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Lesedauer: 10 Minuten
Peter Maly
„Die Marke REWE ist stark und robust“
von Raimund Esser

Seit Anfang des Jahres haben das komplette Vollsortiment und die Logistik mit dem Supply Chain Management mit Peter Maly einen Chief Operating Officer im Vorstand. Im Interview spricht er über Gastfreundschaft in den Märkten, Synergien in der Logistik und warum er dem HSV die Daumen drückt.

one: Herr Maly, seit dem ersten Januar sind Sie im REWE Group-Vorstand als Chief Operating Officer für das Vollsortiment in Deutschland verantwortlich sowie gruppenübergreifend für die Logistik und Supply Chain. Im letzten Jahr haben Inflation und hohe Energiekosten die Kund:innen wieder vermehrt zum Discounter wandern lassen. Gehört die Zukunft wieder den Discountern? 

Peter Maly:
Sicherlich sind die Kund:innen aktuell so preisbewusst wie seit Jahren nicht mehr. Davon haben in der Tat im letzten Jahr besonders die Discounter profitiert. Wir sind mit unseren REWE-Märkten trotzdem gut unterwegs. In den vergangenen Jahren verzeichneten die REWE-Märkte das stärkste Wachstum im deutschen Lebensmitteleinzelhandel. Die Marke REWE ist stark und robust, dennoch müssen wir achtsam sein und schnell und flexibel auf die wechselnden Herausforderungen reagieren.
Erst kam Corona, dann im letzten Jahr der Krieg in der Ukraine mit allen negativen Folgen wie instabile Lieferketten, Inflation und immens hohe Energiepreise. Durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind die Kunden:innen preissensibler geworden Und trotz dieser negativen Effekte haben die rund 3.700 REWE-Märkte in Deutschland auch im Jahr 2022 wieder der Krise getrotzt und ein zufriedenstellendes Ergebnis eingefahren. 

one: Was sind die Gründe für dieses gute Ergebnis? Und ist der Discounter nach wie vor die stärkste Herausforderung für den Vollsortimenter? 

Peter Maly:
Es hat sich ausgezahlt, dass wir mit der Strukturreform in den Jahren 2006/2007 vieles bei REWE angepackt und Dinge neu gedacht haben. Die Themen Unternehmertum und Genossenschaft haben wir damals wiederbelebt, stärker ausgeprägt und in den Mittelpunkt unseres Handelns gestellt. Daraus hat sich in den folgenden Jahren bis heute eine ganz besondere REWE-Kultur mit einer breit ausgeprägten Meinungsbildungskultur entwickelt. Diese bindet über interne Gremien sowohl das Management als auch unsere Kaufleute, die seit bald 100 Jahren als Genoss:innen unseren Markenkern bilden, und unsere Marktmanager:innen ein. Durch diese breite basisorientierte Diskussionskultur haben wir eine Innovationsdynamik erreicht, die unser Geschäftsmodell stetig weiterentwickelt hat, wobei immer im Vordergrund steht, dass die getroffenen Entscheidungen das Beste für Kunden:innen, Märkte, Logistik und Mitarbeitende sind. In der Summe müssen die im Konsens getroffenen Entscheidungen das Unternehmen voranbringen und am Ende gewinnbringend sein. Manchmal verlieren wir durch unser genossenschaftliches Konsensprinzip an Geschwindigkeit. Deshalb müssen wir mit Blick auf die Herausforderungen wie beispielsweise Inflation oder Digitalisierung den Fuß auf dem Gaspedal halten und weiter an unserer Effizienz, den Strukturen und an der Verbesserung unserer Wahrnehmung hart arbeiten. Dabei spielt auch Differenzierung eine große Rolle. Unsere größten Differenzierungsmerkmale zum Discounter sind beispielsweise unsere Frische, unser Service, unsere regionalen und lokalen Sortimente, unsere Mitarbeitenden und unsere Online-Services. Für mich bleibt der Discounter die stärkste Herausforderung. Er hat wieder Marktanteile hinzugewonnen. Aldi oder auch Lidl investieren viel Geld in den Umbau ihrer Märkte. Das müssen wir immer im Auge behalten und schnell sein. 

„Gastfreundschaft und Wertschätzung sind zwei wesentliche Differenzierungsmerkmale, die unsere Kund:innen begeistern und binden können.“
Peter Maly

one: Weitere Themen wie Gastfreundschaft und Kundenorientierung sind wichtige Differenzierungsmerkmale eines Vollsortimenters. Was müssen wir tun, damit die REWE-Kundschaft auch Morgen noch bei uns einkauft?

Peter Maly:
Eine wichtige Grundlage ist ein einheitliches Verständnis von Kund:innenorientierung in der Organisation. Hier steht die Interaktion mit der Kundschaft an erster Stelle. Wir müssen uns heute mehr denn je darüber im Klaren sein, was die Kund:innen möchten und erwarten, damit sie zufrieden sind, loyal bleiben und morgen wieder bei REWE einkaufen. 

Gute Gastgebende im Markt bedienen mit Leidenschaft und Freundlichkeit, sind fachlich versiert und wissen selbstverständlich über die Herkunft und Beschaffenheit ihrer Produkte Bescheid. Nur wenn wir Kund:innenorientierung von ganzem Herzen leben und unsere Kundschaft unsere Wertschätzung und Freundlichkeit spüren lassen, werden wir gute Gastgebende sein. Entscheidend ist also, dass wir Mitarbeitende finden, auswählen und entsprechend der genannten Werte weiterentwickeln. Hier ist es bereits im Recruiting wichtig, dass Mitarbeitende ausgewählt werden, die idealerweise das Gen „Kund:innenorientierung“ mitbringen. 

one: Welchen Einfluss hat die Nachhaltigkeit bei der zukunftsgerichteten Weiterentwicklung des Geschäftsmodells REWE? 

Peter Maly:
Bereits seit weit mehr als zehn Jahren ist Nachhaltigkeit ein wesentlicher Teil unseres unternehmerischen Selbstverständnisses und unserer Geschäftsstrategie. Unser Ziel ist es, nachhaltigen Konsum in der Breite des Marktes zu etablieren sowohl bei der Zusammensetzung der Sortimente als auch beim Bau unserer Märkte. Als Vorreiter in der Branche haben wir viele neue Ansätze entwickelt, so auch beispielsweise beim Bau unserer Märkte. Bereits seit 2009 baut REWE Green Building-Supermärkte. Mit dieser Supermarkt-Generation von nachhaltigeren Märkten setzten wir neue Maßstäbe für die ganze Branche und haben aktuell rund 250 der grünen Märkte am Netz. Hundert weitere Objekte sind in Planung. 

one: Wenn wir in die Kristallkugel blicken, wie wird die Einkaufsstätte der Zukunft aussehen? 

Peter Maly:
Ein gutes Beispiel ist ein in Deutschland und Europa einzigartiger Neubau, der Supermarkt, Basilikumfarm und Fischzucht unter einem Dach vereint, in Wiesbaden-Erbenheim. Die Architektur für diesen Markt der Zukunft wurde durch eine besonders ressourcenschonende Bauweise umgesetzt. Ganzheitlichkeit beim Thema Nachhaltigkeit schließt für uns nicht nur Sortimente, sondern auch die Bauweise und Betreibung ein. Das ist unserer Meinung nach der richtige Weg. Denn die nachhaltige Einzelhandelsimmobilie muss sich nicht nur im Umfeld einfügen, sondern wir bauen damit auch Gebäude für Menschen, für die heute bei der Wahl der Einkaufsstätte auch das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle spielt.  

one: Nachhaltigkeit im Angebot und in der Architektur – wie stark wird sich REWE hier in Zukunft engagieren?

Peter Maly:
Der ideale Markt ist ja der, in dem unsere Kund:innen gerne einkaufen, weil sie sich wohlfühlen und ihre Bedürfnisse nach Auswahl, Qualität, Frische, Nachhaltigkeit, Service und Convenience berücksichtigt werden. Auch wenn wir digitale Angebote wie zum Beispiel den Liefer- oder Abholservice ausbauen, wird es den stationären LEH auch in Zukunft noch geben. Das alles bringt auch einen Mehrwert für die Kunden:innen: Sie können über viele Kanäle ihren Einkauf tätigen, entweder digital bestellen, liefern lassen oder abholen oder ganz bequem im Markt shoppen. Ich gehe fest davon aus, dass wir auch binnen der kommenden zehn Jahre weitreichende Veränderungen in den Sortimenten und in den Lieferketten der Produkte sehen werden: Ganz aktuell ist beispielsweise das Ziel, bis 2030 nur noch Fleischprodukte der Haltungsstufen 3 und 4 anzubieten. Das Thema Orientierung und Verbraucherbildung wird auch eine große Rolle spielen: die Kund:innen so durch den Markt zu leiten, dass sie leicht und schnell erkennen können, welchen nachhaltigen Mehrwert Produkte bieten und wo im Markt sie diese finden können. Ich bin überzeugt, dass die Trends Bio, Regional, lokale Produkte und auch das Interesse an veganen Produkten stabil weiterwachsen werden.

„Wir bleiben Händler mit Leib, Seele und Emotionen.“
Peter Maly

one: Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Weiterentwicklung der Geschäftsmodelle?

Peter Maly:
Die Digitalisierung treibt unter anderem die Individualisierung unserer Märkte voran. Die Kunden:innen kaufen nicht mehr einfach „nur“ Produkte – sie suchen bei uns die individuelle Erfüllung ihrer Lebensstile. Sie suchen sich den Händler und den Markt um die Ecke, der am besten zu ihnen und ihrem Lebensstil passt. Gleichzeitig ändert sich ihr Verhalten laufend, ihre Bedürfnisse werden immer individueller. Nur wer mit den Augen der Kunden:innen auf die Märkte blickt und somit quasi „individualisierte“ Angebote machen kann, wird bestehen.  

Hinzu kommt, dass die Geschwindigkeit der Digitalisierung und neuer Geschäftsmodelle in den letzten zehn Jahren massiv zugenommen hat und durch Corona weiter beschleunigt wurde. Digitalisierung ermöglicht und treibt Geschäftsmodelle voran. Wir müssen akzeptieren, dass die Welt sich geändert hat. Es wird zukünftig kein Händler mehr erfolgreich am Markt sein, der nicht auch eine moderne und leistungsfähige digitale Technologie besitzt. 

Insofern wird auch bei uns und unseren Geschäftsmodellen der Anteil an Technologie zunehmen. Dennoch bleiben wir im Kern Händler mit Leib, Seele und Emotionen. Denn auch der Lebensmittelhandel der Zukunft ist ein people´s business: Menschen steuern, beraten und betreuen. Technologie unterstützt, vereinfacht, ermöglicht.
 
one: In München hat vor Weihnachten der erste vollautonome REWE Pick&Go-Markt seine Pforten geöffnet. Kundinnen und Kunden können ganz ohne Kassiervorgang einkaufen. Schafft REWE mittelfristig den Job des Kassierenden ab?

Peter Maly:
Ganz klar, nein! Unsere Kolleginnen und Kollegen am POS bleiben jetzt und in Zukunft der wichtigste Erfolgsfaktor und das Unterscheidungsmerkmal zum Wettbewerb. Der Lebensmitteleinzelhandel lebt in unseren Märkten von der Interaktion und Kommunikation zwischen den Kolleginnen und Kollegen auf der Fläche und den Kund:innen. Die Digitalisierung von Marktprozessen in unseren Märkten wird sowohl für unsere Kundschaft als auch für die Mitarbeitenden große Vorteile haben: Unsere Kundinnen und Kunden können schneller, bequemer und sicher einkaufen und unseren Kolleginnen und Kollegen wird der Arbeitsalltag im Markt erleichtert.

one: Was heißt das konkret?

Peter Maly:
Der persönliche Kund:innenkontakt von REWE-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern steht an erster Stelle, um Fragen zu Produkten, zum Sortiment, zu Angeboten und einer Beratung beim Einkauf sicherzustellen. Die fortlaufende Einführung von Innovationen und die Anpassung an sich verändernde gesellschaftliche Rahmenbedingungen tragen seit rund hundert Jahren maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum von REWE bei und sichern die Arbeitsplätze aller Mitarbeitenden auf lange Sicht. Ob E-Commerce-Angebote wie Liefer- und Abholservice oder Technologien im Markt wie Scan & Go oder jetzt Pick & Go im Fokus der gemeinsamen Anstrengungen und Entwicklungen steht das Einkaufserlebnis der Kundinnen und Kunden. In dem vollautonomen Münchener Markt arbeiten beispielsweise genauso viele Mitarbeitende wie in einer herkömmlichen REWE-Filiale. Wir suchen bundesweit für unsere Märkte Kolleg:innen, die sich für die Arbeit im Lebensmitteleinzelhandel, im Verkauf und der Beratung an unseren Frischetheken und im Service begeistern können und einen sicheren Arbeitsplatz suchen. Wir brauchen jede Mitarbeiterin und jeden Mitarbeiter im Markt – mehr denn je!

„Bei Themen wie Beschaffungslogistik, Transportlogistik, Automatisierung von Lagerstandorten, Neubau von Lagern oder der Decarbonisierung der LKW-Flotte wollen wir gewonnenes Know-how für alle Länderorganisationen in der Gruppe nutzbar machen.“
Peter Maly

one: Gruppenübergreifend sind Sie seit Anfang des Jahres auch für die Logistik und Supply Chain verantwortlich. Was sind Ihre Hauptaufgaben? 

Peter Maly: Die Themen Logistik und Supply Chain sind in jedem Handelsunternehmen Kernprozesse, die, wenn wir beispielsweise Sortimentssteuerung oder Tourenplanung betrachten, bisher immer sehr operativ geprägt waren. Innerhalb der REWE verantworte ich bereits seit sieben Jahren die Bereiche Logistik und Supply-Chain-Management auf Managementebene. Nachdem wir uns in den letzten Jahren innerhalb Handel Deutschland intensiv die Prozesse angeschaut und abgeglichen haben, haben wir im Vorstand die Entscheidung getroffen, dass es Sinn macht, Logistik und Supply Chain ganzheitlicher zu denken, die Themen zu bündeln und groupübergreifend eine große Klammer zu bilden. 

Im Kern geht es darum, bei Themen wie Beschaffungslogistik, Transportlogistik, Automatisierung von Lagerstandorten, Neubau von Lagern oder der Decarbonisierung der LKW-Flotte gewonnenes Know-how für alle Länderorganisationen in der Gruppe nutzbar zu machen. Das Gute teilen zum Nutzen der gesamten Organisation. Wenn wir es schaffen, die Themen zu bündeln, zu bewerten, Know-how auszutauschen und für die gesamte Gruppe eine Entscheidung zu treffen, schaffen wir mehr Synergien. Denn nur so können wir die REWE Group bei Zukunftsthemen für die Zukunft fit machen.

one: Eine letzte Frage: Muss man als REWE Group-Vorstand eigentlich Fan des 1.FC Köln sein?

Peter Maly: Nein. Die Genossenschaft lebt von der Vielfalt. Und das gilt auch für das Sponsoring oder die Fußballbegeisterung innerhalb unseres Unternehmens. Trotzdem wir seit vielen Jahren Trikot- und Hauptsponsor des 1. FC Köln sind, darf man bei REWE auch mit anderen Vereinen jubeln oder leiden. Unsere Vertriebsregion Mitte ist beispielsweise Sponsoringpartner bei Eintracht Frankfurt oder die Region Nord unterstützt den Hamburger SV. Ich bin seit meiner Jugend Fan des Hamburger SV. Aktuell spielt er in der 2. Bundesliga. Natürlich drücke ich die Daumen, dass sowohl der HSV schnell wieder in die 1. Bundesliga aufsteigt als auch der 1.FC Köln einen einstelligen Tabellenplatz in der 1. Bundesliga erreicht.   


one: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Maly.
 

Folge 6

„Offen gesagt“ – der Talk mit dem Vorstand

Im Januar hat unser neu formierter Vorstand die Steuerung der REWE Group in anhaltend bewegten Zeiten übernommen. Mit welcher Strategie er dabei ans Werk geht, was es in der Zusammenarbeit braucht und wie wir bei allen Herausforderungen wettbewerbsfähig bleiben, darüber hat Ines Schurin, Leiterin Unternehmenskommunikation, mit den Vorständ:innen im neuen Videoformat „Offen gesagt“ bei einem Heißgetränk ihrer Wahl gesprochen.

Und das ist die letzte Folge:

  • 22. März Telerik Schischmanow, Vorstand Finanzen

Alle bereits veröffentlichten Folgen von "Offen gesagt" sind auch in der one_Mediathek abrufbar.

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