Wilhelm Brandenburg hat im Kerngeschäft bereits im Oktober 2020 alle Werkverträge eingestellt und die betroffenen Mitarbeiter übernommen. Die gesetzliche Regelung wurde erst im Dezember 2020 beschlossen. Wie es zu dieser mutigen Entscheidung kam und wie der Fleisch- und Wurstproduzent sie umsetzt, verrät der Geschäftsführer Julian Hertzig im one_Interview.
one: Mit dem drohenden Verbot der Werkverträge hat die Politik die Fleischindustrie offenbar kalt erwischt. Wie sieht es bei Wilhelm Brandenburg aus?
Julian Hertzig: Bereits 2019 haben wir bei Brandenburg begonnen, die Werkverträge zu reduzieren und Mitarbeiter in tarifliche Arbeitsverhältnisse zu übernehmen. So hatten wir schon Anfang 2019 in der ersten Einstellungsoffensive rund 270 Mitarbeiter übernommen. Viele dieser Mitarbeiter kamen ursprünglich zum Beispiel aus Rumänien oder Ungarn auf der Suche nach einer neuen Perspektive und haben sich Deutschland als Land zum Leben und Arbeiten ausgesucht. Einige sind schon viele Jahre in Deutschland und bei Brandenburg tätig. Wir sind bei Brandenburg schon immer multikulturell und international im Team aufgestellt. Das ist für uns keine Besonderheit. Auf Grund der gesetzlichen Veränderung im Jahr 2020 haben wir uns deshalb entschieden, vollumfänglich auf eigene Mitarbeiter zu setzen.
Julian Hertzig
one: Warum gab es diese Änderung?
Julian Hertzig: Nachdem wir viele Jahre mit dem Modell des Werkvertrags im Kerngeschäft – Zerlegung, Produktion, Verpackung – gearbeitet haben, wollten wir den Mitarbeitenden bessere Lebensperspektiven mit einer Übernahme zu uns bieten. Gleichzeitig ermöglichen wir damit uns und den Beschäftigten neue Entwicklungsmöglichkeiten in der REWE Group. So eine weitreichende Entscheidung wurde auch bei uns intern intensiv vorbereitet und mit allen Beteiligten aktiv getroffen.
one: Wie ging es dann weiter?
Julian Hertzig: Durch Corona und die Diskussionen in der Öffentlichkeit sowie die geplante Gesetzgebung eines Verbots der Werkverträge in den Kernbereichen der Fleischindustrie hat sich gezeigt, dass der bereits zuvor eingeschlagene Weg der absolut richtige war. So haben wir als eines der ersten Unternehmen der Branche Mitarbeiter aus der Zerlegung eingestellt. Zusammen mit der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und den Betriebsräten haben wir alle Rahmenbedingungen für die jetzt direkt bei uns Beschäftigten geschaffen. Wir haben dadurch im zurückliegenden Jahr noch einmal deutlich über 300 neue Mitarbeiter an den Produktionsstandorten eingestellt. Diesen Kurs setzen wir fort.
one: Wie viele Kolleginnen und Kollegen werden bis zum Jahresende 2021 in Festanstellung sein? Wie viele werden es insgesamt sein?
Julian Hertzig: Wir haben uns bereits frühzeitig mit dem anstehenden Thema Leiharbeit auseinandergesetzt und hier ebenfalls viele Mitarbeiter eingestellt. Die Übernahme von Leiharbeitnehmern ist bei uns nichts Ungewöhnliches und wird seit vielen Jahren als Einstiegsmöglichkeit von den Beschäftigten genutzt. Wir haben deswegen schon seit vielen Jahren Kollegen, die sich um die Integration der neuen Mitarbeiter kümmern. Diese unterstützen sowohl bei Behördengängen als auch bei persönlichen Angelegenheiten. Natürlich sind unsere Mitarbeiter mehrsprachig und können dadurch sprachliche Hindernisse meist problemlos bewältigen. Wir hoffen, dass sich alle neuen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Brandenburg-Team wohl fühlen und sich gut integrieren. Dabei helfen alle Kollegen aktiv mit. In Summe sprechen wir bei Brandenburg in Kürze von nahezu 3.000 Beschäftigten.
„Bei der Übernahme der Mitarbeiter haben wir deswegen von vornherein auf eigene Wohn- und Mietverhältnisse der neuen Beschäftigten gesetzt. Ganz so wie es jeder andere Mitarbeiter im Privaten auch kennt.“Julian Hertzigone: In der Branche heißt es, die Abschaffung der Werkverträge gehe zu Lasten der Flexibilität. Saisonale Produktionsspitzen ließen sich dann nur schwer abdecken. Wie schaffen Sie es, zugleich diese Spitzen abzudecken und alle Kolleginnen und Kollegen das ganze Jahr über zu beschäftigen?
Julian Hertzig: Wir haben eine gute Absatz- und Produktionsplanung und stimmen diese fortlaufend mit den Kollegen aus der REWE Group ab. Ergänzend hierzu setzen wir auf Flexibilisierung bei Arbeitszeiten und Stundenumfang im engen Austausch mit unseren Betriebsräten. Gemeinsam werden wir auch diese Herausforderung meistern.
one: Steigen mit der Umwandlung in Festanstellungen nicht die Personalkosten, und werden dann nicht die Fleisch- und Wurstwaren von Wilhelm Brandenburg teurer?
Julian Hertzig: Wir haben als Teil der REWE Group schon immer nach den höchsten Standards zertifizierte Dienstleister im Personalbereich eingesetzt. Das ist wahrscheinlich nicht bei allen Unternehmen der Branche so. Aus diesem Grund halten sich die Auswirkungen in Grenzen.
one: Mit der Kritik an Werkverträgen war immer auch sehr eng Kritik an der Unterbringung verbunden. Was ändert sich hier?
Julian Hertzig: Unsere Dienstleister für Werkverträge und die von diesen eingesetzten Unterkünfte wurden von uns seit vielen Jahren über eine TÜV-Zertifizierung auf einem sehr hohen Niveau ausgewählt. Dadurch haben sich viele Problemstellungen gar nicht erst ergeben. Bei der Übernahme der Mitarbeiter haben wir deswegen von vornherein auf eigene Wohn- und Mietverhältnisse der neuen Beschäftigten gesetzt. Ganz so wie es jeder andere Mitarbeiter im Privaten auch kennt.
one: Wie helfen Sie den neuen Mitarbeitenden, in Deutschland Fuß zu fassen und sich besser zu integrieren?
Julian Hertzig: Unser engagiertes Team unterstützt die neuen Kollegen aktiv bei ganz vielen alltäglichen Themen. Damit schaffen wir die Voraussetzung für eine gute Integration in Deutschland und in unserem Unternehmen.
Zur Person
Julian Hertzig ist bei Wilhelm Brandenburg als Geschäftsführer tätig. Gemeinsam mit dem gesamten Brandenburg-Team konnte er zahlreiche Verbesserungen umsetzen. Brandenburg sieht er für die zukünftigen Herausforderungen gut aufgestellt.