Mehr Rezyklat in PET-Getränkeflaschen? Das sollte eigentlich kein Problem sein. Schließlich werden in Deutschland mehr als 90 Prozent aller Alt-Flaschen gesammelt. Doch über die Hälfte des daraus gewonnenen rPET wird fernab der Getränkeindustrie verwendet. Wir bei der REWE Group haben testweise einen geschlossenen Kreislauf für Einweggetränkeflaschen aufgebaut. Unser Circular Economy Projekt schafft Versorgungssicherheit für Lieferanten und hilft, unsere Rezyklatziele zu erreichen.
Lebensmittelverpackungen erfüllen wichtige Aufgaben. Sie halten die Ware frisch, bewahren deren Qualität und sind in vielen Fällen unverzichtbar für den Transport, etwa wenn es sich um Getränke handelt. Doch nach dem Gebrauch landen Verpackungen häufig schnell im Abfall. Deshalb wollen wir bei der REWE Group bis Ende 2030 sämtliche Verpackungen unserer Eigenmarkenprodukte umweltfreundlicher gestalten. Wie das geht? Durch Vermeiden, Verringern und Verbessern der heute gebräuchlichen Verpackungen. Ein Ansatz im Rahmen dieser Strategie ist der Aufbau geschlossener Materialkreisläufe aus unternehmenseigenen Werkstoffen.
Zum Beispiel PET-Einweggetränkeflaschen: Je mehr Sekundärrohstoffe, also aus recycelten Flaschen gewonnenes Material, bei deren Produktion eingesetzt werden, umso besser. Denn ein solcher Kreislauf trägt dazu bei, Primärrohstoffe einzusparen. Er schont natürliche Ressourcen und leistet so einen positiven Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz. Die REWE Group hat sich deshalb ein klares Ziel gesetzt: Bis Ende 2023 sollen unsere PET-Einweggetränkeflaschen einen Rezyklatanteil (Expert:innen sprechen von der rPET-Quote) von durchschnittlich 50 Prozent haben.
Im geschlossenen Kreislauf zum Rezyklatziel
Um diese Marke sicher zu erreichen und in den folgenden Jahren sogar noch höhere Quoten zu schaffen, haben wir gemeinsam mit Partnern aus Recycling- und Getränkewirtschaft testweise einen geschlossenen Kreislauf für Einweggetränkeflaschen aufgebaut. Dieser Pilot läuft so: In den ersten drei Quartalen 2023 holt die RCS Rohstoffverwertung GmbH, ein Recyclingspezialist aus dem nordrhein-westfälischen Werne, bei einem REWE-Zentrallager in Köln eine vereinbarte Menge an zu Ballen zerdrückten (und damit besser transportierbaren) Alt-Flaschen ab. RCS recycelt die PET-Flaschen sodann zu Kunststoff-Flakes – sortenrein und in den Farben klar und bunt und stellt daraus rPET-Granulat her. Dieses Rezyklat wird im nächsten Schritt an die Refresco Deutschland GmbH geliefert. Das ist ein führender Abfüller von Erfrischungsgetränken und Fruchtsäften, unter anderem für die REWE Group. Das Unternehmen mit Hauptsitz in Mönchengladbach produziert eigene Flaschenrohlinge und kann das Rezyklat somit direkt einsetzen. Die mit einem hohen Anteil von rPET produzierten neuen Flaschen werden frisch abgefüllt und stehen bald darauf wieder in den Verkaufsregalen von REWE und PENNY. Ein funktionierender geschlossener Materialkreislauf.
Begehrter Rohstoff
© Getty Images/ lechatnoir Warum ist das so besonders? Sekundärmaterial, so sollte man meinen, gibt es dank eines funktionierenden Pfandsystems in Deutschland schließlich genug. Tatsächlich wurden hierzulande nach Angaben der Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung (GVM) 2021 mehr als 94,8 Prozent aller PET-Getränkeflaschen und sogar 97 Prozent der PET-Getränkeflaschen mit Pfand (Mehr- und Einweg) wiederverwendet. Aber das geschah nicht ausschließlich für die Herstellung von Flaschen. rPET ist aufgrund seiner hohen Qualität auch in anderen Branchen ein begehrter Sekundärrohstoff. Zum Beispiel in der Folienindustrie, die daraus unter anderem Lebensmittelverpackungen herstellt, die aktuell noch nicht flächendeckend zu Rezyklat für den erneuten Einsatz in Lebensmittelanwendungen recycelt werden können. Nach Feststellung der GVM entfielen 2021 knapp 27 Prozent des recycelten PET auf diesen Bereich. Weitere Anwendungsfelder waren die Herstellung von Fasern sowie Reinigungsmittelflaschen, Kunststoffbändern oder Spritzgussanwendungen.
Wir bei der REWE Group haben mit unserem Piloten nun einen geschlossenen Kreislauf aufgebaut. Aus diesem wird ein relevanter Anteil des benötigten rPET für die Getränkeartikel unserer Eigenmarken bereitgestellt. Das schafft mehr Planungssicherheit für die Refresco GmbH als Produzent von Flaschenrohlingen. Denn die Beschaffung von rPET ist immer wieder von Knappheiten, Marktschwankungen und Unsicherheit geprägt. Nach Beobachtung der GVM ist aus Getränkeflaschen recyceltes PET seit vielen Jahren teurer als Neuware.
Damit der Kreislaufansatz gelingt, ist es wichtig, mit allen beteiligten Akteur:innen zusammenzuarbeiten: mit den Verbrauchern und Verbraucherinnen, die über das Pfandsystem ihr Leergut (und damit Grundmaterial für rPET) in den Pfandautomaten zurückgeben, mit den Recyclern, die das Material aufbereiten und weiterverkaufen. Und mit der Verpackungsindustrie, die Sekundärrohstoffe bei der Herstellung von Flaschen einsetzt.
