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Schlagkräftig dank Fördergeldern
Gemüsebauer Brun und die EU
von Stefan Weber

Was hat ein bäuerlicher Familienbetrieb aus Borken mit Europa zu tun? Eine ganze Menge. Denn ohne Geld aus EU-Töpfen wäre der Betrieb der Familie Brun sehr viel weniger leistungs- und wettbewerbsfähig. one erklärt, wie Landwirte mit EU-Mitteln ihre Zukunft sichern – und warum der Brexit auch Auswirkungen auf den Betrieb der Bruns haben wird.

Tobias Brun 150 Mitarbeiter, 50 000 Tonnen Jahresproduktion, 60 000 Quadratmeter Betriebsgelände – der Familienbetrieb Brun Frischgemüse aus Borken ist einer der großen Gemüsebauern im Münsterland. In vierter Generation setzt das Unternehmen alles daran, seine Kunden, darunter REWE und PENNY, mit täglich frischer Ware zu begeistern. Wichtigstes Produkt sind Möhren, die der Betrieb auf mehr als 500 Hektar anbaut. 

Was hat ein bäuerlicher Familienbetrieb aus Borken mit Europa zu tun? Eine ganze Menge. Denn ohne Zuwendungen aus EU-Töpfen wäre Gemüseerzeuger Brun ebenso wie viele zehntausend andere Betriebe in Deutschland sehr viel weniger leistungs- und wettbewerbsfähig. Ein Beispiel: Im vergangenen Jahr hat der Betrieb aus dem Münsterland 1,2 Millionen Euro in eine Wasseraufbereitung investiert. „Ohne einen Zuschuss von der EU wäre das nicht zu schaffen gewesen“, betont Geschäftsführer Tobias Brun.

Das Agrarbudget ist der größte Posten im EU-Haushalt. Etwa 40 Prozent aller Ausgaben entfallen auf die Unterstützung der Landwirtschaft. Das bedeutet: In jedem Jahr verteilt Brüssel knapp 60 Milliarden Euro in den Ländern der Europäischen Union. Etwa sechs Milliarden Euro davon gehen nach Deutschland. Empfänger sind jedoch nicht nur Landwirte. Auch Behörden und staatliche Stellen, die Umweltschutzauflagen erfüllen oder sich um Infrastruktur im ländlichen Raum kümmern, erhalten EU-Gelder. 

Fläche statt Menge

Immer wieder Anlass zur Kritik geben vor allem die so genannten Direktzahlungen, die den Großteil der EU-Förderung ausmachen. Sie stammen aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL). Früher bemaßen sich die Zahlungen an der produzierten Menge. Die Folge waren Milchseen und Butterberge. Um solche Überproduktionen zu vermeiden, ist heute die Fläche eines landwirtschaftlichen Betriebs entscheidend. Je größer, desto mehr Geld gibt es. Nach Angaben des vom BUND gemeinsam mit der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichten „Agraratlas 2019“ gehen etwa 80 Prozent der Direktzahlungen der EU an nur 20 Prozent der Betriebe. 

Für Gemüsebauer Brun bedeutet das: Er erhält eine so genannte GAP-Prämie. Das Kürzel steht für Gemeinsame Agrarpolitik der EU. Die Basisprämie beträgt 175 Euro je Hektar und ist für weitere Zuschläge an Auflagen wie Fruchtfolge, Diversität oder Stilllegung einer Teilfläche geknüpft. Mit Zuschlägen, so rechnet Tobias Brun vor, sind circa 275 Euro je Hektar Agrarprämie je nach Bundesland möglich. Ausgezahlt wird die Förderung von der Landwirtschaftskammer NRW.

Weitere Unterstützung aus öffentlichen Kassen (von Bund oder Ländern, nicht jedoch der EU) können landwirtschaftliche Betriebe aus dem Agrarinvestitions-Förderprogramm (AFP) erhalten. Es fördert den Bau von Ställen, Gewächshäusern und Maschinen mit etwa  20 Prozent der Investitionssumme und ist in das NRW-Förderprogramm „Ländlicher Raum“ eingebunden. Für einen Betrieb mit der Größe von Brun kommt die AFP-Förderung nicht in Frage. Anders ist das beim Bundesprogramm Energieeffizienz. Aus diesem Topf gibt es Zuschüsse von 30 bis 40 Prozent der Investitionssumme für den Bau von Gewächs- oder Kühlhäusern. „Aber diese Mittel sind häufig schnell vergriffen“, weiß Tobias Brun.

Zweckbindung und Kontrollen

Zur EU-Agrarförderung gehört nicht nur die Unterstützung landwirtschaftlicher Betriebe mit Direktzahlungen, sondern auch Strukturpolitik. Dazu ist vor allem der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) gedacht. Er wird sowohl aus EU-Mitteln als auch aus nationalen Mitteln bezahlt. Dabei legen die Bundesländer jeweils eigene Programme auf, um auf besondere regionale Herausforderungen zu reagieren. „Diese Förderung nehmen wir für unseren Verpackungsbetrieb in Anspruch“, erläutert Gemüseerzeuger Brun. Die Auflagen seien hoch, betont er. Es gebe eine strenge Zweckbindung für die Mittel und regelmäßige Kontrollen. ELER bezuschusst Investitionen mit bis zu circa 30 Prozent. Je Projekt und Betrieb kann die Förderung bis zu einer Million Euro betragen. 
Unterstützung bei der Finanzierung können Betriebe die einer anerkannten Erzeugerorganisation angeschlossen sind, auch aus dem EU-Programm zur Förderung von Erzeugerorganisationen erhalten. Für Investitionen in Gebäude oder Verpackungsmaschinen können diese so organisierten Erzeuger bis zu 50 Prozent der Investitionen als Zuschuss erhalten. 

„Alle diese Förderprogramme ermöglichen es den Betrieben, schneller und mutiger in neue und innovative Technik zu investieren. Dadurch bleiben sie schlagkräftig. Ohne diese Unterstützung wären viele Betriebe heute sicher nicht da, wo sie sind“, meint Brun. Davon profitieren die Verbraucher. Sie können sich über eine ausreichende Verfügbarkeit von qualitativ hochwertigen Lebensmitteln zu bezahlbaren Preisen freuen und durch moderne Lagertechnik wird die Verfügbarkeit von Regionalität verlängert.

Fördertopf wird kleiner

Wie geht es weiter mit den Agrarsubventionen? Kritiker wie die Verfasser des „Agraratlas 2019“ bemängeln, dass die Direktzahlungen vornehmlich industriellen Großbetrieben zugutekommen. Auch seien die Anreize für eine umweltfreundliche Landwirtschaft zu gering. Derzeit wird über eine andere Verteilung der EU-Gelder diskutiert. Der Ausgang ist offen. Sicher ist nur, dass der Fördertopf künftig weniger gefüllt sein wird. Denn der Abschied Großbritanniens aus der EU wird eine Lücke von voraussichtlich etwa zwölf Milliarden Euro im EU-Haushalt hinterlassen.   

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