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Lesedauer: 7 Minuten
Sören Hartmann im Interview
„Wir müssen wieder viel mehr Risiken eingehen“
von Chantal Gluding
Seine ersten 100 Tage in doppelter Mission sind beinahe vorbei: Sören Hartmann hat zusätzlich zu seiner Position als CEO der DER Touristik am 1. Juli auch einen Sessel im Vorstand der REWE Group bezogen. Ein Vorstand ausschließlich für Touristik: ein Novum in der REWE Group. Was bedeutet das? Wie kommt man mit beiden Jobs gleichzeitig zurecht? Lesen Sie hier das komplette Interview, geführt von Chantal Gluding, unserer Kollegin aus der DER Touristik-Unternehmenskommunikation.

one: Herr Hartmann, herzlichen Glückwunsch zur neuen Aufgabe als Touristikvorstand der REWE Group. Was empfindet man dabei, als Touristiker in den REWE Group-Vorstand berufen zu werden?
Sören Hartmann: Dass ich einmal in den Vorstand eines international führenden Handels- und Touristikkonzerns berufen würde, das hätte ich zu Beginn meines Berufslebens nicht gedacht. Ich freue mich sehr über diese neue Herausforderung und vor allem über die Anerkennung für die Touristik in der REWE Group.

one: Was macht die neue Position im REWE Vorstand reizvoll für Sie?
Sören Hartmann: Es geht hier weniger um meine Person, als vielmehr darum, dass sich die REWE klar zur Touristik bekennt. Das ist sehr gut, da sich unsere Branche gerade in einem enormen Veränderungsprozess befindet. Wir müssen bei der DER Touristik über neue Strukturen und Prozesse sprechen und vieles verändern. Das können wir nur, wenn unser Gesellschafter die Hintergründe versteht, indem er sich mit der Thematik beschäftigt. Das geschieht jetzt, denn die Touristik wurde zum Vorstandsthema.

„Für die DER Touristik ist entscheidend, in einer sich verändernden Umgebung ein fester und starker Teil eines stabilen und großen Unternehmens wie der REWE Group zu sein.“
Sören Hartmann

<div>one: Welche konkreten Chancen ergeben sich aus Ihrer Doppelfunktion für die DER Touristik?
Sören Hartmann: Für die DER Touristik ist entscheidend, in einer sich verändernden Umgebung ein fester und starker Teil eines stabilen und großen Unternehmens wie der REWE Group zu sein.

one: Wie schwer fällt es Ihnen, weniger Zeit für die DER Touristik zu haben?
Sören Hartmann: Ich kümmere mich nicht weniger um die DER Touristik, sondern habe genau die gleichen Aufgaben wie vorher. Vorstands-, Aufsichtsrats- und weitere Sitzungen kommen dazu, die  ich ins normale Tagesgeschäft integrieren muss.

one: Können Sie sagen, an welchen aktuellen Themen Sie gerade arbeiten?
Sören Hartmann: Die DER Touristik ist in den letzten Jahren enorm gewachsen und internationaler geworden. Wir arbeiten daran, dass die neu gewonnenen Firmen zu festen Teilen der DER Touristik Group werden und Synergien nutzen.
Die zweite Hauptaufgabe ist, veränderte Marktsituationen schnell zu erkennen und uns dabei so aufzustellen, dass wir wettbewerbsfähig sind und bleiben. Einen Reiseveranstalter macht aus, Produkte zu haben, die sonst keiner anbietet. Daher müssen wir wieder viel mehr Risiken eingehen. 
Der dritte Punkt sind Investitionen in unsere Vertriebslandschaft, mit der wir in Deutschland und international aktuell sehr erfolgreich sind. Wichtig ist mir dabei, dass wir unsere Unternehmen und Marken in den sich verändernden Märkten klar positionieren. 

