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© Getty Images | simonmayer
Lesedauer: 6 Minuten
DER Krisenmanagement
„Im nächsten Jahr reist man wieder komfortabler“
von Sylvia Hannstein

Corona und Flugchaos: Das Krisenmanagement der DER Touristik war in den vergangenen Jahren vielleicht geforderter denn je. Leiterin Melanie Gerhardt erzählt, wie sich die Arbeit verändert hat, wie ihr Krisenteam über sich hinausgewachsen ist, und welche Hoffnungen sie in das kommende Reisejahr setzt.

Im Ferien-Flughafen-Chaos waren Helpteams der DER Touristik im Einsatz, um Fragen der Passagiere zu beantworten und Tipps für einen schnelleren Ablauf zu geben one: Frau Gerhardt, nach dem Aufatmen über ein Abflauen der Auswirkungen von Corona auf den Tourismus kam mit dem Sommer-Chaos an deutschen Flughäfen der nächste Schock. Wie sind Sie und Ihr Team damit umgegangen?

Melanie Gerhardt: „Nachdem unser Krisenmanagement die touristischen Auswirkungen der Pandemie weitgehend im Griff hatte, galt es, sich erneut auf eine neue Herausforderung einzustellen. Mit zunehmender Lockerung der Reiseeinschränkungen in Deutschland und den Urlaubsländern hatte eine Reisewelle eingesetzt, die kaum jemand für möglich gehalten hatte. Flughäfen und Airlines waren auf die Situation nicht vorbereitet, und wurden vom Ansturm überrollt. So kam es zum bekannten Flugchaos mit langen Wartezeiten an Flughäfen, Flugausfällen und Tausenden verlorenen Koffern. 

Aber auch hier wusste das Krisenmanagement der DER Touristik, was zu tun war. Unter anderem schickten wir Helpteams, eine Art schnelle Eingreiftruppe, an besondere Brennpunkte. Wo es gefordert war, unterstützen diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unsere Gäste vor ihrem Urlaub, direkt nach der Landung oder auch im Anschluss an den Urlaub.“ 

one: Wie konnten Ihre Helpteams denn konkret helfen?

Melanie Gerhardt: „Zum Beispiel halfen sie an den betroffenen Flughäfen, indem sie beim Security Check die vielen Fragen nach der Wartezeit beantworteten und Tipps gaben, wie das Handgepäck am schnellsten durch den Check kommt. Gäste mit eingeschränkter Mobilität wurden besonders unterstützt. Darüber hinaus halfen unsere Helpteamer Reisenden, die an deutschen Flughäfen gestrandet waren, zum Beispiel beim Ausfüllen von Koffer-Verlustmeldungen, und unterstützten im Back Office unsere Hotline, die als Bindeglied zu den Airlines fungierte. Sie flogen sogar selbst in Zielgebiete, um sich zum Beispiel persönlich darum zu kümmern, dass vor Ort liegen gebliebenes Gepäck von einer Vielzahl von Reisegästen an die Bestimmungsorte in Deutschland gelangte.“

„In Zeiten von Großkrisen ist Reden Gold“
Melanie Gerhardt

one: Woher kamen diese guten Geister? Es hieß doch überall, es sei kein Personal zu finden.

Melanie Gerhardt: „Das waren allesamt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DER Touristik, die eingesprungen sind. Sie haben sich spontan bereiterklärt, an den Wochenenden an diversen deutschen Airports zu helfen. Im August sind sogar zwei Helpteamer für eine (kurze) Nacht nach Kreta geflogen, um zahlreiche Koffer von einer Vielzahl von Reisegästen nach Hause zu bringen."

one: Ein solcher Einsatz der Kollg:innen ist sicher keine Selbstverständlichkeit…

Melanie Gerhardt: „Ja, durch diese Einsätze konnten wir die unglaublich belastende Situation für die Reisenden zumindest erträglicher machen, und manche Probleme unkonventionell lösen. Das kam natürlich auch bei unseren Gästen sehr gut an. Gerade für solche, keineswegs selbstverständlichen Service-Leistungen haben wir sehr viel positive Resonanz erhalten. Und auch die Helpteamer sind voller positiver Energie über den Erfolg ihrer Einsätze – obwohl das ja ein sehr anstrengender Job ist. Aber letztlich hat unser Team mitgeholfen, dass das Chaos in der gesamten Branche verringert wird. Darauf darf es zurecht stolz sein!“

„Jeder hat am Flughafen sofort die Helpteamer der DER Touristik an ihren roten T-Shirts erkannt – so fühlten sich unsere Gäste nicht alleingelassen“
Melanie Gerhardt

one: Ein Rückblick auf die ersten Jahre der Corona-Krise: Sie sind seit 2001  Krisenmanagerin bei DER Touristik. Haben Sie so etwas schon einmal erlebt?   

