Moore einen erheblichen Einfluss auf unser Klima hat. Denn Moore bestehen zu mehr als 90 Prozent aus Wasser. Durch die Nutzung oder Bebauung wurde ihnen dieses Wasser entzogen. Es strömt Luft in den Moorkörper, was zur Zersetzung des Torfs führt. Moore sacken in sich zusammen und senken sich teils mehrere Meter ab. Der so vielfältige Lebensraum verschwindet. Doch das ist nicht alles: Riesige und jahrtausendelang gebundene Mengen an Kohlenstoff – gespeichert im Moor – werden in Verbindung mit Sauerstoff als CO2 freigesetzt und in die Atmosphäre abgegeben.