Mit Phoenix Unlimited und IOL ist die DER Touristik auf dem Weg zu einem erfolgreichen Onlinegeschäft one: Nicht nur die Marktsituation ist herausfordernd, sondern auch die Digitalisierung. Welche Stellschrauben sind wichtig, um erfolgreich zu sein?
Sören Hartmann: Wir brauchen definitiv eine sehr gute Technologie und bauen daher zwei neue Plattformen. Phoenix Unlimited ermöglicht uns unter anderem, Onlinevertriebskanäle zu bedienen. Dazu waren Dertour und Meier‘s Weltreisen bislang nicht in der Lage. Bald ist ein erfolgreiches Onlinegeschäft möglich. Die zweite Plattform ist IOL – ein System, das unsere Verträge verwalten wird, die dann allen – also auch der DER Touristik in den anderen Quellmärkten - zugänglich sein werden. Insgesamt werden wir künftig viele Produkte sehr viel automatisierter erfassen und verwalten. Das erhöht unsere Geschwindigkeit.

one:
Sie sprachen vorhin vom Wachstum der DER Touristik. Begreifen sich alle Mitarbeiter als ein gemeinsames Team?
Sören Hartmann: Alle Mitarbeiter sollten die komplette DER Touristik Group als eine Familie sehen. Aber wir sind über viele Standorte und Länder verstreut, weshalb wir zwischen enger und entfernter Familie unterscheiden müssen. Enger zusammenrücken müssen beispielsweise Vertrieb und Veranstalter, da beide enorm voneinander abhängig sind. Auch die Veranstalter untereinander müssen begreifen, dass sie von den Stärken des einen profitieren können und Schwächen des anderen ausgleichen müssen. An den Schnittstellen zwischen den Destination Management Companies (DMCs) und Hotelgesellschaften ist ebenfalls Teamgeist gefragt, damit die gesamte Wertschöpfungskette erfolgreich funktioniert.</div>

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„Alle Mitarbeiter sollten die komplette DER Touristik Group als eine Familie sehen. Aber wir sind über viele Standorte und Länder verstreut, weshalb wir zwischen enger und entfernter Familie unterscheiden müssen.“
Sören Hartmann

one: Wie wollen Sie es schaffen, dass beispielsweise Veranstalter und Vertrieb enger zusammenwachsen?
Sören Hartmann: Wir müssen möglichst viele eigene Produkte im eigenen Vertrieb verkaufen. Andere Touristikunternehmen werden sich demnächst mehr und mehr vom Verkauf fremder Produkte im eigenen Vertrieb und vom Verkauf eigener Produkte über einen externen Vertrieb distanzieren. Wir können natürlich auch nicht mehr so agieren wie heute, sondern müssen die Produkte produzieren, die wir auch tatsächlich über eigene Vertriebskanäle verkaufen. 

one: Sie sprechen von vielen Herausforderungen, mit denen sicher ein sehr voller Terminkalender einhergeht. Wofür nehmen Sie sich trotzdem immer Zeit?
Sören Hartmann: Mit dieser Frage treffen Sie eine meiner Schwächen. Ich interessiere mich grundsätzlich immer für alles, weshalb in meinem Terminkalender wenig Freiraum bleibt. Aber zwei Leidenschaften möchte ich hervorheben: die Nachhaltigkeit und das Produkt. Ich komme ursprünglich aus dem Produktbereich und hänge ganz persönlich an vielen Destinationen, weil ich sie in den letzten 30 Jahren mit aufgebaut habe, vor allem im östlichen Mittelmeerraum. Griechenland, die Türkei, aber auch Länder wie Bulgarien, Ägypten und Tunesien habe ich gesehen, als es am Strand wirklich nur Strand und keine Hotels gab. Das war der Beginn unserer Zusammenarbeit, die bis heute andauert und weiter gehen wird. Unsere Arbeit muss nachhaltig wirken.

