Produkte der Zukunft
Wenn Fisch und Tomate Freunde werden
Lesedauer: 6 Minuten
Fisch zu Fisch und Tomate zu Tomate? Mitnichten. Im preisgekrönten Forschungsprojekt des Ökophysiologen Werner Kloas gedeihen Süßwasserfische und Gemüse einträchtig nebeneinander in geschlossenen Kreisläufen. Das Ergebnis: Der Tomatenfisch.
Wenn Werner Kloas sein Projekt unter der offiziellen Bezeichnung „Aquaponik-System ASTAF-PRO“, präsentieren würde, wäre die Aufmerksamkeit vielleicht zunächst geringer. „Der Name ‚Tomatenfisch‘ macht neugierig, ist ein Hingucker und Hinhörer“, weiß Kloas.
Doch nicht nur der Name überzeugt: In diesem System werden Fisch und Gemüse gemeinsam gezüchtet. Dabei profitieren beide Arten voneinander – und das bei umweltfreundlicher Produktion. Der „Tomatenfisch“ funktioniert kurz gesagt so: Man nimmt ein geschlossenes Gewächshaus und speist überschüssige Abwärme aus Biogasanlagen oder Kraftwerken ein.
Doch nicht nur der Name überzeugt: In diesem System werden Fisch und Gemüse gemeinsam gezüchtet. Dabei profitieren beide Arten voneinander – und das bei umweltfreundlicher Produktion. Der „Tomatenfisch“ funktioniert kurz gesagt so: Man nimmt ein geschlossenes Gewächshaus und speist überschüssige Abwärme aus Biogasanlagen oder Kraftwerken ein.
So können darin Pflanzen und Fische, die ähnliche Wärmebedürfnisse haben, besonders gut und schnell wachsen. Der Clou: Die Stoffwechselprodukte der Fische dienen als Dünger für das Gemüse. „Das Resultat sind gesunder Fisch und leckeres Gemüse – und nein, die Tomaten haben keinen Fischgeschmack“, erklärt Kloas schmunzelnd.
„Robust, produktiv, schmackhaft"
Geeignet seien alle Warmwasserfische, sagt Kloas. „Ein guter Kandidat ist zum Beispiel der afrikanische Wels Clarias – robust, produktiv, schmackhaft."
Geeignet seien alle Warmwasserfische, sagt Kloas. „Ein guter Kandidat ist zum Beispiel der afrikanische Wels Clarias – robust, produktiv, schmackhaft."
Anfang Dezember 2012 wurden Werner Kloas und sein Team für ihr Projekt im Rahmen des Deutschen Nachhaltigkeitspreises mit dem Forschungspreis „Nachhaltige Entwicklungen“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ausgezeichnet.
2013 kam ein weiterer Preis hinzu: Der Tomatenfisch ist „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen 2013/2014“. Der Tomatenfisch ist ein Projekt des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB).
Vier Fragen an Werner Kloas
Wie funktioniert das Tomatenfisch-Prinzip?
one: Herr Kloas, wie funktioniert das Tomatenfisch-Prinzip?Werner Kloas: Die kombinierte Fisch- und Gemüsezucht ermöglicht die lokale Produktion gesunder Lebensmittel in nahezu geschlossenen Kreisläufen, mit geringem Wasserverbrauch und nahezu CO2-neutral. Zusätzliche Düngemittel oder Antibiotika für die Fische sind nicht notwendig. Und wie funktioniert das Ganze? Ausgangspunkt ist das Fischfutter. Nach dem Fressen bleiben Stoffwechselprodukte im Wasser zurück. Dieses Abwasser kann mit Hilfe von Bakterien, die in einem angeschlossenen Biofilter leben, in hochwertigen Pflanzendünger umgewandelt und dann in den separaten Pflanzenkreislauf eingespeist werden.
