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Lesedauer: 6 Minuten
Diversity: „Späte Karrieren“
„Reife, Resilienz, Routinen…“
von Bettina Rees

... Gelassenheit, Humor und Weitsicht, die Kinder schon groß, die Eltern noch gesund: Die Liste der Argumente ist lang, mit der Alexandra Welter belegen kann, dass über 50 genau das richtige Alter war, um einen größeren Karriereschritt zu wagen. Mit one sprach die HR-Führungskraft über den Wert von Erfahrungen, die Freude an Veränderungen, den Vorteil altersgemischter Teams  – und die notwendige Bereitschaft zu lebenslangem Lernen. 

 

one: Alexandra, mit 51 Jahren hast du dich intern beruflich verändert und eine größere Führungsrolle übernommen. Was hat dich gereizt, dich genau auf die Stelle zu bewerben? Warst du unzufrieden?
Alexandra Welter:
Nein, ich war nicht unzufrieden. Ich habe sechs Jahre lang sehr gerne als HR-Partnerin gearbeitet. Trotzdem bin ich ein umtriebiger Mensch und offen, habe viel Energie und will noch etwas gestalten, eine eigene Verantwortung, etwas, was mir Sinn gibt. Dann sah ich die interne Stellenausschreibung für den Head of Talent Attraction im Bereich Talent Acquisition und war direkt etwas verliebt: Eine tolle Funktion, systemrelevant und vergleichsweise neu. Die Aufgabe, das Talent Attraction-Team zu leiten und weiter zu entwickeln, hat mich sofort angesprochen. Zudem kenne ich den Bereich gut aus der Zusammenarbeit und konnte mir das direkt gut vorstellen.

one: Was genau hat dich angesprochen?
Alexandra Welter:
Mir war der Wechsel von einer beratenden Aufgabe hin zu einer Rolle mit größerem Gestaltungsrahmen, die viel Raum für Neues gibt, und vor allem das Thema Leadership wichtig. Ich hatte Lust auf Führung, auf einen eigenen Verantwortungsbereich, ein eigenes Team. Menschen zu entwickeln, ein Team zu formen, eine strategische Ausrichtung zu geben – das hat mich gereizt. Gereizt hat mich zudem, eine relevante Aufgabe für die REWE Group zu übernehmen. Und mich zu trauen. 

one: Hat „sich trauen“ in diesem Zusammenhang etwas mit dem Alter zu tun, in dem du diese Führungsposition angestrebt hast?
Alexandra Welter:
Das hatte nichts mit Alter zu tun, es ging mir eher um die benötigten Kompetenzen. Denn ich war nicht direkt vom Fach. Aber ich habe mir über die Jahre bei der REWE Group ein gutes Netzwerk aufgebaut. Das hilft mir, gemeinsam mit meinen Stärken und meinem erworbenen Erfahrungsschatz. Mich zu trauen hatte also weniger mit Angst zu tun als mit der Überlegung: Was kann ich einbringen? Passen Aufgabe und Umfeld? 

 

ZUR PERSON

Mit 51 Jahren wurde Alexandra Welter im November 2022 zum Head of Talent Attraction im Bereich Talent Acquisition ernannt. Bei der REWE Group begann sie 2017 als HR-Partnerin, wo sie unter anderem die Bereiche Customer, Strategy & Analytics betreute. 

one: Hast du diese Überlegungen alleine angestellt oder dich besprochen?
Alexandra Welter:
So ein Schritt muss gut überlegt sein, und ich war mir der Verantwortung, die die Aufgabe mit sich bringt, sehr bewusst. Ein Verstärker war meine Teilnahme am Women‘s Drive-Programm. Die Teilnehmerinnen und Coaches haben mich sehr bestärkt, eine größere Führungsaufgabe zu übernehmen. Ich sprach im Freundeskreis, mit Kolleg:innen und habe auch hier viel Zuspruch erhalten. 