Ägypten gehört zu den touristischen Destinationen, die Sören Hartmann im Laufe seiner 30jährigen Karriere mit aufgebaut hat

one: Und wofür interessieren Sie sich in Ihrer Freizeit?
Sören Hartmann: Ich habe leider keine Zeit für Mannschaftssport. Daher gehe ich regelmäßig laufen. Das ist die Sportart, die man überall betreiben kann. 

one: In 30 Jahren in der Touristik haben Sie viel erlebt. Was war Ihr schönster beruflicher Moment?
Sören Hartmann: Es gab sehr viele kleine Deluxe-Momente, und ich habe viele Menschen kennen gelernt, die zu Freunden wurden. Einer der richtig großen Momente war sicherlich der Zukauf von Kuoni. Erfolgserlebnisse sind ja umso größer, je anstrengender die Vorarbeit war. Um Kuoni haben wir hart gekämpft. Die Vertragsunterzeichnung war ein besonderes und schönes Erlebnis. 

one: Die Generation Ihrer Töchter bucht in der Regel nicht über einen Reiseveranstalter. Welche Schlüsse können Sie aus deren Art zu reisen für unseren Reisekonzern ziehen? 
Sören Hartmann: Meine Töchter sind jetzt 21, 20 und 16 Jahre alt. Sie haben noch etwas Zeit, bis sie Veranstalterreisen buchen. Doch die heutige Jugend wird mit zunehmendem Alter in unsere Zielgruppe hineinwachsen. Ihr Anspruch ist es, alle Informationen vorab im Internet zu bekommen. Und vor allem: Die Kunden von morgen suchen auch Spaß, Unterhaltung, Inspiration und probieren gerne Neues aus. Daher werden wir unsere Präsenz im Onlinevertrieb und den neuen Medien massiv ausbauen. Eine gute Beratung bleibt wichtig, aber wahrscheinlich nicht mehr nur über stationäre Büros, sondern über das Netz. Wenn wir jetzt stehenbleiben, wo wir sind, gehören wir später zu den Verlierern. 

one: In welche Destinationen zieht es die Jugend?
Sören Hartmann:  Meiner Beobachtung nach zieht es sie vor allem in ferne Destinationen. Daher sind wir mit den Gebieten, in denen wir heute stark sind, schon ganz gut aufgestellt. Die große Reiseaffinität der Jugendlichen ist vielversprechend.

one: Was ist Ihr liebstes Reiseziel?
Sören Hartmann: Ich bin in Loutro verliebt. Das ist in ein kleines Dorf im Süden Kretas, in einer Bucht, die nur mit dem Schiff zu erreichen ist. Dort gibt es nur wenige Pensionen, vier oder fünf Restaurants und keine Autos. Die Nächte sind sternenklar und es gibt immer sehr guten Fisch. Dazu eine einfache Unterkunft: Mehr braucht man nicht. Ich gehe aber auch einmal im Jahr auf Fernreise, dieses Jahr ging es beispielsweise nach Vietnam.

Sören Hartmanns ganz persönliches Urlaubs-Highlight: Das kleine Örtchen Loutro auf Kreta
Zur Person
Sören Hartmann (54) ist seit 01. Juli 2017 Touristikvorstand der REWE Group und verantwortet die gesamten Aktivitäten der Reisesparte. Als DER Touristik Group ist diese in 14 europäischen Quellmärkten aktiv. Dem internationalen Board der DER Touristik Group steht Hartmann als Chief Executive Officer vor.

1986 begann seine berufliche Laufbahn mit einer Ausbildung zum Reiseverkehrskaufmann bei der TUI.  Nach Stationen unter anderem als Bereichsleiter Touristik bei der Köln-Düsseldorfer Deutsche Rheinschifffahrt AG ging der geborene Bergisch Gladbacher 1996 als Produktmanager zurück zur TUI.  Zwischen 2003 und 2006 war Sören Hartmann Mitglied der Geschäftsführung von TUI Deutschland. 2006 wurde er Geschäftsführer der Robinson Club GmbH, bevor er 2010 als Sprecher der Geschäftsführung zur damaligen REWE Touristik wechselte, wo er zunächst die Leitung der Pauschaltouristik übernahm.
Mit seiner Ernennung zum CEO der DER Touristik wurde Sören Hartmann zum 01. