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Kai Battenberg und Xaver Steichele (Interview-Fotos: Achim Bachhausen)
Toom-Manager Steichele und Battenberg
Tschüss Torf
von Stefan Weber
Zum Gärtnern gehört Blumenerde. Aber was steckt eigentlich in dem Erdboden, mit dem wir Blumentöpfe befüllen und Beete bestreuen? Meist handelt es sich um Torf - den Stoff, aus dem die Moore sind. Intakte Moore spielen für das Klima und die Artenvielfalt eine große Rolle. Höchste Zeit also, über torffreie Blumenerden nachzudenken. Bei Toom machen das unter anderem Zentraleinkäufer Xaver Steichele und Kai Battenberg, Fachbereichsleiter Nachhaltigkeit Ware.
Die Fahrt zur Arbeit beginnt für Xaver Steichele montags um 4 Uhr in der Früh. Dann verlässt er sein Haus im Norden von Augsburg, steigt in den Wagen und macht sich auf den Weg nach Köln-Porz in die Toom-Hauptverwaltung. 500 Kilometer – montags hin, freitags zurück. Viele Stunden Zeit nachzudenken. Zum Beispiel darüber, ob es nicht Sinn machen würde, das Wochenendpendler-Dasein aufzugeben und ins Rheinland zu ziehen. „Diese Frage habe ich mir nie gestellt. Nicht ein einziges Mal in den gut 15 Jahren, die ich bei Toom arbeite“, sagt der Zentraleinkäufer. Warum? „Schon alleine wegen meines 3000 Quadratmeter großen Gartens.“

Steichele, 60, liebt das Grüne. Er kommt aus einer Landwirtschaftsfamilie und gehört zu den Menschen, bei denen man nicht weiß, wo Hobby aufhört und Beruf anfängt – und umgekehrt.
Nahezu sein gesamtes Berufsleben hat sich der gelernte Eisenhändler mit Gartenartikeln beschäftigt. Zunächst bei der Baumarktkette Stinnes, dann – nach deren Übernahme durch die REWE Group – bei Toom. In den vielen Jahren hat er eine Menge Wissen insbesondere über Erden, Dünger und Saatgut gesammelt – Kenntnisse, die ihm nun besonders zu Nutze kommen. Denn Toom hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesteckt: Die Baumarktkette will bis 2025 ihr komplettes Erdensortiment auf torffreie Alternativen aus nachwachsenden Rohstoffen umstellen – das gilt für die Toom Eigenmarke aber auch für Markenprodukte. Ein so klares Bekenntnis gibt es von keinem Mitbewerber.
„Torf“, so erläutert Kai Battenberg, Fachbereichsleiter Nachhaltigkeit Ware bei Toom, „ist eine endliche Ressource. Er wird aus trockengelegten Mooren abgebaut. Dabei werden Tier- und Pflanzenwelten zerstört.“ Zudem verschärfe der Torfabbau das Problem des Klimawandels. Denn bei der Trockenlegung der Moore werde der gebundene Kohlenstoff wieder freigesetzt und verbinde sich mit Sauerstoff zu Kohlendioxid, einem klimaschädlichen Gas. Battenberg, aufgewachsen in Schwerte, hat Umweltwissenschaften in Bielefeld studiert.
Danach war er für verschiedene Umweltberatungsgesellschaften tätig, unter anderem in England, ehe er 2011 zu Toom kam. Zunächst in die Abteilung Strategie & Projekte als Projektleiter Nachhaltigkeit. Im April 2016 wechselte er in die jetztige Funktion. „So viel Grün wie Kollege Steichele habe ich nicht zu Hause. Bei mir in Köln gibt es nur einen grünen Balkon“, meint Battenberg und schmunzelt.
Die beiden Toom-Manager ahnen, dass es ein langer Weg sein wird, das Erdensortiment auf torffreie Alternativen umzustellen. Komplett. Mit torfreduzierten oder torfarmen Lösungen geben sie sich nicht zufrieden. „2014 haben wir bei null begonnen. Jetzt sind immerhin bereits gut zehn Prozent unseres Erdensortiments frei von Torf“, betont Steichele.