one: Welche Rolle spielte dein Alter, als du dich beworben hast?
Alexandra Welter:
Ich hatte mir grundsätzliche Gedanken zu meinem Karriereweg gemacht, aber eher im Sinne von: Wo kann ich wirken und Mehrwert stiften? Welche Aufgaben machen mir Freude, geben mir Sinn? Welche Stärken habe ich? Welche Rollen passen für mich? Dabei spielte nebengeordnet auch die Frage eine Rolle: Wo punkte ich mit meiner Seniorität, welche positiven Seiten hat mein Alter? 

„Mich wirft nichts mehr so schnell aus der Bahn.“
Alexandra Welter:
© Getty Images | jacoblund

 

one: Was sind die positiven Seiten?
Alexandra Welter:
Positiv ist zum einen die aktuelle private Situation: Ich habe zwei Kinder, sie sind jetzt 15 und 17 Jahre alt, also nicht mehr so betreuungsintensiv. Gleichzeitig habe ich (noch) keine Pflegeverpflichtungen, die vor allem mentale Kapazitäten binden können. 

Und dann ist da eine Gelassenheit. Das Wort ist vielleicht ein wenig abgegriffen, ich finde es hier aber sehr passend. Resilienz ist ein weiterer Modebegriff, aber auch dieser trifft es gut. Mich wirft jetzt nichts mehr so schnell aus der Bahn. Ich habe einen breiten Erfahrungsschatz und kann damit auch in ruckeligem Fahrwasser bestehen. 

Eine gewisse Seniorität ist für Führung aus meiner Sicht also von Vorteil. Weitblick, Verständnis, flexibles, erfahrungsbasiertes Handeln und eben Gelassenheit sowie Resilienz helfen, eine berufliche Veränderung, vor allem aber auch eine, in meinem Fall erweiterte Führungsaufgabe zu übernehmen. Ich denke, dass man von meinem Wissens- und Erfahrungsschatz profitieren kann. Anders herum profitiere ich von Herangehensweisen und Techniken jüngerer Kolleg:innen. 

one: Eigentlich also ein wirklich gutes Alter, um Karriere zu machen …
Alexandra Welter:
Ja, obwohl ich mich insgesamt mit der Zuschreibung jung-alt im Jobkontext schwertue. In der heutigen und auch zukünftigen Arbeitswelt ist doch vor allem relevant, dass man die gleichen Werte teilt und crossfunktional in gemischten Teams gut zusammenarbeiten kann. Ich habe mit bunt gemixten Teams, wo alle ihre Stärken und Kompetenzen einbringen, die besten Erfahrungen gemacht. 

Viel wichtiger als das Geburtsdatum sind in meinen Augen Veränderungsfreude und Lust, mit anderen gemeinsam Erfolge zu erzielen. Veränderungsbereitschaft ist keine Frage des Alters. Und diese bringe ich mit. Genauso wie Neugier, Offenheit und Humor. 

one: Humor? 
Alexandra Welter:
Humor ist in meinen Augen unterschätzt, dabei halte ich ihn für wesentlich. Nicht nur im Privaten, sondern auch im Job. Humor und die Fähigkeit, sich nicht selbst immer so ernst zu nehmen, machen die Dinge so viel einfacher, das bringt eine gewisse Leichtigkeit mit sich. Die Zeiten sind schwierig genug.

 

„Ich halte es für wichtig, mit der Zeit zu gehen, lernbereit zu sein, digitale Kenntnisse aufzubauen.“
Alexandra Welter

 

one: Wie hast du dich selbst – im Vergleich mit früheren Jobwechseln – in der Einarbeitungsphase wahrgenommen?
Alexandra Welter:
Ich habe ein dynamisches und altersgemischtes Team, das eine Vielzahl von Themen bearbeitet und viele Ideen entwickelt. Mir hat in der Einarbeitung geholfen, die vielen Informationen stark zu systematisieren und zu katalogisieren. Das ist nicht zwangsläufig ein Altersthema, sondern eher die Weiterentwicklung von Arbeitstechniken, die man braucht, um den Überblick in einem komplexen Umfeld zu behalten. 