Ein rPET-Anteil von 50 Prozent bei allen Einweggetränkeflaschen, wie wir ihn bei der REWE Group bis Ende 2023 erreichen wollen, betrachten wir nur als Etappenziel. In den folgenden Jahren wollen wir den Anteil weiter steigern. Dazu wird der Aufbau eines geschlossenen Materialkreislaufs eine wichtige Rolle spielen, denn er sichert die ausreichende Verfügbarkeit geeigneter Rezyklate.
Allerdings: Der Einsatz von Sekundärrohstoffen in der Flaschenproduktion hat technische Grenzen. Recyceltes Material erhält durch die mehrfache Erhitzung im Produktionsprozess eine dunklere Farbe. Je besser die Flakes vorher sortiert und farbige Stücke aussortiert werden, umso gleichmäßiger sind die Preforms. Wenn die Rohlinge aus recyceltem Kunststoff nicht gleichmäßig eingefärbt sind, erhöht sich das Risiko, dass Flaschen beim Aufblasen unter hohen Temperaturen platzen können, denn dunklere Stellen nehmen mehr Hitze auf und dehnen sich schneller aus als helle Stellen. Daher ist die Sortierung der Flakes wichtig, um eine möglichst gleichmäßige Färbung der Preforms zu gewährleisten und somit die Qualität der produzierten Flaschen zu erhöhen.
Damit Getränkeflaschen ihre Stabilität behalten, muss somit immer wieder auch neues Primärmaterial dem Materialkreislauf zugeführt werden. Dennoch ist es möglich, Flaschen zu 100 Prozent aus recyceltem Kunststoff herzustellen. Das hat REWE bereits im Mai 2019 bewiesen, als sie als erster Händler eine Eigenmarken-Flasche (Aqua Mia Sport, 0,75 Liter) in die Märkte brachte, die komplett aus rPET besteht. Kurz darauf hatte auch PENNY zwei Wasser-Flaschen ins Sortiment genommen, die zu 100 Prozent beziehungsweise zu 80 Prozent aus Rezyklat hergestellt waren.
EU zieht die Zügel bei rPET an
Europaweit wird der Run auf Rezyklat in den nächsten Jahren deutlich zunehmen. Denn die 2021 verabschiedete EU-Verpackungsrichtlinie schreibt eine Rezyklatquote von 25 Prozent für Einwegkunststoffgetränkeflaschen bis 2025 vor. In den im November 2022 veröffentlichten Entwürfen für eine zukünftige EU-Verpackungsverordnung sind Quoten von 30 Prozent bis 2030 und 65 Prozent bis 2040 in der Diskussion. Angesichts einer bereits erreichten Quote von 44,8 Prozent in Deutschland (2021) scheinen diese Vorgaben auf den ersten Blick nicht sonderlich anspruchsvoll. Allerdings existieren noch nicht in allen EU-Ländern funktionierende Pfandsysteme. Diese Systeme schaffen den Anreiz, dass Verbraucher:innen Leergut sammeln und in den Kreislauf zurückgeben. Die Gesellschaft für Verpackungsmarktforschung erwartet, dass mehr europäische Staaten zeitnah Pfandsysteme etablieren, um die Vorgaben der EU erfüllen zu können.
Rino Iacobellis, Senior Buyer alkoholfreie Getränke/Bier der REWE Group Buying
one: Rezyklat ist ein begehrter Rohstoff. Was hat die REWE Group dazu bewegt, einen Kreislauf zu initiieren?
Rino Iacobellis: Rezyklat ist spätestens nach Bekanntgabe der EU-Verordnung, dass rPET in Zukunft in der gesamten EU in Getränkeflaschen enthalten sein muss, ein sehr begehrter Rohstoff. Uns als REWE Group reicht dies aber nicht aus, und wir haben uns mit dem Ziel eines Anteils von 50 Prozent rPET bis 2023 ein deutlich höheres Ziel gesetzt. Den Kreislauf benötigen wir somit, um unser gestecktes Ziel zu erreichen und unsere Lieferanten bei der Beschaffung des Rohmaterials zu unterstützen.
one: Welche Herausforderungen waren bei der Entwicklung der Pilot-Kooperation zu meistern?
Rino Iacobellis: Die Herausforderung bestand im Wesentlichen in der Entwicklung eines funktionierenden Modells der Zusammenarbeit entlang der gesamten Kette. Neben vertraglichen Fragen mussten wir auch unsere Einkaufs- und Logistikprozesse neu aufeinander abstimmen. Im Kreislaufmodell sind wir nun auch in die Rohstoffversorgung involviert. Das ist für uns als Händler eine neue Form der Zusammenarbeit mit der Lieferkette.
one: Die Testphase geht in die zweite Halbzeit. Wie fällt das Zwischenfazit aus? Was lief gut, wo gibt es eventuell Nachbesserungsbedarf und wie geht es weiter, wenn der Pilot endet?
Rino Iacobellis: Wir sind aktuell zufrieden mit dem Verlauf des Pilotprojekts und auch mit der Zusammenarbeit mit den Partnern. Zukünftig wollen wir Möglichkeiten prüfen, das Modell weiter auszubauen und gegebenenfalls auch weitere Lieferanten mit einzubinden. Kreislaufwirtschaft ist aus unserer Sicht ein absolutes Zukunftsthema, das mit Blick auf die zukünftigen regulatorischen Anforderungen und Entwicklungen am Rohstoffmarkt weiter an Bedeutung gewinnen wird.
richtige, wenn auch etwas späte Vorgaben durch die EU.
Neben PET / Kunststoffe sehe ich noch viel Potential sich bei dem Thema Mehrweggläser zu engagieren.