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© Getty Images | PM Images
Bereichsporträt Research & Innovation
„Innovation wird aus Mut gemacht“
von Julia Klotz

Was treibt die Zukunft der Technologie an? Dieser Frage geht das Team „Research und Innovation“ auf den Grund. Wie dabei scheinbar tollkühne Ideen den Sprung in die Praxis schaffen, warum Mut zum Risiko gefördert wird – und die besten Innovationen manchmal durch Zufall entstehen.

Kai-Uwe Reimers, Head of Research & Innovation bei REWE digital Fragt man Kai-Uwe Reimers, ob die Kolleginnen und Kollegen in seinem Team eigentlich mutig sein müssen, um erfolgreich zu sein, runzelt der 49-Jährige erstmal die Stirn. „Mutig wäre nicht die erste Eigenschaft, die mir in den Sinn kommt…kreativ, das auf jeden Fall. Visionär und selbstständig“, sagt Reimers, aber mutig? Darüber müsse er kurz nachdenken. Doch dann ergänzt er: „Genaugenommen könnten wir ohne eine große Portion Mut unseren Job gar nicht machen. Wir brauchen Mut, um wirklich über den Tellerrand zu gucken, scheinbar tollkühne Ideen zu verfolgen und diese gegen Widerstände und Skeptiker zu verteidigen. Kurz gesagt: Innovation wird aus Mut gemacht.“  

Denn das ist das Ziel von Kai-Uwe Reimers und seinem 14-köpfigen Team „Research & Innovation“: Heute herauszufinden, was die Zukunft der Technologie antreibt – und zu prüfen, wie das der REWE Group und ihren Vertriebslinien nutzen kann. Innovationen würden zwar in den verschiedensten Bereichen des Unternehmens entstehen, betont Reimers. Doch das vor zweieinhalb Jahren ins Leben gerufene Team beschäftigt sich nicht mit den kleineren Optimierungen: „Wir schauen viel weiter nach vorne: Was sind die nächsten großen Themen für REWE und den Handel, was kann uns in der Zukunft signifikant besser machen? Dabei arbeiten wir sehr technologiegetrieben und nehmen Prozesse, Märkte und Logistik in den Blick.“
„Wir wollen wissen: Was könnte uns meilenweit nach vorne bringen?“Kai-Uwe Reimers

Jörg Hirt Jörg Hirt, im Team verantwortlich für das Innovation Management, erklärt es so: „Wir interessieren uns zum Beispiel nicht dafür, wie wir ein Kassensystem um drei Prozent schneller machen können. Dafür haben wir genug Expert:innen in den Fachbereichen. Wir wollen wissen: Wie kann das Kassieren der Zukunft aussehen? Was gibt es an Technologie oder disruptiver Energie da draußen, die uns entweder bedroht, oder meilenweit nach vorn bringen kann?“

Dazu setzt das Innovation Management unter anderem auf aktives Trend-Scouting, schaut sich verschiedenste Start-ups und Technologien an und geht in den Austausch mit Industriepartnern, Forschungseinrichtungen und Handelsunternehmen weltweit – von Tesco über Walmart bis zu Albert Heijn. Die Themengebiete reichen von der Digitalisierung der Märkte über die letzte Meile in der Logistik, Künstliche Intelligenz und Machine Learning bis zu Robotics. Was vielversprechend klingt, wird ausprobiert.

Hier kommen die Innovation Engineers rund um Florian Wilk ins Spiel. „Wir sind dann die, die in die Tasten hacken und den Nachweis erbringen, dass Innovation und Technologie tatsächlich funktionieren“, erklärt Wilk.
„Die geilen Themen sind oft Zufallsprodukte“Jörg Hirt Die Herausforderung hierbei: Oft sind die Technologien so neu, dass es noch keine Datenbasis gibt. Also muss möglichst schnell ein Prototyp her, um den Realitäts-Check machen und entscheiden zu können, welche Ideen es wert sind, weiterverfolgt zu werden. Das Team vertraut dabei auf Erfahrung, Bauchgefühl und vor allem den Austausch mit Fachbereichen. Florian Wilk „Wir sitzen nicht im Elfenbeinturm, sondern haben stets ein Ohr an unseren Märkten, der Logistik oder dem Vertrieb“, sagt Reimers. Kolleg:innen zu vernetzen und Parallel-Entwicklungen zu vermeiden, ist ihm ein Herzensanliegen. Manchmal sind es jedoch gerade die Zufallsfunde, die ein Thema voranbringen, sagt Jörg Hirt: „Es ist ein bisschen wie bei der Partnersuche: Du hast ein festes Bild davon, was du suchst, aber letztlich findest du vielleicht etwas ganz anderes – viel Besseres – das du nicht gesucht hast. Und das ist beim Innovationsmanagement das Interessante: Die geilen Themen sind oft Zufallsprodukte unserer Arbeit, wenn wir auf Unbekanntes stoßen, das uns unerwartet voran bringt.“

