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Nachhaltigkeits-Dialogforum 2014
„Vereinfachen, unterhalten, verblüffen“
von Sebastian Amaral Anders
Lesedauer: 7 Minuten
Immer mehr Kunden finden Nachhaltigkeit wichtig – doch wie kann man sie motivieren, tatsächlich auch nachhaltiger einzukaufen? Die Lösung: Die Menschen möglichst einfach ansprechen – und mit Gefühl.
Es sei der richtige Zeitpunkt, Bilanz zu ziehen, sagte Alain Caparros: Acht Jahre Nachhaltigkeitsstrategie bei der REWE Group, vier Jahre Pro Planet: Wo steht das Unternehmen bei dem Vorhaben, Kunden nachhaltigere Angebote zu machen? Und: Wie können noch mehr Verbraucher für nachhaltigeren Konsum gewonnen werden? „Wir sind noch nicht am Ziel“, stellte der Vorstandsvorsitzende der REWE Group fest.

Mit diesen Fragen markierte Alain Caparros beim fünften Dialogforum den Ausgangspunkt der Diskussionen auf dem Podium, aber auch in den fünf Workshops am Nachmittag. „Auch wenn der Preis nach wie vor in den meisten Fällen kaufentscheidend ist, nimmt die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit stetig zu“, so Caparros’ Fazit.
Nicht mehr in der Nische
In der Podiumsdiskussion betonte Dr. Daniela Büchel, Leiterin Corporate Responsibility bei der REWE Group, dass es an der REWE Group sei, als Unternehmen beim Thema Nachhaltigkeit voranzugehen und den Kunden nachhaltigere Angebote zu machen. Mit dem Angebot an Bio-Produkten, Pro Planet-Produkten, dem Regionalitätssortiment und den CSCP-geprüften Markenartikeln aus den Aktionen der Nachhaltigkeitswochen zusammen, sei man schon auf einem sehr guten Weg und sicherlich nicht mehr in der Nische. Als entscheidenden Hebel, dieses Angebot auch an die Kunden zu kommunizieren, hob Alain Caparros die rund 350.000 Mitarbeiter der REWE Group hervor. „Wir haben wöchentlich 50 Millionen Kundenkontakte“, sagte Caparros. „Der Schlüssel zum Erfolg ist die Mobilisierung unserer Mitarbeiter am Point of Sale.“
„Nachhaltiger Konsum ist keine Modeerscheinung“
Darin bestätigte ihn Dr. Ingo Schoenheit von der imug Beratungsgesellschaft für sozial-ökologische Innovationen. Sein Institut hat im Auftrag der REWE Group eine Marktstudie zur Entwicklung und Perspektive nachhaltigen Konsums erstellt. „Nachhaltiger Konsum ist keine Modeerscheinung, sondern in vielfältiger Form bei den Konsumenten verankert“, gab Schoenheit eine Erkenntnis der Studie wieder.

Um noch mehr Kunden für nachhaltigere Produkte zu gewinnen, müsse vor allem die Komplexität für den Kunden beim Einkauf reduziert werden. Darin war sich Schoenheit mit Keynote-Speakerin Prof. Lucia Reisch, Mitglied des Rates für Nachhaltige Entwicklung, einig. „Vereinfachen, unterhalten, verblüffen“, so das Rezept von Lucia Reisch, um Kunden zu erreichen und emotional anzusprechen.
Die Workshops
In fünf Workshops diskutierten die Teilnehmer des Forums Ideen und konkrete Lösungsansätze, um nachhaltigeren Konsum weiter voranzutreiben. Ein Überblick in der Fotostrecke:
Ludger Breloh im Interview
„Nachhaltige Sortimente bringen uns einen Wettbewerbsvorteil“
one: Acht Jahre Nachhaltigkeitsstrategie, vier Jahre Pro Planet: Wo steht die REWE Group beim Ausbau eines nachhaltigeren Sortiments?
Ludger Breloh: Die Etablierung nachhaltigerer Sortimente sowohl bei REWE, PENNY und in den Toom Baumärkten ist zu einem selbstverständlichen Prozess geworden und wird von allen beteiligten Kollegen gelebt. Bei den Eigenmarken bauen wir kontinuierlich Pro Planet-gelabelte Produkte aus und weiten ergänzend auch die Biosortimente sowie die Regional- und Lokalartikel aus. Kritische Rohstoffe wie etwa Palmöl, Kakao, Kaffee, Fisch, Soja aber auch Papier, Holz, Textilien und Natursteine stellen wir konsequent auf Zertifizierungssysteme mit einem relevanten Nachhaltigkeitsanspruch um. Mit diesem Engagement haben wir uns im deutschen LEH eine Frontrunner-Position erarbeitet. Zugleich hat der Pro Planet-Prozess viele Eigenmarkenlieferanten, aber auch Markenartikler, dazu motiviert, sich intensiver mit sozial-ökologischen Fragestellungen innerhalb Ihrer Wertschöpfungsketten zu beschäftigen. Das zeigt sich auch daran, dass immer mehr Markenartikel mit Nachhaltigkeitsmehrwert gelistet werden.
one: Die Etablierung eines nachhaltigeren Sortiments wird oft als Marathon beschrieben. Ist das Ziel in Reichweite?
Ludger Breloh: Obgleich ein Marathon eine sehr lange und mühsame Wegstrecke ist, so hat er doch am Ende einen Zielpunkt. Demgegenüber ist die nachhaltige Sortimentsentwicklung ein kontinuierlicher und fortwährender Veränderungsprozess. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen ist es meist gar nicht machbar, bei einem Produkt auf einen Schlag alle negativen Begleiterscheinungen innerhalb der Lieferkette zu lösen. Deshalb müssen soziale und ökologische Nachhaltigkeitsveränderungen priorisiert und in mehreren aufeinander folgenden Schritten umgesetzt werden – oftmals über Jahre hinweg.

