nach oben
nach oben
Professor Rene Schmidpeter / Foto: Achim Bachhausen
Wirtschaftsethik-Experte Schmidpeter
„Verantwortung lässt sich
nicht verordnen"
das Gespräch führte Stefan Weber
Lesedauer: 6 Minuten
Auf Dauer sind nur Unternehmen erfolgreich, die Verantwortung gegenüber Natur und Gesellschaft übernehmen, sagt Wirtschaftsethik-Professor Rene Schmidpeter. Im Interview erläutert er, worauf es ankommt, damit gute Taten nicht als PR missverstanden werden.

one: Wenn Unternehmen soziale oder ökologische Verantwortung übernehmen, sah das lange Zeit oft so aus: Einmal im Jahr gab es einen stattlichen Scheck an eine gemeinnützige Organisation und zwischendurch ein paar Sachspenden an eine soziale Einrichtung. Heute ist gesellschaftliches Engagement Teil der Gesamtstrategie von Unternehmen und nennt sich Corporate Social Responsibility. Was ist da passiert?
Schmidpeter: Viele Unternehmen haben erkannt, dass die Frage der gesellschaftlichen Verantwortung international ganz anders diskutiert wird. So hat es in den USA Tradition, dass Firmen sich für die Gesellschaft engagieren. Gleichzeitig haben ökologische und soziale Organisationen versucht, stärker mit der Wirtschaft ins Gespräch zu kommen. Vor allem aber haben Unternehmen realisiert, dass viele gesellschaftliche Herausforderungen sich auch in ihrem Aktionsradius wiederspiegeln und dass sie sich dort einbringen müssen – auch um im Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren.
one: Engagement für die gute Sache nicht aus Überzeugung, sondern als Überlebensstrategie?
Schmidpeter: Das lässt sich nicht trennen. Unternehmen tragen nicht nur eine Verantwortung gegenüber Natur und Gesellschaft, sondern auch gegenüber ihren Mitarbeitern und Eigentümern. Deshalb handeln sie nur dann nachhaltig, wenn sie ökologische, soziale und ökonomische Perspektiven in Übereinstimmung bringen. Manchmal ist das ganz leicht. Zum Beispiel, indem ich als Händler Energiesparlampen in meinen Märkten installiere. Das schont sowohl die Umwelt als auch das Budget. Heute der Gesellschaft etwas Gutes tun und morgen wieder Geld verdienen gehen – das funktioniert nicht. Die Dinge müssen ineinandergreifen.

one: Weil sonst die Kunden unangenehme Fragen stellen würden?
Schmidpeter: Eher, weil es sonst strategisch keinen Sinn macht, nicht auf das Image einzahlt.
Foto: aaabbc - Fotolia
one: Aber sind es nicht auch die Kunden, die Unternehmen vermehrt antreiben, mehr und vor allem das Richtige für die Gesellschaft zu tun und nicht nur irgendetwas?
Schmidpeter: Aufgeklärte Verbraucher wollen wissen, unter welchen Bedingungen die Produkte gefertigt werden, die sie kaufen sollen. Und: Sie interessiert weniger, wie viel Geld ein Unternehmen verdient, sondern wie es sein Geld verdient. Das hinterfragen im Übrigen immer stärker auch die eigenen Mitarbeiter.

one: Also fördern wohl durchdachte CSR-Maßnahmen auch mein Image als Arbeitgeber?

Schmidpeter: Unbedingt. Und dieser Punkt wird in Zeiten des Fachkräftemangels immer wichtiger. Vor allem junge Mitarbeiter besitzen häufig eine besonders große Sensibilität für ökologische Themen. Sie möchten nicht für ein Unternehmen tätig sein, dass wenig verantwortungsvoll gegenüber der Umwelt ist. Das gilt aber auch andersherum: Unternehmen müssen in Einstellungsgesprächen abklopfen, wie es die Kandidaten mit ihrem gesellschaftlichem Engagement halten.

one: Wie finden Unternehmen die CSR-Strategie, die zu ihnen passt?
Schmidpeter: Es gibt keinen Königsweg. Zunächst muss jedes Unternehmen für sich herausfinden, welche Themen für es wesentlich sind. In der Chemie werden das eher ökologische Themen sein. Im Handel spielen neben ökologischen Fragen auch soziale Themen eine große Rolle. Wenn ich die großen Felder identifiziert habe, lohnt es sich, die Mitarbeiter zu fragen: Wie können wir den Bereich, in dem ihr tätig seid, nachhaltiger gestalten? Auf Dauer sind nur diejenigen Unternehmen erfolgreich, die aus ihrer eigenen Kultur einen Verantwortungsansatz entwickeln - und sich nicht von Dritten irgendein Thema oder Projekt antragen lassen. Deshalb ist es wichtig, die Belegschaft mitzunehmen. Wer es nicht schafft, seine Mitarbeiter zu Beteiligten zu machen, wird scheitern.

