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Sylvaine Mägli, Schulleiterin des Collège Véréna, im Interview
„Die Kinder können ihr Glück kaum fassen“
Sylvaine Mägli, Schulleiterin des Collège Véréna, berichtet im one_Interview von emotionalen Momenten während der Eröffnung der Schule, den harten Lebensbedingungen vieler Kinder und der Zuversicht, die die Schüler des Collège Véréna trotz Schicksalsschlägen und Ausbeutung durch ihre neue Schule gewonnen haben.
one: Frau Mägli, wie haben Sie ganz persönlich die Eröffnung der Primarschule erlebt?
Sylvaine Mägli: Natürlich war ich sehr aufgeregt, doch dank meinem Schulteam war die Arbeit gut organisiert. Mir hat das so gut getan, dass Herr Caparros so persönlich und natürlich mit den Kindern umging: Man merkte, wie sehr er die Kinder liebt und schätzt. Das ganze Fest war für mich unerhört schön, weil wir uns mit allen Primarschülern, Lehrern und Gästen mitten in der neuen Primarschule befanden, die so wunderschön und groß ist.
Sylvaine Mägli: Natürlich war ich sehr aufgeregt, doch dank meinem Schulteam war die Arbeit gut organisiert. Mir hat das so gut getan, dass Herr Caparros so persönlich und natürlich mit den Kindern umging: Man merkte, wie sehr er die Kinder liebt und schätzt. Das ganze Fest war für mich unerhört schön, weil wir uns mit allen Primarschülern, Lehrern und Gästen mitten in der neuen Primarschule befanden, die so wunderschön und groß ist.
one: Können Sie uns einige Beispiele geben, wie die Reaktion der Schüler ausgefallen ist?
Sylvaine Mägli: Die Kinder sind alle so begeistert! Sie können es kaum fassen, dass sie solch eine schöne Schule haben dürfen. Am Tag vor der Einweihung, als die Kinder morgens ihre Klasse dekorierten, war ein Fünftklässler noch um 17 Uhr da und half überall mit. Er wollte nicht mehr heimgehen, er sagte, er fühle sich in seiner neuen Schule sooooooooo wohl! Am Tag der Einweihung sah man eine Gruppe Erstklässler, die auf dem Schulhof tanzten, trotz der grossen Hitze! Sie freuten sich so sehr! Ein Schüler der 3. Klasse sagte, er würde niemanden auf die Wand schreiben lassen, denn seine Schulklasse soll immer schön und sauber bleiben! Eine Schülerin wünscht sich einen schönen Schulhof mit vielen Blumen, Gras und völlig ohne Abfall. one: Was schätzen die Kinder am meisten?
Sylvaine Mägli: Einen Satz habe ich am Eröffnungstag immer wieder gehört: „Hier können wir uns viel besser konzentrieren zum Lernen, es ist nicht mehr so heiß und nicht mehr so laut wie in den Holzbaracken. Dort haben wir es kaum noch ausgehalten!“ Auch die Lehrer schätzen die Architektur wegen ihrer Schönheit, aber auch wegen der natürlichen Lüftung dank der vielen großen Fenster. Alle bereiten jetzt ein Fest vor, das wir zum Ende des Schuljahres in den neuen Klassen und im Schulhof organisieren werden. Jede Klasse muss sich etwas ausdenken! Sie freuen sich riesig, so etwas haben sie noch nie erlebt.
Sylvaine Mägli: Die Kinder sind alle so begeistert! Sie können es kaum fassen, dass sie solch eine schöne Schule haben dürfen. Am Tag vor der Einweihung, als die Kinder morgens ihre Klasse dekorierten, war ein Fünftklässler noch um 17 Uhr da und half überall mit. Er wollte nicht mehr heimgehen, er sagte, er fühle sich in seiner neuen Schule sooooooooo wohl! Am Tag der Einweihung sah man eine Gruppe Erstklässler, die auf dem Schulhof tanzten, trotz der grossen Hitze! Sie freuten sich so sehr! Ein Schüler der 3. Klasse sagte, er würde niemanden auf die Wand schreiben lassen, denn seine Schulklasse soll immer schön und sauber bleiben! Eine Schülerin wünscht sich einen schönen Schulhof mit vielen Blumen, Gras und völlig ohne Abfall. one: Was schätzen die Kinder am meisten?
Sylvaine Mägli: Einen Satz habe ich am Eröffnungstag immer wieder gehört: „Hier können wir uns viel besser konzentrieren zum Lernen, es ist nicht mehr so heiß und nicht mehr so laut wie in den Holzbaracken. Dort haben wir es kaum noch ausgehalten!“ Auch die Lehrer schätzen die Architektur wegen ihrer Schönheit, aber auch wegen der natürlichen Lüftung dank der vielen großen Fenster. Alle bereiten jetzt ein Fest vor, das wir zum Ende des Schuljahres in den neuen Klassen und im Schulhof organisieren werden. Jede Klasse muss sich etwas ausdenken! Sie freuen sich riesig, so etwas haben sie noch nie erlebt.
one: In welchen persönlichen und familiären Situationen befinden sich die Kinder, die die Schule besuchen?