Die Pflanzen nutzen die Nährstoffe und „schwitzen“ das Wasser über ihre Blätter als unsichtbaren Dampf wieder aus. Dieser kann dann mit einer so genannten Kältefalle, in der Dampf wieder zu reinem flüssigem Wasser kondensiert, aufgefangen und zurück zu den Fischen geleitet werden – hier schließt sich der Kreis. „Die Grundidee der Aquaponik ist eigentlich schon sehr alt. Dabei leben aber Fisch und Gemüse immer im gleichen Wasser, so lassen sich nicht die absolut idealen Wachstumsbedingungen für beide Arten einstellen. Aber unser ASTAF-PRO schafft das durch die innovative Kreislauftrennung, außerdem sparen wir massiv Wasser“ beschreibt Kloas die Vorzüge des neuen Systems.
one: Wo kann man das Tomatenfisch-Prinzip anwenden?Werner Kloas: Im Grunde geht das überall. Das System ist variabel in der Größe und Ausstattung, es eignet sich genauso für die Selbstversorgung in trockenen und wenig entwickelten Gebieten des globalen Südens wie für die konventionelle Landwirtschaft in der westlichen Welt.
Nach oben sind dem Ausbau kaum Grenzen gesetzt. Auf einer Fläche von tausend Quadratmetern kann man pro Jahr jeweils 15 Tonnen Fisch und 35 Tonnen Tomaten züchten. Dafür kann man zum Beispiel die bei uns im Überfluss vorhandene Abwärme aus Biogasanlagen und Kraftwerken nutzen, was die Wertschöpfungsketten verlängert und die Produktion insgesamt nachhaltiger macht.
one: Was ist der Sinn des Tomatenfischs?Werner Kloas: Die Weltbevölkerung wächst rasant. Die Ernährungssicherung ist die zentrale Herausforderung des 21. Jahrhunderts. Wir müssen dringend neue Wege in der Lebensmittelproduktion beschreiten, damit die Welt auch für die zukünftigen Generationen ein lebenswerter Ort bleibt. Mit dem Tomatenfisch-System wollen wir dazu einen Beitrag leisten. Heute ist die Technologie bereits in 38 Ländern patentiert. Es muss eben immer erst einer vormachen, bevor die anderen glauben, dass etwas Neues wirklich funktioniert. Deshalb möchten wir als nächstes eine große Demonstrationsanlage im wirtschaftlichen Maßstab bauen.
one: Lohnt sich die Tomatenfisch-Produktion für jeden Haushalt?Werner Kloas: Prinzipiell kann sich jeder mit etwas handwerklichem Geschick eine eigene Aquaponik-Anlage bauen. Im Internet gibt es auch deutschsprachige Foren, wo sich Bastler dazu austauschen. Auf dieser Größe bleibt es aber in erster Linie ein Hobby und ist nicht wirtschaftlich rentabel.
Drei Fragen an „Organic Services“-Geschäftsführer Udo Censkowsky
Ist der Tomatenfisch ein Produkt mit Zukunft?
Foren im Internet, Bausätze für Selbstversorger bis hin zu großen kommerziellen Anlagen: Aquaponik gewinnt weltweit an Bedeutung, auch in Deutschland. Sind Projekte wie der Tomatenfisch also Produkte mit Zukunft?
Wir wollten es wissen und haben bei einem Experten nachgefragt. Udo Censkowsky ist Geschäftsführer von „Organic Services“, einer internationalen Strategie- und Unternehmensberatung im Öko-Lebensmittelsektor und berät den REWE Group-Pro Planet Beirat rund um das Thema Aquakultur.
one: Herr Censkowsky – wird der Tomatenfisch die Welt erobern?Udo Censkowsky: Angesichts der Tatsache, dass Ressourcen wie Wasser und Boden weltweit immer knapper werden, sind Aquaponik-Projekte wie der Tomatenfisch tatsächlich sehr interessant. Sie könnten bei der Antwort auf die Frage „Wie produzieren wir Lebensmittel in 20 Jahren?“ zumindest eine Rolle spielen. Dabei werden sich die Technologien durchsetzen, die Ressourcen effizient einsetzen und bezahlbar sind.