Oft genug muss das Team hierbei seine Ideen gegen Widerstände verteidigen und viel Überzeugungsarbeit leisten. Denn nicht für jeden ist nachvollziehbar, woran sie überhaupt arbeiten, gibt Reimers zu. „Wir werden gern mal als Spinner bezeichnet, oder als Geheimniskrämer, weil wir nicht immer offen über alle Projekte sprechen können – und die Ergebnisse nicht immer direkt sichtbar sind.“ Dazu brauche es Mut und Durchhaltevermögen.

Jörg Hirt vergleicht es mit Indiana Jones: Im Film sehe man immer nur seine Heldentaten, aber nie den Weg dorthin: „Man sieht nicht, wie er recherchiert hat, Bücher gewälzt hat, sich schlau gemacht hat, Wissen angehäuft hat – dabei ist das die Basis. Dann kommt die eigentliche Arbeit – da wird zum Beispiel ewig Unrat ausgesiebt, um ein fehlendes Puzzleteil zu finden. Das mache wir auch, wir bekommen auch ganz viel Input von außen, den wir erstmal filtern müssen. Und am Ende findet man mit Glück das eine Fragment, das wir brauchen, um etwas wirklich Neues auf die Beine zu stellen.“ „Fehler sind Teil unserer Arbeit. Wenn wir keine Fehler machen, lernen wir auch nicht“Kai-Uwe Reimers Wichtig sei dazu vor allem eine Umgebung, in der Kreativität möglich ist und Innovationen passieren können, betont Reimers. Zum Beispiel durch offene Räume, die die Kommunikation untereinander fördern, flexibles Arbeiten und ein diverses Team. Außerdem brauche es entsprechende Werte: Vertrauen, Neugier, Eigenverantwortung – und eine gute Fehlerkultur. „Innovations- und Fehlerkultur gehören zusammen. Mut zum Risiko wird gefördert und Fehler werden bei uns akzeptiert, nicht sanktioniert. Fehler sind Teil unserer Arbeit. Wenn wir keine Fehler machen, lernen wir auch nicht, daher sehen wir sie nicht als Scheitern", erklärt Reimers.

So sieht das auch Florian Wilk: „Mit dem Begriff Scheitern kann ich nichts anfangen. Wir haben Projekte, die wir irgendwann eingestellt haben, weil wir erkannt haben, dass sie in der Praxis nicht funktionieren. Das ist eine wichtige Erkenntnis und wir können mit einer anderen Idee nachrücken. Scheitern – den Begriff würde ich nur nutzen, wenn wir etwas richtig verbockt haben.“ Man müsse jedoch manchmal auch den Mut haben, liebgewonnene Projekte aufzugeben, in die das Team viel Zeit investiert hat. „Da muss man auch ehrlich mit sich selbst sein und nichts künstlich am Laufen halten.“ Ein Spagat in einer zunehmend auf Ergebnis und Effizienz ausgerichteten Arbeitswelt.

Vertrauen ist eine Grundvoraussetzung

Vertrauen von Seiten des Managements ist daher eine Grundvoraussetzung, findet Jörg Hirt, denn das Suchen nach Innovation ist für Außenstehende kaum sichtbar und lässt sich schlecht bewerten. Forschungsprojekte könnten auch mal zwei oder drei Jahre dauern und sich wie eine Durststrecke anfühlen, bis Ergebnisse vorliegen. „Das Management muss bereit sein, das mitzutragen und in unsere Fähigkeiten vertrauen“ so Hirt. „Es muss außerdem klar sein, dass von zehn Themen sechs oder sieben floppen können und wir nochmal umdenken müssen.“

