Wie beantwortet man Kundenfragen in einer Situation, in der sich die Rahmenbedingungen teil stündlich verändern? Vor dieser Herausforderung standen die Kundenservice-Teams von REWE, PENNY, Toom oder DER Touristik in der Corona-Zeit. Kolleg:innen berichten, wie sie die Flut von Anfragen bewältigten – und was ihnen trotz einer kaum zu bewältigenden Arbeitslast positiv in Erinnerung geblieben ist.
Patrik Schmerenbeck
Patrik Schmerenbeck, Teamleiter Kundenservice Handel Deutschland
„Es gibt Kundenfragen, die sind erwartbar und es gibt andere, von denen man nicht vermutet, dass sie jemals gestellt werden. Zum Beispiel die Sache mit Sushi, von dem einige Kunden kurz nach Ausbruch der Pandemie fürchteten, es könne Corona enthalten. Mit einem Anruf bei REWE oder PENNY wollten sie auf Nummer sicher gehen, dass dies nicht der Fall ist. Andere Kunden erkundigten sich, ob auch in Zeiten strenger Hygienebestimmungen Kinder weiterhin eine Scheibe Wurst an der Bedientheke erhalten.
Für alle Fragen, die beim Kundenservice von REWE und PENNY aufschlugen, haben wir sehr schnell in Abstimmung mit den Kolleg:innen in der Unternehmenskommunikation eine Q & A (Fragen und Antworten)-Liste erstellt. Die ging an unseren externen Dienstleister, der den Kundenservice von PENNY betreut, an die Regionalzentralen von REWE und PENNY, an viele Fachabteilungen sowie die Social Media-Kolleg:innen. So hatten wir eine einheitliche Sprachregelung. Natürlich musste die Liste ständig erweitert und aktualisiert werden. In der Zeit von März 2020 bis Februar 2021 (unserer letzten Aktualisierung) gab es 28 Updates. In der Spitze umfasste das Dokument 130 Fragen und Antworten.
Für alle, die es nicht wissen: Bei PENNY gibt es eine zentrale Kundenservice-Hotline. Hier landen alle Anrufer, die mit ihrem Markt oder dem Unternehmen Kontakt aufnehmen möchten. REWE-Kunden, die ihren Markt googeln, erhalten dagegen meist dessen direkte Rufnummer angezeigt. Darüberhinaus gibt es auch eine zentrale Servicenummer für REWE, die auf der REWE-Website kommuniziert wird. Somit sind die Kundenfragen, die wir registrieren bei PENNY immer ungleich höher als bei REWE. Im April 2020 beispielsweise, dem Monat mit dem höchsten Kontaktvolumen für PENNY, verzeichnete der Dienstleister mehr als 52 000 Anfragen. Bei REWE waren es in der Spitze gut 21 000 (im März 2020). Über die Zahl der Anrufe in den REWE-Märkten führen wir beim Kundenservice keine Statistik. Aber es ist zu vermuten, dass dort vor allem in Zeiten des Lockdown in jedem Monat viele Tausend Mal das Telefon geklingelt hat.
Die Themen, zu denen gefragt wurde, änderten sich im Verlauf der Pandemie. Natürlich war die Maskenpflicht vor allem im vergangenen Jahr ein großes Thema. Manche Kunden waren unsicher, ob und welche Masken sie beim Einkauf tragen müssen. Und immer wieder gab es auch Marktbesucher, die behaupteten, keine Maske tragen zu müssen und mit Klage drohten, weil sie nicht eingelassen wurden. Vereinzelt legten sie es sogar darauf an, angesprochen zu werden, filmten den Vorgang und stellten den Clip dann online.
Viele Fragen gab es auch zu den Einkaufswagen. Sehr oft mussten wir erklären, dass jeder Kunde deshalb gebeten wird, ein Exemplar zu benutzen, um die gleichzeitig im Markt befindliche und zugelassene Besucherzahl zu kontrollieren beziehungsweise zu regulieren. Mancher vermutete dagegen, wir wollten auf diese Weise dazu beitragen, dass die Kunden den Mindestabstand zueinander einhalten. Zur Zeit der Hamsterkäufe, im Frühjahr 2020, als vor allem Toilettenpapier, Mehl, Nudeln und andere leicht lagerbare Artikel knapp wurden, gab es auch viele unschöne Reaktionen. Kunden beschwerten sich, weil sie mutmaßten, Marktmitarbeiter würden die begehrten Waren für Freunde und Verwandte beiseitelegen, anstatt sie für alle zugänglich in die Regale zu räumen.
Unser Eindruck ist, dass die Reizschwelle vieler Kunden in der Corona-Zeit deutlich gesunken ist. Der Ton ist rauer geworden, die Toleranz gesunken und es wird mehr reklamiert, insbesondere mit Blick auf die Frische einzelner Artikel. Aber: Es gibt auch andere Kunden. Zum Beispiel solche, die sich um die Gesundheit der Marktmitarbeiter sorgen, sie für ihren Einsatz loben und Trinkgeld spendieren wollen. Und solche, die Tüten voller Lebensmittel spenden möchten – für Menschen, die infolge der Pandemie knapp kalkulieren müssen.
