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Perspektivwechsel: REWE Group Dialogforum 2017
Von Würmern und Laborfleisch
Fleisch aus dem Labor, ein Haus mit sechs Quadratmetern und der Philosoph Richard David Precht, der zur Innovation auch die „Exnovation“ fordert: Das Dialogforum 2017 in Berlin stand unter dem Motto Perspektivwechsel und bot zahlreiche Denkanstöße.
Die REWE Group hat sich zum Ziel gesetzt, ihren Beitrag für eine lebenswerte Zukunft zu leisten und immer wieder neue Ideen hierfür zu entwickeln. Dazu bietet der Bereich Nachhaltigkeit unter der Leitung von Dr. Daniela Büchel seit 2010 eine Austauschplattform und organisiert das Dialogforum in Berlin, zu dem neben Führungskräften der REWE Group auch Politiker, Vertreter von NGOs und Wissenschaftler eingeladen werden. Vorträge, Workshops und in diesem Jahr auch eine Trendausstellung schafften Mitte November den Rahmen für kreativen Austausch und den Perspektivwechsel.
Insekten als Proteinquelle:
Anfang 2018 tritt eine neue EU-Verordnung in Kraft. Dann werden Insekten als neuartige Lebensmittel anerkannt. Schon jetzt setzen einige Hersteller auf die nachhaltigere Proteinquelle, unter anderem in Energie-Riegeln oder mit kleinen Snacks. Die Zahlen sprechen für die kleinen Tierchen: Während Rinder pro Kilo essbaren Gewichts etwa acht Kilo Nahrung benötigen, sind es bei Insekten nur 2 Kilo.
Cultured Meat: Es klingt gewöhnungsbedürftig, könnte aber schon bald eine echte Alternative zur Rinderzucht werden: Fleisch aus dem Labor. Prof. Mark Post stellte bereits vor vier Jahren den ersten In-vitro-Burger vor. Das Fleisch aus der Petri-Schale könnte die wachsende Weltbevölkerung nachhaltig ernähren, ohne die mit der Massentierhaltung einhergehenden Probleme. Nach Einschätzung von Prof. Post wird es in drei bis vier Jahren möglich sein, einen „In-vitro-Burger“ im Restaurant für etwa 10 Euro zu verspeisen. Etwa drei weitere Jahre später könnte es bereits in unseren Supermärkten liegen. Noch arbeiten die Forscher nicht nur an der Rezeptur, sondern auch an der Akzeptanz des Labor-Burgers.
Das Geschlecht des Kükens schon im Ei bestimmen: Dr. Ludger Breloh (rechts) mit den Vorständen Jan Kunath und Dr. Christian Mielsch (v.l.) am Stand von Seleggt.
„Nachhaltigkeit ist für uns ein wichtiger Erfolgsbaustein.“
Lionel Souque
Insgesamt sieht der Vorstandsvorsitzende der REWE Group vier große Herausforderungen für die Zukunft:
1. Demografischer Wandel: hat unter anderem Auswirkungen auf Rekrutierung und Sortiment
2. Kostendruck: wird verursacht durch gestiegene Immobilienpreise, Maut- und Energiekosten
3.Wettbewerb: vor allem die Discounter drücken auf die Preisgestaltung
4. Digitalisierung: wird mit großen Investitionen verbunden sein
So vielfältig wie die REWE Group seien auch die Nachhaltigkeitsprojekte, erklärte Lionel Souque. Vom regionalen Projekt für Tierschutz bis hin zur Bekämpfung von Kinderarbeit reiche das Spektrum. „Unser großer Vorteil liegt in unserer genossenschaftlichen Struktur. Das gibt uns die Möglichkeit, bis zur nächsten Generation zu denken und nicht nur bis zum nächsten Quartal.
Lionel Souque
„Seien Sie weiter kritisch mit der REWE Group,
aber akzeptieren Sie, dass wir nicht alles machen
können, was Sie sich wünschen.“
aber akzeptieren Sie, dass wir nicht alles machen
können, was Sie sich wünschen.“
Gleichzeitig gab Souque zu bedenken, dass Nachhaltigkeitsprojekte auch Zeit brauchen. Als REWE als erster Händler die Plastiktüte ausgelistet hat, wurde Kritik seitens der NGOs laut, weil es weiterhin zu viel Plastik im Supermarkt gebe. Zwar verstehe die REWE Group einerseits diese Kritik. Andererseits habe das Unternehmen hier den Anfang gemacht und die Konkurrenz hat REWE kopiert. „So haben wir über unsere Märkte hinaus das Thema nach vorne gebracht“, betonte Souque und appellierte an die Stakeholder: „Seien sie weiter kritisch mit der REWE Group, aber akzeptieren Sie, dass wir nicht alles machen können, was Sie sich wünschen.“
„Wir brauchen eine Idee davon, wie wir in Zukunft leben wollen.“
Prof. Dr. Richard David Precht
Prof. Dr. Richard David Precht
Vernetzter Kühlschrank: Auch der Kühlschrank könnte zukünftig dabei assistieren, wann was eingekauft wird. Samsung hat einen vernetzten Kühlschrank auf den Markt gebracht, der anhand der Einkaufs- und Verbrauchsgewohnheiten erkennt, wann welches Lebensmittel bestellt werden sollte und dies auch gleich erledigt.