one: Warum?
Schmidpeter: Weil sich Verantwortung gegenüber Natur und Mitmenschen nicht verordnen lässt. Und weil nur dann alle engagiert mitmachen, wenn sie sehen, dass ihre Vorgesetzten vorangehen. Es reicht nicht, wenn Vorstand oder Geschäftsführung sagen: Ab morgen machen wir alles nachhaltig. Vielmehr gilt es, insbesondere das mittlere Management und am Ende alle Mitarbeiter von der neuen Philosophie zu überzeugen – ihnen klar zu machen, dass es sowohl der Umwelt und der Gesellschaft etwas bringt als auch dem Unternehmen.
one: Solange die Wirtschaft brummt, werden es alle Mitarbeiter begrüßen, dass sich ihr Arbeitgeber für eine gute Sache engagiert. In der Krise, wenn möglicherweise auch Arbeitsplätze wackeln, werden dagegen viele fordern, zunächst mal beim „Sozialklimbim“ zu sparen.
Schmidpeter: Das mag so sein. Aber dann ist es Aufgabe der Verantwortlichen, den Mitarbeitern klar zu machen, dass gesellschaftliches Engagement nicht den Gewinn eines Unternehmens schmälert, sondern seine Wettbewerbsfähigkeit stärkt, Innovationen begünstigt und somit am Ende auch Arbeitsplätze sicher macht. Viele wissenschaftliche Studien belegen, dass Nachhaltigkeit auf die Profitabilität einzahlt. Das haben viele Topmanager inzwischen verstanden.

one: Wenn sich alle Unternehmen sozial und ökologisch engagieren, ist das für Umwelt und Gesellschaft ein Gewinn. Aber es bringt mir keinen Wettbewerbsvorteil, oder? 
Schmidpeter: Ein gutes Unternehmen muss immer sehen, dass es anderen einen Schritt voraus ist. Nachhaltigkeit ist ein Prozess, kein Unternehmen ist nachhaltig. Es gibt nur einen Weg dorthin.

one: Welche Fehler sollten Unternehmen, die Verantwortung übernehmen wollen, unbedingt vermeiden?
Schmidpeter: Ihr Engagement muss zum Geschäft passen, authentisch sein und sie müssen die richtigen Partner mit ins Boot nehmen. Sonst wird das Ganze schnell als PR-Maßnahme entlarvt. Und: CSR darf nie ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen sein. Dahinter muss immer eine langfristige Strategie stehen. Vor allem aber darf kein Chef Druck auf seine Mitarbeiter ausüben, sich zu engagieren. So etwas muss freiwillig passieren, aus Überzeugung.

one: Früher hieß es oft: Tue Gutes und rede darüber. Ist das noch die richtige Strategie? Oder ist es klüger, zurückhaltend zu kommunizieren? 
Schmidpeter: Vor der externen Kommunikation steht die Information der Mitarbeiter. Sie müssen wissen, was ihr Unternehmen tut. Anderenfalls kann es zu Problemen kommen, wenn sie von Dritten darauf angesprochen werden. Wie intensiv ich dann nach außen kommuniziere, hängt auch von meiner Positionierung ab: Wenn ich Märkte bedienen will, bei denen Nachhaltigkeit eine große Rolle spielt, wie etwa Bio-Produkte, ist es wichtig, mein Engagement deutlich herausstellen. In anderen Fällen muss ich nicht so viel Öffentlichkeit herstellen.

one: Zum Schluss ein Blick nach vorn: Was ist der Megatrend im Bereich CSR in den nächsten Jahren?
Schmidpeter: Der Druck auf die Unternehmen wird zunehmen. Ob Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter oder die Politik – alle fordern, dass die Wirtschaft mehr für Natur und Gesellschaft tut. Wer nichts macht, ist gleich disqualifiziert. Aber es wird auch nicht reichen, lediglich zu sagen: Ich engagiere mich. Die entscheidende Frage lautet: Wie mache ich es richtig? Und dabei ist immer Luft nach oben. Prof. Dr. Rene Schmidpeter ist Inhaber des Stiftungslehrstuhls für Internationale Wirtschaftsethik und Corporate Social Responsibility (CSR) an der Cologne Business School
Mein Kommentar
Kommentieren
Auch interessant
Newsletter