Aber in diesem Tempo wird es wohl nicht weitergehen. „Es dauert, Kunden aber auch Mitarbeiter auf diesem Weg mitzunehmen“, sagt Battenberg.
Viele Gartenliebhaber wüssten nicht, dass die meisten Blumenerden zu einem großen Teil aus Torf bestehen. Immerhin: Die Sensibilität für diese Problematik wächst – insbesondere bei jungen Leuten und auch, weil sich mancher Hobbygärtner gerne einen Biogarten anlegen möchte und deshalb beim Einkauf von Blumenerde genauer hinschaut. Torffreie Naturtalent-Universalerde von Toom mit dem Pro Planet-Label ist auch biozertifiziert. Der Preis sollte kein Hindernis sein, zu torffreier Erde zu greifen. Sie ist nur geringfügig teurer als herkömmliche Erde.
Wird es gelingen, in den nächsten Jahren genügend hochwertige torffreie Alternativen bereitzustellen, um die konventionellen Erden vollständig abzulösen? „Das wird die zentrale Herausforderung“, meint Battenberg. Zwar gibt es eine Vielzahl von Ersatzstoffen. Auf Basis von Grünkompost oder Rindenhumus zum Beispiel. Oder auch auf der Grundlage von Holzfasern, etwa aus Nadelhölzern oder Kokos. Außerdem enthalten die Erden je nach Hersteller, Nebenprodukte wie Tonminerale und Lavagranulate, Xylit (für den idealen ph-Wert) oder Phytoperis (ein Naturdünger). Aber lange lagern lassen sich die Erden nicht. Denn mit der Zeit verändert sich ihre Zusammensetzung.
„Um sicher zu gehen, dass die Erdenqualität der einzelnen Lieferanten stimmt, analysieren wir regelmäßig die Rohstoffe. Im Zweifel geht die Ware zurück“, betont Steichele. Experimente mit neuen Rezepturen benötigen Zeit: Vielfach lässt sich die Güte der Rohstoffe erst nach einer kompletten Anpflanzperiode beurteilen. „2025 – das klingt noch weit weg. Aber die Jahre werden wir benötigen, um das Erdensortiment komplett umzustellen“, meint Battenberg.
Das macht die REWE Group
Herkömmliche Blumenerde besteht zu 80 bis 90 Prozent aus Torf, der aus Mooren abgebaut wird. Bis jedoch im Moor eine ein Meter dicke Torfschicht entsteht, vergehen fast 1000 Jahre. Intakte Moore spielen für das Klima und die Artenvielfalt eine große Rolle. Deshalb weitet die REWE Group ihr Sortiment an torffreien Erden aus nachwachsenden Rohstoffen kontinuierlich aus.

Toom hat damit bereits 2014 begonnen. „Wir haben uns zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2025 unser komplettes Erdensortiment sukzessive auf torffreie Alternativen umzustellen, ohne dass unsere Kunden auf die gewohnte Qualität verzichten müssen – das gilt sowohl für unsere Eigenmarkenprodukte als auch Markenprodukte anderer Hersteller“, betont Dominique Rotondi, Geschäftsführer Einkauf. Ausnahmen bilden lediglich einige Spezialerden für Pflanzen mit besonderen Bedürfnisse wie Azaleen oder Rhododendron. 
Torffreie Erde mit dem Pro Planet-Label ist auch biozertifiziert und wird streng kontrolliert. Sie wird auf Basis von Ersatzstoffen wie Kompost, Rindenhumus und Holzfasern hergestellt. Hinzugefügt werden Ton und Spurenelementdünger.  

Bei den Verbrauchern kommt „Gärtnern ohne Torf“ gut an. Bei einer von Toom in Auftrag gegebenen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa begrüßten zwei Drittel der befragten 1000 Gartenbesitzer, dass Baumärkte und Gartencenter ihr Sortiment entsprechend umstellen oder erweitern.
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