one: Wie groß ist aktuell der Anteil nachhaltigerer Produkte am Sortiment – und wo will die REWE Group hin?
Ludger Breloh: Wenn man alle nachhaltigeren Sortimentsbausteine sowohl der Eigenmarken als auch der Industriemarken zusammenfasst, entfallen im Vollsortiment rund 20 Prozent der Umsätze auf diese Warengruppe. Es kommt aber nicht primär darauf an, die Anzahl der Pro Planet-Artikel zu maximieren. Die Aufgabe besteht darin, für alle Sortimentsbausteine jeweils die geeignete Route zu definieren, mit der die wichtigsten Nachhaltigkeitsziele erreicht werden können. Der Pro Planet-Prozess ist hier nur eines von mehreren Instrumenten, neben den vielschichtigen Zertifizierungssystemen oder dem Ausbau von Bio- und Regionalsortimenten.
one: Verschaffen die Pro Planet-Produkte der REWE Group einen Wettbewerbsvorteil?
Ludger Breloh: Ich bin davon überzeugt, dass eine nachhaltigere Sortimentsentwicklung grundsätzlich dazu beiträgt, dass sich die REWE Group profilieren und somit auch Wettbewerbsvorteile erzielen kann. Pro Planet ist hier sicherlich ein sehr zentrales Instrument, da es dem Kunden im Markt eine Orientierungshilfe bietet – ergänzend zu den Bio- und Regionalprodukten. Damit kann jeder auf einfache und schnelle Weise verantwortungsvoller erzeugte Produkte finden. Und die Kundengruppe, die durch ihr gezieltes Einkaufsverhalten nachhaltige Entwicklungen unterstützen möchte, wird nachweislich immer größer. Ein Wettbewerbsvorteil bzw. ein relevantes Kundenbindungspotenzial kann aber nur dann realisiert werden, wenn die REWE Group ihre Vorreiterrolle weiterhin konsequent ausbaut.

Dr. Ludger Breloh ist Bereichsleiter Grüne Produkte bei der REWE Group
Pro Planet-Beirat Georg Abel im Interview
„Pro Planet ist ein Alleinstellungsmerkmal“
one: Herr Abel, Sie kennen Pro Planet als Mitglied des Pro Planet-Beirats sehr gut. Wie ernst meint es die REWE Group mit ihrem Nachhaltigkeitsengagement?
Georg Abel: Bei dem komplexen Thema Nachhaltigkeit hilft kein kurzfristiges Denken oder punktueller Aktionismus. Für dieses Zukunftsthema braucht man vielmehr ein ambitioniertes Gesamtkonzept unter Einbeziehung der Mitarbeiter, natürlich einen entsprechenden Etat und vor allem - in Bezug auf die Verbraucher - einen längeren Atem. Hier ist die REWE Group im Vergleich zu Mitbewerbern sehr gut aufgestellt. Dies zeigen auch unsere Untersuchungen der Umwelt- und Sozialverantwortung sowie der Nachhaltigkeitskommunikation. Hier belegten die REWE Group und ihre Vertriebslinien jeweils vordere Plätze.

