Sebastian Russold ist noch jung an Jahren, doch in seinem Metier schon sehr erfahren. Im one_Interview verrät der Gewinner der renommierten „Sommelier-Trophy“, was in seinem Beruf wichtiger als Fachwissen ist und warum er sich im Kölner Weinkeller auf Anhieb wohlgefühlt hat.
Verfügt über ausgewiesene Sinne für Wein: Sebastian Russold
one: Herr Russold, herzlichen Glückwunsch zu dieser Auszeichnung! Sie ist gewiss auch das Resultat von viel Erfahrung. Beschreiben Sie doch mal, wie Sie zum Wein gekommen sind.
Sebastian Russold: Ich komme aus einer Weingegend, der Steiermark. Durch die Tourismusschule bin ich herangeführt worden an Genuss, ans Kochen, an Weinkunde. Während meines Bachelor-Studiums habe ich begonnen, mich ernsthaft mit dem Thema Wein zu beschäftigen. Nebenbei habe ich in meiner Heimatstadt Graz in einem Restaurant mit einer sehr guten Weinkarte gearbeitet. Dort habe ich die Klassiker aus Österreich kennengelernt. Später bin ich im Rahmen eines Trainee-Programms nach Hamburg ins Hotel Louis C. Jacob gekommen. Dort herrschte gerade unter den Sommeliers Personalknappheit. Und da ich in meiner Bewerbung angegeben hatte, dass ich mich für Wein interessiere, bin ich dann direkt ins Weingeschäft reingeworfen worden. Anfangs habe ich dort nur österreichische Weine verkauft, weil ich noch nichts anderes kannte. Innerhalb kürzester Zeit habe ich mir großes Fachwissen angeeignet, so dass ich direkt die Prüfung zum ´Certified Sommelier´, der zweiten von vier Stufen, abgelegt habe.
one: Was schätzen Sie am meisten an Ihrem Beruf?
Russold: Unter einem Sommelier verstehe ich einen Genussbotschafter für die Trink- und Esskultur. Ein Sommelier beschäftigt sich nicht nur mit Getränken. Ein Sommelier ist genauso ein Fachmann für Käse und sollte sich auch sehr gut auskennen mit Zigarren, Tee oder Kaffee. Von einem Sommelier erwarte ich, dass er sprachgewandt ist, er ein gutes Auftreten hat und ein Gastgeber ist. Das Thema Gastgeben muss nicht unbedingt im Restaurant passieren, denn – die Erfahrung mache ich gerade – auch im Weinhandel kann ein Sommelier einen Kunden willkommen heißen, an die Hand nehmen und ein bisschen die Augen öffnen: Was gibt es außerhalb des Üblichen? Ein Sommelier gibt Ratschläge und Empfehlungen auf eine charmante und elegante Art und Weise. Da sehe ich keine so großen Unterschiede zur Gastronomie, nur dass ich jetzt kistenweise Wein verkaufe und nicht flaschenweise (lacht).
one: Wie haben Sie die von der Jury gelobte „Souveränität“ in Ihrem Beruf erlangt?
Russold: Vieles verdanke ich der Erfahrung aus den vorherigen Wettbewerben. Durch den Arbeitsalltag in der Gastronomie entwickelt man eine gewisse Stressresistenz und lernt, ruhig zu bleiben und klar zu denken. Und wenn einem nicht alles sofort einfällt, ist das nicht schlimm. Diese Situation charmant zu lösen, ohne dabei sein Gesicht zu verlieren oder den Gast anzulügen, das ist die Kunst. Wenn ich etwas nicht weiß, sage ich: „Entschuldigung, ich schaue gerne noch einmal nach für Sie“. Das habe ich auch im Wettbewerb so gemacht. Diese Offenheit und Ehrlichkeit lassen einen souverän wirken, denn niemand ist perfekt, niemand weiß alles. Es ist sowieso ein Trugschluss, dass der beste Sommelier das größte Fachwissen hat.
one: Wenn es nicht das Fachwissen ist – was zeichnet denn einen sehr guten Sommelier aus?
