nächster Artikel vorheriger Artikel
17.06.2015
Vegane Eigenmarke Vegavita in
Aber bitte mit ohne
17.06.2015
Veggie-Boom und kein Ende
In welche Ess-Klasse gehören Sie?
ArticleId: 514magazineTrendforscher Sven Gabor Janszky im one_Interview über Heuschrecken als Proteinquelle, geklontes Fleisch aus dem Drucker und den Supermarkt der Zukunft, in dem Menschen Lebensmittel kaufen, die ihr Leben verlängern.https://one.rewe-group.com/fileadmin/_processed_/e/3/csm_janszky_standardteaser_f8fcac7a86.jpg„Steak aus dem 3D-Drucker wird ganz normal“Trendforscher im Interview
(Foto: Michael Pröck)
Trendforscher Sven Gabor Janszky im Interview
"Steak aus dem 3D-Drucker wird ganz normal"
das Gespräch führte Sebastian Amaral Anders
Lesedauer: 5 Minuten
Trendforscher Sven Gabor Janszky im one_Interview über Heuschrecken als Proteinquelle, geklontes Fleisch aus dem Drucker und den Supermarkt der Zukunft, in dem Menschen Lebensmittel kaufen, die ihr Leben verlängern.
one: Herr Janszky, was essen wir in zehn Jahren?
Sven Gabor Janszky: Essen ist tief in der Identität eines Kulturkreises verankert, deshalb werden wir aus meiner Sicht sicher nicht plötzlich alle Insekten essen, um unseren Eiweißbedarf zu decken. Das wird eher ein Abenteuer bleiben: als Event mal ins Insektenrestaurant zu gehen oder im Asien-Urlaub eine Heuschrecke zu essen. Insgesamt glaube ich, dass sich das Essen vom Aussehen und vom Geschmack nicht so sehr vom Essen heute unterscheiden wird. Allerdings in der Herstellung. one: Warum?
Das hat einen ganz banalen Hintergrund: Wir werden einfach in einer Welt mit zehn bis zwölf Milliarden Menschen leben. Außerdem entstehen etwa in Asien und Afrika mehr Mittelschichten. Wenn wir alle Fleisch essen wollen, werden wir diesen Hunger nicht mit natürlich gewachsenem Fleisch stillen können. Alleine die „Abgase“ der Kühe würden die Ozonschicht killen. Was wird also passieren? Die Nachfrage steigt und natürlich gewachsenes Fleisch wird immer teurer. Das wird dann gewissermaßen das Premium-Segment. Zugleich entsteht ein Massenmarkt für billiger hergestelltes Fleisch. Und da kommt die künstliche Produktion ins Spiel. Tierische Gewebezellen werden industriell geklont werden und dann etwa durch einen 3D-Drucker in Steak-Form gebracht.
„Klonen von Fleisch ist bald billiger, als eine Kuh natürlich wachsen zu lassen.“
(Foto: Fotolia/x4wiz)
one: Sind da nicht auch fleischlose Produkte – etwa die Veggie-Wurst, die aktuell von den großen Wurstherstellern auf den Markt gebracht wird – eine Alternative?
Sven Gabor Janszky: Solange man in Geschmack und Konsistenz keinen Unterschied merkt, halte ich das für möglich. Ich bin mir aber nicht sicher, ob Ersatzprodukte ein Steak vom Grill wirklich ersetzt werden können. Nach allem, was wir von den Experten aus der Branche hören, wird das Klonen von Fleisch in absehbarer Zeit billiger, als eine Kuh natürlich wachsen zu lassen und zu verarbeiten. one: Was bedeuten diese Entwicklungen für den Handel?
Sven Gabor Janszky: Aus meiner Sicht wird es in Supermärkten eine stärkere Differenzierung geben, als wir sie heute kennen. Zu den bekannten Kategorien wie Bio-Markt oder Vollsortimenter wird eine weitere Kategorie dazukommen: Individualisierte Nahrungsmittel. Dort werden wir Lebensmittel kaufen können, die gezielt mit Inhalts- oder Wirkstoffen versehen sind, die nur für eine einzelne Person bestimmt sind. Also hochindividualisiert. Stellen Sie sich vor, so ein Steak aus dem 3D-Drucker wird erst im Supermarkt gedruckt. Da ist es ja ein leichtes, Zutaten hinzuzufügen, die in dem Moment für diesen speziellen Konsumenten wichtig sind. one: Klingt nach Science Fiction. Was sollte denn da in mein Steak noch reingedruckt werden?
Sven Gabor Janszky: Das Ganze macht natürlich nur Sinn, wenn wir uns einen anderen Trend anschauen: Wir werden in den nächsten Jahren immer mehr über unseren Körper erfahren und in jedem Moment genau über unseren körperlichen Zustand informiert sein. Wir werden also wissen: Wir sind gerade zum Beispiel zu 28 Prozent krank, und es fehlt gerade dieser oder jener Stoff, um die Genesung zu fördern oder gar den Ausbruch der Krankheit vorab zu verhindern. Wir haben also eine in Zahlen und Werten ausgedrückte Differenz zum Idealzustand zu Verfügung. Und wenn wir wollen, können wir diese Differenz aktiv ausgleichen, etwa durch individuell angereicherte Lebensmittel.