Als Beispiel nennt Kai-Uwe Reimers den virtuellen Weinberater, den das Team erstmals in einem REWE-Markt getestet hat: Zwei Kameras wurden an einem Regal installiert, um Gesten der Kunden zu erkennen und ihnen an einem Screen individuelle Informationen zu Produkten auszuspielen. Eine gute Idee, um Kameratechnologie zum Kundennutzen einzusetzen – in der Theorie. „In der Praxis musste das System alle zwei Tagen neu kalibriert werden, weil sich Regale bewegt haben, oder Kunden an die Kameras gestoßen sind. Also haben wir alles wieder abgebaut, umgebaut, als Ein-Kamera-Version neu installiert – und sind mit der verbesserten Produktversion nun recht erfolgreich im Kölner Weinkeller.“ Jörg Hirt ergänzt: „Der ein oder andere mag sich fragen: Was bringt uns so ein Weinberater? Bringt das in der Praxis dem Kunden so viel? Doch uns geht es vor allem um die Technologie: Was könnten wir alles tun, wenn wir die Gesten von Menschen erkennen können – was lässt sich damit alles machen, wie lässt sich das weiterspinnen?“

„Als würde ich meinem Ich von vor 40 Jahren das Internet von heute erklären“Florian Wilk Visionen entwickeln und diese immer wieder aufs Neue auf breiter Front verteidigen, Forschungsprojekte auf die Beine stellen, mit scheinbaren Misserfolgen umgehen und sich ein Stück weit vom Erfolgsdruck lösen – dazu gehört viel Rückgrat. Warum kämpft das Team so sehr für seine Ideen? Für Kai-Uwe Reimers ist die Antwort klar: „Im Gegensatz zu alltäglichen kleinen Verbesserungen sind Innovationen für ein Unternehmen das Ticket zu den Märkten von morgen – und damit überlebensnotwendig. Die Digitalisierung gibt kleinen Unternehmen und Start-ups so viele Möglichkeiten, die Starrheit der Großen und Alteingesessenen auszunutzen und ihnen Marktanteile wegzunehmen. Wenn es uns mittelfristig noch geben soll, dürfen wir den Anschluss nicht verpassen.“ Außerdem würden Innovation immer komplexer und radikaler, so Jörg Hirt: „Früher hieß es: Großes Unternehmen gleich günstige Einkaufspreise gleich Erfolg. Doch das schützt uns heute nicht mehr. Facebook hat klein angefangen und ist momentan das größte Newsmedium, dabei hat das Unternehmen keine eigene Redaktion. Uber ist das größte Taxiunternehmen, hat aber keine eigenen Fahrzeuge – alles möglich durch Mittel der Digitalisierung. Daher müssen wir selbst disruptiv denken.“

Dass das Team von Kolleginnen und Kollegen anderer Fachbereiche manchmal für seine Ideen belächelt wird, nimmt ihnen Florian Wilk nicht krumm. Er ist es gewohnt, auch tollkühne Ideen zu verteidigen: „Das ist oft so, als würde ich meinem Ich von vor 40 Jahren das Internet von heute erklären. Nicht mal die Leute, die das damals erfunden haben, hätten voraussehen können, wie es unsere Welt verändert. So ist es auch bei uns: Wir sehen Zukunftsthemen auf uns zurollen, die wir schon heute Menschen erklären müssen.“ Wenn die REWE Group dadurch zukunftsfähig bleibt, ist es den Mut und die Mühe wert, sind sich alle einig.

Mein Kommentar
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Kommentare
Rainer Langen
vor 3 Jahren und 7 Monaten

Grade Unternehmen wie Uber, die ich kritisch sehe, werden in der Zukunft für eine Revolution der kleinen Angestellten sorgen, weil die Menschen von Ihren Gehalt nicht mehr leben können, übrigens der Vergleich mit Indiana Jones hingt etwas,

Q vom MI6 wäre etwas realistischer und diesen Job mit dem Titel (grade frei) gibt es wirklich im Home Office...schmunzel

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Jürgen Billerbeck
vor 3 Jahren und 7 Monaten

Euer Bereich ist aus meiner Sicht super wichtig. Ich wünsche euch weiterhin Durchhaltevermögen und gute Resultate. Was habt ihr denn schon alles "Erfunden".

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