Sylvaine Mägli: Die meisten unserer Schüler kommen aus Familien, in denen die Eltern keine feste Arbeitsstelle haben und ihr tägliches Brot selbst erwirtschaften müssen. Das ist besonders für die alleinerziehenden Mütter schwierig, auch für die vielen Großmütter, die seit dem Erdbeben für ihre Enkelkinder Verantwortung tragen, weil sie Waise geworden sind. Die Schicksalsschläge, Krankheiten, Tod, das Fehlen einer Krankenkasse und anderer Sozialnetze sowie die Kriminalität bringen immer wieder Familien tiefer in die Misere. Es ist ein richtiger Teufelskreis, der sich seit dem Erdbeben immer verschlimmert, da die Lebenskosten seither stetig in die Höhe rasen. one: Einige der Schüler sind sogenannte „Restavek“-Kinder. Was bedeutet das?
Sylvaine Mägli: Diese Schüler leben in anderen Familien und werden als Arbeitskraft missbraucht. Sie werden „Restavek“ genannt, vom französischen „rester avec“ („bei jemandem bleiben“ / siehe Infobox). Wir konnten mit viel Überzeugungskraft einige „Gasteltern“ dazu bringen, diese Kinder auch in die Schule zu schicken, auch wenn sie erst mit sechs, acht oder zwölf Jahren in unseren Integrationsklassen eingeschult worden sind. Ein solches Mädchen etwa ist jetzt mit zehn Jahren nach einem Jahr Schule die Beste ihrer Klasse. Sie wurde von ihrer Freundin zu uns gebracht weil sie jeden Tag weinte, als sie sie sah, wie diese zur Schule gehen durfte und sie selbst nicht. Für Restavek-Kinder ist der Schulbesuch eine extrem wichtige Erfahrung und ein erster Schritt zu einem besseren Leben.
Sylvaine Mägli: Die meisten unserer Schüler kommen aus Familien, in denen die Eltern keine feste Arbeitsstelle haben und ihr tägliches Brot selbst erwirtschaften müssen. Das ist besonders für die alleinerziehenden Mütter schwierig, auch für die vielen Großmütter, die seit dem Erdbeben für ihre Enkelkinder Verantwortung tragen, weil sie Waise geworden sind. Die Schicksalsschläge, Krankheiten, Tod, das Fehlen einer Krankenkasse und anderer Sozialnetze sowie die Kriminalität bringen immer wieder Familien tiefer in die Misere. Es ist ein richtiger Teufelskreis, der sich seit dem Erdbeben immer verschlimmert, da die Lebenskosten seither stetig in die Höhe rasen. one: Einige der Schüler sind sogenannte „Restavek“-Kinder. Was bedeutet das?
Sylvaine Mägli: Diese Schüler leben in anderen Familien und werden als Arbeitskraft missbraucht. Sie werden „Restavek“ genannt, vom französischen „rester avec“ („bei jemandem bleiben“ / siehe Infobox). Wir konnten mit viel Überzeugungskraft einige „Gasteltern“ dazu bringen, diese Kinder auch in die Schule zu schicken, auch wenn sie erst mit sechs, acht oder zwölf Jahren in unseren Integrationsklassen eingeschult worden sind. Ein solches Mädchen etwa ist jetzt mit zehn Jahren nach einem Jahr Schule die Beste ihrer Klasse. Sie wurde von ihrer Freundin zu uns gebracht weil sie jeden Tag weinte, als sie sie sah, wie diese zur Schule gehen durfte und sie selbst nicht. Für Restavek-Kinder ist der Schulbesuch eine extrem wichtige Erfahrung und ein erster Schritt zu einem besseren Leben.
Restavek-Kinder
Manche der Schülerinnen und Schüler im Collège Véréna leben in anderen Familien und werden als Arbeitskraft missbraucht. Sie werden „Restavek“ genannt, das vom französischen „rester avec“ („bei jemandem bleiben“) kommt. Die Problematik der Restavek-Kinder ist in Haiti weit verbreitet und eine Tragödie für die Kinder und ihre Familien.
Manche der Schülerinnen und Schüler im Collège Véréna leben in anderen Familien und werden als Arbeitskraft missbraucht. Sie werden „Restavek“ genannt, das vom französischen „rester avec“ („bei jemandem bleiben“) kommt. Die Problematik der Restavek-Kinder ist in Haiti weit verbreitet und eine Tragödie für die Kinder und ihre Familien.