Seleggt: Jährlich werden etwa 45 Millionen männliche Küken getöten, weil ihre Mast wirtschaftlich keinen Sinn macht. Damit will die REWE Group ein Ende bereiten. Zum einen werden bereits im Rahmen von den Projekten Spitz&Bube sowie Herzbube Bruderküken aufgezogen. Zum anderen kann mit Seleggt das Geschlecht des Kükens schon im Ei bestimmt werden. Diese werden dann nicht mehr ausgebrütet, sondern schon vorher zu hochwertigem Tierfutter verarbeitet. Derzeit befindet sich Seleggt noch im Prototyp-Stadium.
Tiny House 100: Die Wohnfläche pro Person hat sich in den vergangenen Jahren von etwa 20 Quadratmetern in den 60er Jahren auf über 40 Quadratmeter mehr als verdoppelt. Doch wieviel Platz braucht man, um sich wohl zu fühlen? Ein Tiny House kommt mit sechs Quadratmetern aus. Trotzdem ist es gemütlich und außerdem auch flexibel, wie die Besucher bei Dialogforum selbst erleben konnten.
Die Virtual Reality Brille: Mittendrin statt nur dabei – mit einer Virtual Reality Brille können Kunden im Reisebüro einen ersten Blick in Hotels werden oder einen Rundgang durchs Kreuzfahrtschiff machen. „Das Mittendrin-Gefühl“ hilft bei der Entscheidungsfindung, ob bei der Reise oder beim Möbelstück. Denn mit der VR-Brille kann man sich sogar ansehen – das geeignete Bildmaterial vorausgesetzt – wie das neue Sofa ins Wohnzimmer passt.
3-D-Drucker für Schrauben: Der Stuhl wackelt, die Tür klemmt – aber es fehlt die passende Schraube, um den Schaden zu reparieren. Mit dem 3-D-Drucker können fehlende Schrauben nachgedruckt werden. Dazu wird beispielsweise ein Bild oder eine 3-D-Datei benötigt. Da diese Drucker nur so viel Material verwenden, wie unbedingt benötigen, sind sie besonders nachhaltig.
Verpackung aus Pilzstruktur Bis eine Kunststoffflasche verrottet ist, dauert es etwa 450 Jahre. Eine Verpackung aus Pilzstrukturen ist da deutlich nachhaltiger. Das Material wächst auf landwirtschaftlichen Abfällen wie Maisblättern oder Hülsen und ist sowohl schwer entflammbar, als auch stabiler als Styropor. Das Start-up Ecovative will das Verpackungsmaterial jetzt im Handel etablieren.
Dazu lieferte die Trendausstellung einige Anregungen zu den Themenbereichen „Einkaufen und Logistik von Morgen“, „Bewusste Ernährung“, „(Food) Waste“, „Future Food“ und „Future Living“. Für Diskussionsstoff sorgte neben dem Stand mit Insekten als „Future Food“ vor allem das „Cultured Meat“. Denn wenn es nach Prof. Mark Post geht, wird sein im Labor gezüchtetes Fleisch schon in drei bis vier Jahren in Restaurants als „In-vitro-Burger“ erhältlich sein und bereits zwei bis drei Jahre später im Lebensmittelhandel.
Dr. Daniela Büchel
„Ich finde es wichtig,
dass es Unternehmen gibt,
die mal vorlegen.“
dass es Unternehmen gibt,
die mal vorlegen.“
Doch bei aller Begeisterung für die Innovationen waren sich Richard David Precht und Daniela Büchel in der abschließenden Podiumsdiskussion einig, dass die Politik zukünftig stärker regulierend in der Lebensmittelbranche eingreifen sollte. Prechts Ruf nach einem „Badtrade Siegel“, das Produkte markiert, die unter menschenunwürdigen oder klimaschädlichen Bedingungen produziert werden, begegnete Büchel mit dem Vorschlag, ein staatliches unabhängiges Siegel einzuführen. „Produkte, die dieses Siegel nicht tragen, sind dann ganz automatisch als weniger nachhaltig erkennbar“, so die Leiterin des Bereiches Nachhaltigkeit.
Nach acht Jahren Dialogforum zog sie eine positive Bilanz: „Wir haben erreicht, dass das Thema im Unternehmen verankert ist. Und uns gelingt es auch immer besser, Nachhaltigkeit in relevanten Teilen des Sortiments umzusetzen“, erklärte sie. Und mit Blick auf die Auslistung der Plastiktüte: „Ich finde es wichtig, dass es Unternehmen gibt, die mal vorlegen. Die Plastiktüte ist durch unsere Auslistung ein Branchenthema geworden, auf das anschließend die Wettbewerber aufgesprungen sind. Dennoch gibt es noch einiges zu tun: „Wir sind einen Teil des Weges gegangen, aber haben noch viel vor uns.“
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