one: Einmal abgesehen von Umsatzzahlen: Welchen nachhaltigen Wert hat das Pro Planet-Sortiment jetzt schon?
Georg Abel: Umfragen zeigen: Für Verbraucher ist Nachhaltigkeit von hoher Bedeutung. Pro Planet ist hier ein Angebot. Vom Umsatz her kann es noch nicht die Bedeutung haben, die sich mancher Manager schon heute wünscht. 
Dies war aber zu erwarten, da beim Thema Nachhaltigkeit zunächst nachweisliche Verbesserungen erreicht werden müssen, dann allgemein über Pro Planet kommuniziert werden sollte und erst dann der Schwerpunkt auf einer „Abverkaufs-Kommunikation“ liegen kann. Bei zahlreichen Produkten sind bereits Verbesserungen für Umwelt und Soziales angestoßen und erreicht worden. Pro Planet zahlt auf das Image der REWE Group und ihrer Vertriebslinien ein. Die Bekanntheit von Pro Planet wächst, dies zeigen auch die deutlich gestiegenen Nachfragen bei label-online.de, unserem Informationsportal rund um Label. Hier gehört Pro Planet in diesem Jahr zu den zehn Labeln mit den meisten Seitenaufrufen.

one: Zwischen der Absicht, nachhaltiger zu konsumieren und dem tatsächlichen Verhalten der Verbraucher tut sich oftmals eine Lücke auf: Sind die Kunden tatsächlich so schwer mit nachhaltigeren Produkten zu erreichen?
Georg Abel: Diesen Unterschied zwischen Umfragen und tatsächlichem Verhalten gibt es nicht nur beim Thema Nachhaltigkeit. Verbraucher sind heute multioptional – bei Produkten, Unternehmen, Einkaufswegen und dem eigenen Konsumstil. Sie sind widersprüchlich in ihrem Verhalten, haben wenig Zeit und sind oft mit Themen überfordert. Konsumenten erwarten - vielleicht besonders beim komplexen Thema Nachhaltigkeit - dass Andere die Probleme in der Lieferkette lösen – und delegieren dies nicht zuletzt an den Handel. Verbraucher entscheiden dann „nur noch“, was davon sie kaufen. Dafür erwarten sie Informationen, etwa über die Leistungen von Handel und Herstellern. Sie wollen wissen, ob und was und wie mit welchem Erfolg in der Lieferkette unternommen wurde. Gefragt sind deshalb Angebote wie Pro Planet. Unsere Umfragen zeigen, dass nachhaltigere Produkte gut erkennbar, leicht erreichbar sein sollten sowie verständlich kommuniziert werden müssen.
one: Haben die Verbraucher Pro Planet verstanden?
Georg Abel: Die meisten Verbraucher werden sich weder intensiv mit dem Programm noch mit den individuellen Veränderungen bei einzelnen Produkten beschäftigen. Trotzdem müssen die Hintergrundinformationen vorhanden und transparent sein, unter anderem, weil Umwelt- und Verbraucherorganisationen diese prüfen. Als „glaubwürdige Dritte“ spielen sie in der Verbraucheransprache eine zentrale Rolle.

one: Welchen Wert hat Pro Planet für die REWE Group in der Außenwirkung?
Georg Abel: Pro Planet ist ein Angebot der REWE Group, das sich deutlich von Mitbewerbern unterscheidet. Dies ist - besonders angesichts stagnierender und rückläufiger Umsätze im Lebensmittelhandel - gut für das Unternehmensimage und ein Alleinstellungsmerkmal. Wo die Angebote im LEH immer ähnlicher sind, kann dies sogar ein kaufentscheidender Faktor sein. Dies funktioniert schon heute im Kleinen. Und die Bedeutung von Pro Planet wächst durch eine größere Produktvielfalt, mehr interne und externe Kommunikation über Hintergründe und Produkte und eine Ausweitung im Baumarkt- und Reisesegment. Die Mitarbeiter im Markt können dafür einen Beitrag in der Kundenansprache leisten. Auch zukünftig gilt: Beim Verbraucher kann man nur mit Substanz beim Thema Nachhaltigkeit punkten.

Georg Abel ist Bundesgeschäftsführer von Die Verbraucher Intiative e.V und Mitglied des Pro Planet-Beirats.
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