Viele Fragen und Probleme haben REWE-Kunden sicherlich auch im Austausch mit den Kollg:innen im Markt gelöst - sei es im direkten persönlichen Gespräch oder am Telefon. Das bedeutete für alle in den Märkten noch einmal Mehrarbeit, zusätzlich zu dem Stress, den der hohe Warenumschlag mit sich brachte. Im Kundenservice von PENNY hatten wir das Glück, dass unser Dienstleister so flexibel war, kurzfristig zusätzliche Kapazitäten bereitzustellen. Denn die etwa 40 Kolleg:innen, die dort üblicherweise den PENNY-Job erledigen, reichten in Spitzenzeiten nicht aus. Inzwischen haben sich die Kundenanfragen auf einem – verglichen mit der Vor-Corona-Zeit – leicht höheren Niveau eingependelt.
Es sind vor allem drei Dinge, die bei uns im Kundenservice aus der Zeit der Pandemie positiv in Erinnerung bleiben werden. Zum einen haben wir schnell und flexibel auf die sich mitunter sehr schnell ändernden Bestimmungen reagiert. Zum anderen waren wir dank unserer Q & A-Liste jederzeit und zu nahezu jedem Thema sprachfähig. Und zum Dritten haben sowohl wir als auch unser Dienstleister zügig und ohne Qualitätsverlust für unsere Kund:innen auf Home Office-Lösungen umstellen können.“
Rüdiger Kölsch
Rüdiger Kölsch, Director Quality Management DER Touristik
„Flugänderungen, Baustellen, Hotelüberbuchungen – im Clearing ist es unser täglich Brot, Kunden vor der Reise unerwartete Änderungen mitzuteilen. Doch fast immer schaffen wir es, eine gute Lösung zu finden. Bei Corona war alles anders. Plötzlich konnten wir Urlaub nicht mehr möglich machen! Das war eine ganz neue, dramatische Situation. Wir waren ständig in enger Abstimmung mit dem Krisenmanagement, dem Communication Center sowie den Flug- und Produktbereichen, denn solch eine Herausforderung kann man nur im Team schaffen. Häufig musste, je nach Zielgebiet, von heute auf morgen entschieden werden: Kann die Reise stattfinden? Unter welchen Bedingungen? Müssen wir die Reise absagen? Und nachdem es am Anfang noch darum gegangen war, die Kunden so früh wie möglich über Einschränkungen zu informieren, wurde Reisen plötzlich weltweit unmöglich.
Dass eine Krise nicht mehr nur punktuell ist, sondern weltweit, hatten wir so noch nicht. Man musste neue Lösungen, neue Wege finden.
Sebastian Neumann Großartig war und ist, dass sich die Clearingteams in Frankfurt und Köln - unter der Verantwortung der Head ofs Clearing Stephanie Schütz und Sebastian Neumann – dieser Herausforderung gestellt haben und unter größten Anstrengungen alles für das Unternehmen und die Kunden möglich machen.
Außerdem haben uns sehr viele Kolleg:innen aus anderen Fachabteilungen sofort unterstützt. Das gilt auch in der aktuellen Zeit, in der viele Zielgebiete unter unterschiedlichsten Bedingungen wieder geöffnet werden.
Stephanie Schütz Und es ist immer noch so – jetzt, wo es zum Glück endlich wieder richtig aufwärts geht. Wir merken sehr deutlich: Die Menschen wollen wieder reisen. Sie freuen sich unheimlich auf Urlaub. Und auch in den Zielgebieten ist die Freude über den Restart natürlich riesig. Man begegnet sich jetzt anders: Jeder, egal wo auf der Welt, hat die gleichen Erfahrungen gemacht. Egal, ob Kunde, Restaurant-Besitzer oder Hotelier. Das verbindet natürlich. Und ein bisschen bescheidet es vielleicht auch: Wir merken zum Beispiel, dass unsere Gäste heute über manche Dinge hinwegsehen, die sie sonst vielleicht moniert hätten. Es überwiegt überall das Glück, endlich wieder reisen zu können.“
Sven Habenicht
Sven Habenicht, Leiter Kundenservice Toom Baumarkt
„Wo bleibt meine bestellte Ware? Hat mein Markt geöffnet? Und wenn ja, wie komme ich rein – tatsächlich nur mit Maske? Vor allem mit solchen Fragen wurden wir im Frühjahr vergangenen Jahres, als es losging mit der Pandemie, überschüttet. Wir hatten gedacht, es wäre eine gute Idee, den Vertrieb zu entlasten und alle Anrufe, die sonst bei den Märkten eingehen, zu unserem Servicecenter in Münster umzuleiten. Rund 20 000 Anfragen, so hatten wir geschätzt, würden dann dort pro Monat eingehen. Dazu vielleicht etwa 8000 E-Mails. Welch ein Irrtum! Tatsächlich riefen dort regelmäßig mehr als 100 000 Kunden im Monat an. Im April 2020, unserem Spitzenmonat, waren es sogar 180 000 Anrufe gewesen, plus 30 000 E-Mails. Einmal verzeichneten wir 180 Anrufe in einer einzigen Sekunde! Darauf war das Servicecenter, ein externer Dienstleister, nicht eingerichtet.