Russold: Dass der Gast sich bei ihm wohlfühlt! Viele Spitzensommeliers, die ein tolles Fachwissen haben, können das nicht vermitteln ohne dass der Gast sich belehrt fühlt. Aber wenn man ins Restaurant geht, möchte man einen schönen Abend verbringen. Man möchte etwas lernen, ja, aber man möchte nicht schulmeisterlich behandelt werden. Als Chefsommelier erzähle ich am Anfang etwas über Wein, und später unterhalte ich mich mit dem Gast über Gott und die Welt. Diesen Restaurantbesuch zu einem Erlebnis zu machen, ist die Aufgabe auch des Sommeliers, so wie eigentlich eines jeden Servicemitarbeiters. Das funktioniert auch hier im Kölner Weinkeller. Wenn ich Wein verkaufe, verkaufe ich Geschichte. Ich gebe meine Geschichte und Erfahrung dazu, ich vermittle Erlebnisse und Emotionen. Darum geht es.
one: Was gehört für Sie zu einer guten Weinberatung unbedingt dazu?
Russold: Die gute Beratung ist die, zu verstehen, was der Gast eigentlich möchte. Darum ist das auch nicht so schlimm, wenn wir in Corona-Zeiten keinen Wein probieren können. Aufgrund jahrelanger Erfahrung lernt man, seine Kundinnen und Kunden zu verstehen und weiß, was sie meinen, auch wenn sie selber es vielleicht nicht wissen. Mit den richtigen Fragen finde ich heraus, was mein Gast sucht.
one: Haben Sie einen Tipp für Wein-Einsteiger?
Russold: Als Sommelier kann ich immer nur empfehlen: probieren, probieren, probieren. Trinken Sie sich zusammen mit Freunden durch die Welt des Weines. Es gibt so viele Rebsorten, Regionen, Länder und alles Mögliche an Macharten. Es ist schwer, sich auf einen bestimmten Wein festzulegen. Das Faszinierende an diesem Beruf ist die Abwechslung. Schauen Sie sich die Kulinarik an, wie die sich verändert hat in den letzten 20 Jahren. Wie sich das Essverhalten verändert hat, wie die Themen Nachhaltigkeit und Regionalität immer stärker werden.
one: Haben Sie für unsere Leser:innen noch eine Weinempfehlung für die Festtage?
Russold: Gerne, je nach persönlichen Vorlieben und den gereichten Speisen kann ich ihnen folgende Gewächse empfehlen:
one: Herr Russold, vielen Dank für das Gespräch!
Sebastian Russold ist Weinberater im Kölner Weinkeller, der mehrfach ausgezeichneten Fachhandlung für Wein im Kölner Stadtteil Braunsfeld. Bereits während seiner Schulzeit entwickelte sich die Liebe des gebürtigen Österreichers zum Wein. Doch erst im Hamburger Hotel Louis C. Jacob wurde das Hobby dann auch zur Profession. Nach erfolgreichem Abschluss des "Certified Sommeliers" beim "Court of Master Sommelier" wurde Sebastian Russold 2018 zu "Deutschlands bestem Jungsommelier" von der Chaîne des Rôtisseurs gekürt und belegte im selben Jahr bei der Weltmeisterschaft der Jungsommeliers den vierten Platz.
Aufgrund seiner Erfolge übernahm er dann im selben Jahr die vinophile Leitung des Louis C. Jacob, zu dem auch das Zwei-Sterne-Restaurant von Chefkoch Thomas Martin gehört. 2019 zog es ihn weiter in das dreifach besternte Restaurant Schwarzwaldstube des Hotels Traube Tonbach, um von Stéphane Gass, einem der Großen in der deutschen Weinszene, weiter zu lernen. Als letzte Station war Sebastian Russold in dem Top-Restaurant "Saziani Stub'n“ in seiner steirischen Heimat tätig. Seit Juni dieses Jahres bereichert Sebastian Russold den Kölner Weinkeller mit seinem Wissen und seiner Passion für Wein.