„Janice schuftet von 4 Uhr morgens bis nachts. Janice ist 12 Jahre alt.“
Janice* steckt voller Lebensfreude. Sie tanzt gerne, singt gerne und spielt für ihr Leben gerne Spiele. Nur spielt niemand mit ihr. Die Kinder ihrer „Gasteltern“ wollen nicht. Und Zeit hat sie ohnehin nicht. Um welche Uhrzeit die Zwölfjährige abends ins Bett fällt, ist ungewiss. Wann sie morgens aufsteht, ist hingegen fest geregelt: Jeden Morgen klingelt für Janice um vier Uhr der Wecker. Dann kümmert sie sich um alles, was anfällt in dem siebenköpfigen Haushalt. Putzen, waschen, einkaufen, kochen … All das macht Janice, seit sie ganz klein ist. Wer ihre richtigen Eltern sind, wo sie leben, wo sie selbst geboren ist, das weiß sie nicht genau.
Aber was sie von der Zukunft will, das weiß die zwölfjährige Janice genau: Ihrem Leben als Dienstmagd entfliehen. Seit kurzem ist sie auf einem guten „Fluchtweg“: Sie lernt im Projekt MvM (Mouvman Vin Pils Moun – Bewegung für mehr Mensch sein) lesen und schreiben. Ein erster Schritt in Richtung Zukunft.
<div>
„Woher er kommt, wer seine Eltern sind? Jacob weiß es nicht.“
Wo er herkommt, das weiß auch Jacob* nicht. Nicht, wer seine Eltern sind, nicht, wem er ähnlich sieht, nicht, ob er Geschwister hat. Der 15-jährige lebt und schuftet von Kindesbeinen an bei seiner Gastfamilie im Herzen von Port-au-Prince und beschreibt sich selbst als einsam und nachdenklich. Ohne Freizeit, ohne Freunde, ausgebeutet als Haushaltskraft. Sein Leben, sagt Jacob, sei sinnlos. Oder besser: Es sei sinnlos gewesen.
Bis zu dem Tag vor etwa drei Jahren , als er zu MvM kam. Heute kann der Junge, der die Schule in der 4. Klasse verlassen musste, weil seine Gasteltern die Schulgebühren nicht mehr zahlen wollten, fließend lesen und schreiben. Er füllt seine Wissenslücken, nimmt an Handwerks- und Kochkursen teil, beschäftigt sich mit Fragen rund um Umweltschutz, Sozialkunde – und sein eigenes Leben. Denn in Gesprächen mit den Pädagogen von MvM wurde ihm bewusst, wie viel ihm fehlt in seinem Leben. „Das Haus, in dem ich lebe, ist nicht mein Zuhause. Ich werde nicht liebevoll behandelt. Ganz besonders schlimm ist für mich, dass ich nicht zur Schule gehen konnte wie alle anderen Kinder auch. Jetzt aber, bei MvM, hab ich mir ein Ziel gesetzt. Ich will weiter zur Schule gehen, ich will lernen. Ich will jemand werden im Leben.“ </div>
Geschätzt 300.000 dieser „Restavèk“ (vom französischen Ausdruck rester avec = bei jemandem bleiben) gibt es in Haiti. In der Hoffnung, ihnen ein besseres Leben zu eröffnen, schicken viele arme Eltern ihre Kinder aus den ländlichen Regionen in die Stadt zu fremden oder verwandten „Gastfamilien“. Doch statt Schule, Bildung, Zukunft warten dort auf die Restavèk-Kinder Schufterei, Ausbeutung oder gar Misshandlungen. Sie stehen am äußersten Rand der haitianischen Gesellschaft, die ohnehin zu den ärmsten der Welt gehört. Der Schlüssel, um das Leben dieser Kinder nachhaltig in eine gute Bahn zu lenken, heißt Bildung.
Trotz der bescheidenen Ausstattung sind Projekte wie MvM für die einst chancenlosen Jugendlichen zukunftsweisend.
MvM ist eins der beiden von REWE Group-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützten Bildungsprojekte. Rücksicht nehmend auf ihre schwierige Situation in den Gastfamilien, bietet das Projekt Restavèk- und benachteiligten Kindern eine schulische Grundbildung sowie lebenspraktische Fähigkeiten. Für die Jugendlichen wird eine Ausbildung in verschiedenen Berufen angeboten. Wichtiger Teil der Projektarbeit ist die enge Zusammenarbeit und Sensibilisierung von Gastfamilien und Lokalpolitik, um langfristige und nachhaltige Veränderungen zu erreichen.
*) Alle Namen von der Redaktion geändert