Kurzfristig ließ sich das Team auch nicht aufstocken. Denn bevor ein Agent oder eine Agentin voll einsatzfähig ist und einem Anrufer in nahezu allen Angelegenheiten helfen kann, muss er oder sie geschult und eingearbeitet werden. Das dauert 14 Tage. Dazu kommen zwei bis drei Wochen für das Recruiting – macht vier bis fünf Wochen, ehe ein „Neuer“ oder eine „Neue“ ein Ticket - so nennen wir die Kundenanfragen – bearbeiten kann. Was also tun? Mit ein paar Überstunden ließ sich der Berg an Anfragen schließlich nicht abtragen. Zum Glück haben wir Unterstützung von Kolleg:innen aus verschiedenen Fachabteilungen in der Zentrale erhalten. Viele, die zu dieser Zeit in ihrem Aufgabenbereich weniger zu tun hatten, haben bei uns mit angepackt. Das war eine großartige Hilfe.
Für alle, die es nicht wissen: Wir im 2nd-Level-Kundenservice in der Zentrale kümmern uns ausschließlich um besondere Anfragen und außergewöhnliche Beschwerden. Je nach Thema holen wir uns Unterstützung aus Fachabteilungen, etwa aus der Buchhaltung oder der Logistik. Die ganz überwiegende Zahl der Anfragen bearbeitet das Servicecenter, und das von Montag bis Samstag in der Zeit von acht bis 20 Uhr. Trotz allem Einsatz: Es dauerte 2020 bis zum Sommer, ehe wir Land gewonnen hatten. Dann kehrten die Kolleg:innen aus anderen Abteilungen Schritt für Schritt an ihren gewohnten Arbeitsplatz zurück. Zudem reduzierten wir die Zahl der helfenden Studierenden.
Mit der Entscheidung der Bundesregierung vom 16. Dezember, auch Baumärkte zu schließen, war es dann vorbei mit der gerade erst halbwegs gewonnenen Routine. Plötzlich galten wir nicht mehr als systemrelevant, trotz wichtiger Sortimente, zum Beispiel Brennholz. Bei den Kunden herrschte heillose Verwirrung, welche Einkäufe unter welchen Bedingungen wo noch möglich sind. Also griffen viele zum Telefon oder schrieben Mails, um sich zu erkundigen. Diesmal verzichteten wir darauf, alle Anrufe an die Märkte ins Servicecenter umzuleiten. Das war auch deshalb richtig, weil sich viele Dinge nun einmal nur von Mitarbeitenden vor Ort klären lassen.
Im März dieses Jahres kam uns die Idee, über eine Zeitarbeitsfirma zusätzlich bis zu 40 Studierende mit an Bord zu nehmen. Die saßen dann irgendwo in Deutschland vor ihren Computern und erledigten nach kurzer Einweisung einfache Arbeiten, wie zum Beispiel die Pflege von Tickets. Viele Kunden, die eine E-Mail schreiben, füllen leider die Betreff-Zeile unverständlich aus, so dass die Agent:innen häufig lange lesen müssen, ehe sie erkennen können, um was es geht. Ist dagegen das Anliegen im Betreff klar formuliert, können sie direkt loslegen. So haben die Studierenden erheblich dazu beigetragen, die Prozesse im Servicecenter zu beschleunigen. Einige von ihnen haben wir später sogar mit REWE-Rechnern ausgestattet, so dass sie für uns auch andere, anspruchsvollere Aufgaben übernehmen konnten, weil sie nun Zugriff auf unsere Systeme hatten.
Aktuell erhalten wir pro Monat etwa 40 000 Anrufe. Die Zahl der Mails hat sich bei gut 22 000 eingependelt. Mehr als die Hälfte aller Kundenanfragen betreffen die digitale Welt. Das ist nicht verwunderlich, schließlich bauen wir unser Online-Angebot Schritt für Schritt weiter aus – und das ist nun einmal serviceintensiv. Lieferzeiten zum Beispiel sind ein kritisches Thema. Wir geben uns größte Mühe, Kund:innen bei Laune zu halten, wenn sie einmal länger warten müssen als sie es vielleicht von Bestellungen bei Amazon gewohnt sind. Aber ein einfaches Päckchen zu versenden ist nun einmal auch einfacher als sperrige Güter per Spedition an die Haustür zu liefern.
Was bleibt aus der Zeit der Pandemie? Das Gefühl, in einem tollen Team zu arbeiten, in dem alle klaglos mitanpacken. Ich denke, wir werden auch in Zukunft immer mal wieder mit Peaks von mehreren hundert Tickets umgehen müssen. Da ist es gut, dass wir mit den Studierenden möglicherweise auch künftig flexibel einsetzbare Helfer haben. Auch ein Großteil der Kolleg:innen aus anderen Abteilungen, die uns in der größten Not beiseite standen, haben Unterstützung signalisiert, wenn wieder mal Land unter im Kundenservice sein sollte.“