Melanie Gerhardt: „An intensive Einsätze und 24/7-Dienste bin ich, sind wir, gewöhnt. Doch eine so komplexe Krisenlage wie Corona stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Auch die Krisenthematiken änderten sich. Da galt es nun, sich sowohl intensiv mit Hygiene- und Einreise-Auflagen zu beschäftigen und die Kontakte zu den ausländischen Behörden und Vertretungen zu aktivieren. Natürlich immer mit dem Ziel, Möglichkeiten eines touristischen Restarts auszuloten."

one: Und gleich zu Beginn die unglaubliche Rückholaktion Tausender Reisender…

Melanie Gerhardt: „Richtig. Von März bis zum 9. April 2020 gab es die größte Rückholaktion in der Geschichte der gesamten Touristik. Das Krisenmanagement der DER Touristik war daran umfänglich beteiligt, hat die gesamte Rückholung gesteuert, mit den Fachbereichen koordiniert und sorgte dafür, dass weltweit Tausende gestrandete Urlauber wohlbehalten in die Heimat zurückgeführt werden konnten. Noch während dieser nie dagewesenen Rückholaktion trat das Corona-Virus seinen Vormarsch an. Und das Krisenmanagement der DER Touristik hatte es plötzlich mit neuen Aufgaben zu tun.“

one: Wie schafft man es, bei einer so komplexen Krisenlage wie Corona einen Überblick zu behalten?

Melanie Gerhardt: „Für uns war es absolut essenziell, immer ganz nah am Geschehen zu bleiben und einen ausgereiften Pandemie-Abwicklungskatalog zu haben. Man muss die Lage – später auch dank neu entwickelter digitaler Auswertungsmechanismen – in Echtzeit im Blick behalten: jede neue Maßnahme in den Urlaubsländern, jede Entscheidung der deutschen Bundesländer, der Bundesregierung und der EU sowie jede neue Einschätzung relevanter Organisationen und Institute – und natürlich auch jede Verlautbarung und jede Pressekonferenz.“

„An intensive Einsätze und 24/7-Dienste sind wir als Krisenteam gewöhnt. Doch eine so komplexe Krisenlage wie Corona stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten“
Melanie Gerhardt

Melanie Gerhardt, Leiterin Krisenmanagement DER Touristik one: Und als das Reisen wieder möglich wurde, war die Arbeit für Sie und ihr Team ja nicht getan.

Melanie Gerhardt: „Ja, es war ein Auf und Ab. Das ´Hochfahren´ der Urlaubsregionen stellte in den Jahren 2020 und 2021 immer wieder eine echte Herausforderung dar. Ständig gab es seitens der Politik und der Behörden neue Vorgaben, Bewertungen und Einschätzungen, die es zu beachten und zu kommunizieren galt.  Man musste den Spagat schaffen – und auch die Lust am Reisen immer wieder neu wecken. Ein großes Problem: Die Tourismusbranche war zunächst digital nicht darauf eingestellt, um die neuen Vorgaben – vor allem die sich teils täglich ändernden Einreisebestimmungen – sofort automatisch zu verarbeiten. Bis die ersten IT-Unternehmen im September 2021 so weit waren, mussten unsere Fachbereiche aufwändig individuell informieren.“

one: Wie wichtig war in diesen Zeiten die Kommunikation mit den Gästen?

Melanie Gerhardt: „Wichtiger denn je. In Zeiten von Großkrisen ist Reden Gold. Es galt, über Wochen und Monate jeden Gast informieren zu können, der Fragen hatte. In einem gewaltigen Kraftakt aller Beteiligten entstanden in dieser Zeit in schneller Folge Dutzende sogenannter ´Take Care Flyer´ und Podcast-Serien, die rund um die Restart-Maßnahmen und grundsätzliche Aspekte der Pandemie informierten. Quasi am Fließband – und teils über Nacht – wurden solche Flyer produziert, ebenso wie eine Fülle individueller Gäste- und Vertriebsinfos bis hin zu Live-Webinaren aus den Zielgebieten.“

„Die schnelle Taktung, das ständige Auf und Ab, der riesige Bedarf an Information: Es war ein anderes Arbeiten in der Pandemie. Ich bin stolz darauf, dass wir das in der Touristik mit einer fantastischen Teamleistung geschafft haben“
Melanie Gerhardt

one: Mit Blick auf das kommende Reisejahr: Sind Situationen wie das gerade erlebte Chaos an Flughäfen passé?

Melanie Gerhardt: „Ich bin da sehr zuversichtlich. Ich glaube, es wurde viel aus dem Sommer-Desaster gelernt. Am Kölner und Düsseldorfer Airport beispielsweise wurde inzwischen ein zweiter Security-Dienstleister beauftragt. Man hat mittlerweile genug Mitarbeitende in den Schichten aufstocken können, und es gibt weniger krankheitsbedingt Ausfälle.  

Die Dienstleister und Airports bereiten sich jetzt schon mit zusätzlichem Personal auf eine mögliche Herbst/Winter-Coronawelle vor. Auch das Zusammenspiel zwischen Flughäfen und Airlines hat sich verbessert: Viele Airlines haben ihren Flugplan ausgedünnt, weil sie nur so einen geordneten Flugbetrieb und Reisezuverlässigkeit bieten können. Die Schalter-Öffnungszeiten wurden verlängert, die Wartezeiten sind inzwischen fast wieder normalisiert. 

Für das nächste Jahr wurden ausgereifte Konzepte erarbeitet; es werden verbesserte digitale Prozesse für Koffer-Verlustmeldungen etabliert und auch der Zustellungsprozess generell verbessert. Seit einigen Wochen arbeiten die Airports an umfangreichen Personal-Recruiting-Maßnahmen. 

Ein echter Fortschritt: Im kommenden Jahr werden viele Airports Computertomographiegeräte einsetzen. Dann müssen Passagiere keine Flüssigkeiten und Computer mehr aus dem Handgepäck nehmen. Das erspart erheblich Zeit. Für diese neue Technologie gibt es seit einiger Zeit eine EU-Freigabe und einige Airports haben die neuen Scanner bereits in diesem Sommer in Betrieb genommen."

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