one: Aber ist das Modell denn auch umsetzbar und vor allem wirtschaftlich?Udo Censkowsky: Je kleiner die Aquaponik-Anlage ist, desto teurer die Produktion. Wenn Sie Flächen von 1.000 bis 3.000 Quadratmeter haben – etwa ein ehemaliges Fabrikgelände – wird es schon spannender. Da kann man sicherlich eine wirtschaftliche Größe erreichen. Vorausgesetzt, Sie haben ausgebildetes Personal, das sich mit Fischen und Pflanzen auskennt. Und optimalerweise eine Biogasanlage oder eine andere kostengünstige Abwärmequelle in der Nähe, da in Aquaponik Anlagen vor allem Tilapia produziert wird. Das ist ein Fisch, der warmes Wasser braucht.
Sagen wir mal so: Für einen Supermarkt kann eine Aquaponik-Anlage meiner Meinung nach derzeit höchstens ein marketingträchtiges Prestigeobjekt sein, aber keinesfalls wirtschaftlich rentabel arbeiten. Alleine die Immobilienpreise in Großstadtlagen sprechen da schon eine klare Sprache.
one: Mal ganz ketzerisch gefragt: Hat das Produkt „Fisch“ denn überhaupt eine Zukunft? Zuletzt war der Pro-Kopf-Verzehr in Deutschland doch eher rückläufig?Udo Censkowsky: Leicht rückläufig, ja das stimmt. Der Pro-Kopf Verbrauch in Deutschland liegt bei etwas mehr als 15 kg je Fisch und damit unter dem Weltdurchschnitt von 17 kg. Bis 2020 soll der Verbrauch auf 18 kg steigen. Diese zusätzliche Menge an Fisch kann nur aus der Aquakultur kommen, da die Weltmeere nicht mehr Wildfisch liefern können. In dem Zusammenhang sind Projekte wie der Tomatenfisch durchaus interessant – auch wenn sie ihre Wirtschaftlichkeit erst beweisen müssen. Ein kleiner Wermutstropfen am Rande und im Kontext der Wirtschaftlichkeit nicht ganz unbedeutend: In Deutschland ist Fisch vergleichsweise billig. Das müsste erst einmal anders werden, um die Akzeptanz von – natürlich teurerem – Fisch aus einer Aquaponik-Aufzucht zu ermöglichen.
Faszinierend, was Werner Kloas und sein Team im Institut am Müggelsee auf die Beine gestellt haben. Doch nachhaltige Zucht- und Anbaumethoden funktionieren auch im Kleinen, ganz unspektakulär und alltäglich, aber mit nicht weniger Wirkung.
Der eine baut im Schrebergarten ökologisch an, der andere mietet mit den Nachbarn ein Stück Straße, um dort ein Gärtchen anzulegen und zu pflegen. Ein witziges und ungewöhnliches Beispiel ist die "Upside-down-Tomate" - mehr dazu im Toom Baumarkt-Beitrag in dieser Ausgabe von one. Schauen Sie sich den Film an und lassen Sie sich inspirieren!
Der eine baut im Schrebergarten ökologisch an, der andere mietet mit den Nachbarn ein Stück Straße, um dort ein Gärtchen anzulegen und zu pflegen. Ein witziges und ungewöhnliches Beispiel ist die "Upside-down-Tomate" - mehr dazu im Toom Baumarkt-Beitrag in dieser Ausgabe von one. Schauen Sie sich den Film an und lassen Sie sich inspirieren!
Ausführliche Informationen zum Tomatenfisch finden Sie auf der Homepage unter http://www.tomatenfisch.igb-berlin.de/. Dort gibt es übrigens auch die Geschichte des Tomatenfischs als Kinderbuch.
Auf der Homepage haben Werner Kloas und sein Team zudem einen Film eingestellt, der informativ und detailliert die Produktion des Tomatenfischs veranschaulicht.
Sie können sich den Film natürlich auch jetzt anschauen - hier bei uns in one.
Und was ist Ihre Idee, um im Alltag etwas für nachhaltig verträglichen Anbau zu tun? Wir sind gespannt.
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