„Nudeln und Fleisch kann man sich direkt im Supermarkt ausdrucken - mit passenden Zusatzstoffen.“
one: Glauben Sie, dass die Menschen das wirklich wollen?
Sven Gabor Janszky: Nach unseren Prognosen wird die Zielgruppe wachsen, die diese Möglichkeit nutzen will. Ich erwarte hier eher eine klare Segmentierung: Teuer und natürlich gewachsen im Premium-Bio-Markt und billig und künstlich hergestellt im Massensegment. Der Spagat, den viele Supermärkte heute machen – Bio-Produkte günstig anzubieten – wird auf lange Sicht immer schwieriger. one: Wie kann man sich konkret den Supermarkt der Zukunft vorstellen?
Sven Gabor Janszky: Das Ganze passiert nicht von heute auf morgen. In ein paar Pilotmärkten wird eine langsam wachsende Zahl von Lebensmitteln vor Ort produziert, etwa im 3D-Drucker. Das kann man sich für viele Lebensmittel vorstellen: Fleisch, Nudeln oder Butter etwa. Für Supermärkte geht es dann darum, sich rechtzeitig zu positionieren. one: Welchen Vorteil hat es denn für den Kunden, wenn das Steak im Supermarkt gedruckt wird?
Sven Gabor Janszky: Der wirkliche Nutzen ist natürlich nicht, dass sich der Kunde das gleiche Steak druckt, das er sich zuvor auch einfach aus der Auslage nehmen konnte. Das Produkt muss individuell auf den Kunden zugeschnitten sein. Die Bedingung dafür ist, dass der Kunde weiß, welche Zusatzstoffe in sein Steak rein sollen. Die nötigen Daten dafür bringt er auf seinem Smartphone mit: Spätestens 2019 soll eine individuelle DNA-Analyse weniger als 100 Dollar kosten. Jeder kann also erfahren, welche Krankheiten etc. in seinen Genen angelegt sind und etwa mit der Einnahme der richtigen Wirkstoffe und Nahrungsmittel Einfluss auf seine Gesundheit nehmen.
"Durch die Digitalisierung vermessen wir uns selbst - und können Produkte individuell anpassen."
(Foto: Fotolia/Denys Prykhodov)
one: Ist das eine Grundtendenz: Jeder bekommt je nach Portemonnaie und Wünschen und Bedürfnissen das auf ihn zugeschnittene Produkt?
Sven Gabor Janszky: Ich glaube, davon kann man ausgehen. Der generelle Trend geht in Richtung Ausdifferenzierung. Das betrifft nicht nur Lebensmittel, sondern alle Arten von Produkten. Der Grund dafür ist, dass wir durch die Digitalisierung immer besser messen und lernen können, was wir eigentlich wollen und brauchen – und entsprechend die Produkte dafür anpassen können. one: Gibt es bei den Menschen nicht eine große Skepsis gegenüber künstlich veränderten oder gar erzeugten Produkten – wie etwa wie bei der Ablehnung von Gentechnik?
Sven Gabor Janszky: Das stimmt, diese Skepsis ist in Teilen der Bevölkerung da. Aber schauen Sie mal auf die Konsumenten von heute. Das ist eine absolute Minderheit, die davon tatsächlich ihre Kaufentscheidung abhängig macht. Es wird auch nicht mehr wie früher so eine Grundsatzentscheidung geben, etwa, ob diese Gesellschaft Gen-Food will oder nicht. Diese Frage wird jeder für sich persönlich entscheiden können. Die Produkte werden durch die technologische Entwicklung so differenziert, dass wir kein one-fits-all mehr haben werden. one: Ist das auch eine Chance für die Nachhaltigkeit: Wenn etwa Fleischersatz-Produkte so gut werden, dass die Masse gar nicht mehr auf Fleischproduktion angewiesen ist?
Sven Gabor Janszky: Auf jeden Fall. Wenn ich persönlich über künstlich hergestellte Produkte spreche, habe ich auch gar kein negatives Gefühl dabei. Im Gegenteil eher ein positives: Es müssen vorher keine Tiere sterben und es werden Ressourcen geschont. Gedruckte Lebensmittel klingen erstmal abschreckend. Aber nur, weil wir das noch nicht kennen. In ein paar Jahren wird das für uns ganz normal sein.
Sven Gábor Jánszky, 42, ist Trendforscher und Leiter des Thinktanks "2b AHEAD". Er versammelt jährlich 250 Innovationschefs zu einem Zukunftsworkshop und entwirft mit ihnen zusammen Business-Szenarien, die er als Trendstudien herausgibt.
Mein Kommentar
Kommentieren
Auch interessant
Newsletter
Artikel weiterempfehlen

Dieser Beitrag hat Ihnen gefallen?
Dann empfehlen Sie ihn doch Ihren Kollegen weiter.