Arme Familien - vor allem jene, die auf dem Land leben - geben ihre Kinder aus Not an fremde Familien in der Stadt, wo sie täglich bis zu 16 Stunden schwere Arbeiten im Haushalt verrichten müssen. Viele von ihnen werden ausgebeutet und missbraucht und erhalten nicht die Schulbildung, die ihren Eltern zuvor häufig versprochen wurde. Nach Unicef-Schätzungen gibt es etwa 250.000 Restaveks in Haiti.
one: Was bedeutet die Schule für diese Kinder – über formale Bildung hinaus?
Sylvaine Mägli: Es bedeutet eine andere Welt kennen zu lernen. Im ihrem Quartier sehen sie nur Abfall auf der Straße, alte kaputte Häuser, Unruhe, Gewalt. Hier im Collège Véréna werden sie lernen, miteinander auf eine andere Art umzugehen, Konflikte anders als mit Gewalt zu lösen. Sie werden lernen, dass sie in den Augen Gottes, aber auch in den Augen ihrer Lehrer und Mitschüler wertvoll sind, dass sie Intelligenz und andere Gaben erhalten haben, die sie entwickeln müssen. Sie werden lernen, dass ihre Meinung wichtig ist, dass sie miteinander etwas auf die Beine stellen können, dass sie etwas für die anderen in der Schule, im Quartier, in ihrem Land zum Positiven ändern können. Das alles wird sie neben den schulischen Kenntnissen auf ihr Leben als junge Erwachsene vorbereiten. one: Wie wird die Schule in der Nachbarschaft wahrgenommen?
Sylvaine Mägli: Die meisten Eltern haben die neue Schule noch nicht gesehen. Wir haben versprochen, für jede Klasse einen Tag der offenen Tür zu machen, an dem die Eltern am Unterricht teilnehmen und anschließend die ganze Schule besuchen dürfen. Sie erwarten das mit großer Ungeduld. Die Eltern, die die Schule sehen konnten, trauten ihren Augen nicht. Wir haben immer den Eltern gesagt, dass diese Schule für die Gemeinschaft gebaut wird, dass das „ihre“ Schule ist, dass sie darum auch Sorge dafür tragen müssen. Sie sind sehr motiviert.
Sylvaine Mägli: Es bedeutet eine andere Welt kennen zu lernen. Im ihrem Quartier sehen sie nur Abfall auf der Straße, alte kaputte Häuser, Unruhe, Gewalt. Hier im Collège Véréna werden sie lernen, miteinander auf eine andere Art umzugehen, Konflikte anders als mit Gewalt zu lösen. Sie werden lernen, dass sie in den Augen Gottes, aber auch in den Augen ihrer Lehrer und Mitschüler wertvoll sind, dass sie Intelligenz und andere Gaben erhalten haben, die sie entwickeln müssen. Sie werden lernen, dass ihre Meinung wichtig ist, dass sie miteinander etwas auf die Beine stellen können, dass sie etwas für die anderen in der Schule, im Quartier, in ihrem Land zum Positiven ändern können. Das alles wird sie neben den schulischen Kenntnissen auf ihr Leben als junge Erwachsene vorbereiten. one: Wie wird die Schule in der Nachbarschaft wahrgenommen?
Sylvaine Mägli: Die meisten Eltern haben die neue Schule noch nicht gesehen. Wir haben versprochen, für jede Klasse einen Tag der offenen Tür zu machen, an dem die Eltern am Unterricht teilnehmen und anschließend die ganze Schule besuchen dürfen. Sie erwarten das mit großer Ungeduld. Die Eltern, die die Schule sehen konnten, trauten ihren Augen nicht. Wir haben immer den Eltern gesagt, dass diese Schule für die Gemeinschaft gebaut wird, dass das „ihre“ Schule ist, dass sie darum auch Sorge dafür tragen müssen. Sie sind sehr motiviert.
one: Und im Frühjahr 2016 soll ja auch noch die Sekundarschule ihre Eröffnung feiern.
Sylvaine Mägli: Genau, dann wird auch bald die alte Schule mit ihren provisorischen Baracken abgerissen, um Platz für die Sekundarschule zu schaffen. Am Schluss werden uns noch mehr Möglichkeiten offen stehen, da die Sekundarschüler nicht mehr nachmittags in der Primarschule unterrichtet werden müssen. Wir können dann die Schulstunden bis 14 Uhr verlängern und dann auch Nachhilfestunden anbieten, was vielen Kindern eine große Hilfe sein wird. Dann möchten wir, auch die musischen Fächer wie Theater, Musik, Tanz, Malen, etc. anbieten, die bis jetzt einfach vernachlässigt worden sind, so dass die Kinder alle ihre Gaben entwickeln können. one: Welche nächsten Schritte stehen in den kommenden Wochen und Monaten an?