Die heutige Flut an Informationen muss systematisiert werden, damit man sie schlicht wiederfindet… Und das habe ich mir in meinem Berufsleben ganz gut angeeignet. Ist es perfekt? Nein. Auch ich suche immer wieder etwas, aber ich glaube mit zunehmender Erfahrung schneller zu wissen, was relevant ist, was nicht. Hier kommen Reife, Resilienz, Routinen ins Spiel. 

Daher glaube ich, dass ältere Mitarbeitende nicht nur genauso schnell, sondern sogar schneller eingearbeitet sein können. Was mich betrifft, ist meine Fähigkeit, Informationen aufzubereiten und einzuordnen, besser als früher.

one: Und was „verlangt“ die heutige Arbeitswelt von den Älteren in punkto neuer Technologien?
Alexandra Welter:
In unserem digitalen Zeitalter halte ich unabhängig vom Alter eine Offenheit für unabdingbar. Ich halte es für wichtig, mit der Zeit zu gehen, lernbereit zu sein, und sich nicht davor zu verschließen, digitale Kenntnisse aufzubauen und weiter zu entwickeln. 

Offenheit bezieht sich aber nicht nur auf Digitalität: Wir brauchen einfach unser ganzes Leben lang die Bereitschaft, liebgewonnene Routinen, alte Strukturen und Denkweisen zu hinterfragen. Zum Beispiel zu akzeptieren, dass die Mitarbeitenden sich vielleicht ein Happiness-Management wünschen, auch wenn ich das als Führungskraft nicht im Sinn gehabt hätte.

one: Wie siehst du die Arbeitswelt für die Generation Ü50?
Alexandra Welter:
Einige meiner Bekannten machen sich Gedanken, wie sie vor dem Hintergrund immer späterer gesetzlicher Renteneintrittsalter Akzeptanz im Job, Freude und Kompetenzen erhalten und weiterentwickeln können. Es ist wesentlich, dass die REWE Group sich zu Modellen und Angeboten Gedanken macht, wie wir die Erfahrungen und Stärken der älteren Mitarbeitenden weiter nutzen können. Ich denke hier spontan an Mentoring, Mediation, Führung, aber auch Senior Expertentum. 

Dafür müssen wir lernbereit bleiben und unsere Einstellungen immer wieder hinterfragen. Neugierig und offen zu sein, sind altersunabhängige Fähigkeiten, die aber für späte Karrieren unerlässlich sind. 

one: Hast du für dich ein Vorbild?
Alexandra Welter:
Ein tolles Vorbild sind meine Eltern, vor allem mein Vater. Er hat sich mit 57 Jahren selbständig gemacht und war darin noch mit 70 beruflich aktiv, und das sehr erfolgreich. Jetzt ist er 80 Jahre alt und immer noch superfit. Wie er kann ich mir vieles vorstellen. Nur eins nicht: Gar nicht zu arbeiten. 

 


one sucht Mutmacher:innen 

Sie sind auch mit über 50 Jahren einen weiteren Karriereschritt gegangen, haben eine berufliche Veränderung gewagt oder gar erstmals eine Führungsposition übernommen? Und Sie möchten mit Ihrem Beispiel Kolleg:innen inspirieren und Mut machen? Dann kontaktieren Sie uns gerne: onerewe-groupcom. Wir freuen uns. 

Mein Kommentar
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Kommentare
Astrid
vor 1 Jahr und 6 Monaten

Tolles Interview, viel Erfolg bei der neuen Aufgabe

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Felipe
vor 1 Jahr und 6 Monaten

Schön, dass du dich "getraut" hast, Alex!

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