Sylvaine Mägli: Ein schönes Gebäude macht noch keine gute Schule aus. Wir werden an der Disziplin, Ordnung, Sauberkeit arbeiten, so dass die Schüler in einer tollen Umgebung besser lernen können. Die Lehrer werden nach und nach ausgebildet, um neue Lehrmethoden nutzen zu können, die sie bis jetzt nicht gekannt haben, etwa Gruppenarbeit oder projektbezogenes Arbeiten. Zur Person
Sylvaine Mägli ist wie ihr Mann seit 32 Jahren Heilsarmeeoffizier. 2009 kamen sie gemeinsam nach Haiti. Nach einem Jahr als assistierende Schulleiterin wurde Mägli im Juli 2010 Schulleiterin des Collège Véréna, der größten Schule der Heilsarmee in Haiti. Um sich an die Kultur in Haiti zu gewöhnen, brauchte Mägli "mindestens drei Jahre", wie sie berichtet. „Ich "funktioniere" so anders, auch mein Leitungsstil ist so anders, als es meine Mitarbeiter gewohnt sind." Inzwischen klappe das schon viel besser: "Sie kennen mich und wissen, woran sie sind."
Sylvaine Mägli: Genau, dann wird auch bald die alte Schule mit ihren provisorischen Baracken abgerissen, um Platz für die Sekundarschule zu schaffen. Am Schluss werden uns noch mehr Möglichkeiten offen stehen, da die Sekundarschüler nicht mehr nachmittags in der Primarschule unterrichtet werden müssen. Wir können dann die Schulstunden bis 14 Uhr verlängern und dann auch Nachhilfestunden anbieten, was vielen Kindern eine große Hilfe sein wird. Dann möchten wir, auch die musischen Fächer wie Theater, Musik, Tanz, Malen, etc. anbieten, die bis jetzt einfach vernachlässigt worden sind, so dass die Kinder alle ihre Gaben entwickeln können. one: Welche nächsten Schritte stehen in den kommenden Wochen und Monaten an?
Sylvaine Mägli: Ein schönes Gebäude macht noch keine gute Schule aus. Wir werden an der Disziplin, Ordnung, Sauberkeit arbeiten, so dass die Schüler in einer tollen Umgebung besser lernen können. Die Lehrer werden nach und nach ausgebildet, um neue Lehrmethoden nutzen zu können, die sie bis jetzt nicht gekannt haben, etwa Gruppenarbeit oder projektbezogenes Arbeiten. Zur Person
Sylvaine Mägli ist wie ihr Mann seit 32 Jahren Heilsarmeeoffizier. 2009 kamen sie gemeinsam nach Haiti. Nach einem Jahr als assistierende Schulleiterin wurde Mägli im Juli 2010 Schulleiterin des Collège Véréna, der größten Schule der Heilsarmee in Haiti. Um sich an die Kultur in Haiti zu gewöhnen, brauchte Mägli "mindestens drei Jahre", wie sie berichtet. „Ich "funktioniere" so anders, auch mein Leitungsstil ist so anders, als es meine Mitarbeiter gewohnt sind." Inzwischen klappe das schon viel besser: "Sie kennen mich und wissen, woran sie sind."
Mithelfen, die Schule mit Leben zu füllen!
Auch wenn die Primarschule jetzt eröffnet werden konnte: Hilfe wird weiter dringend benötigt. Denn die Schule muss mit Leben gefüllt und der laufende Betrieb finanziert werden – von Lehrergehältern über die Ausstattung des Chemie-Labors bis hin zu AGs am Nachmittag.
Aktuell beträgt der Spendenstand 2.880.567 Euro (Stand April 2015). Doch Ende 2014 sind die bisher bestehenden Spendeneinwilligungen der REWE Group-Mitarbeiter abgelaufen, die dieses Projekt überhaupt erst möglich gemacht haben. Wer weiter dazu beitragen möchte, die Schule mit Leben zu füllen, kann seine Zuwendung für das Projekt „Gemeinsam für Haiti“ jetzt verlängern. Das Spendenformular für Neu- und Weiterspender finden Sie hier direkt zum Download, oder auf www.rewe-group-haiti.com / Rubrik Downloads.
Aktuell beträgt der Spendenstand 2.880.567 Euro (Stand April 2015). Doch Ende 2014 sind die bisher bestehenden Spendeneinwilligungen der REWE Group-Mitarbeiter abgelaufen, die dieses Projekt überhaupt erst möglich gemacht haben. Wer weiter dazu beitragen möchte, die Schule mit Leben zu füllen, kann seine Zuwendung für das Projekt „Gemeinsam für Haiti“ jetzt verlängern. Das Spendenformular für Neu- und Weiterspender finden Sie hier direkt zum Download, oder auf www.rewe-group-haiti.com / Rubrik Downloads.
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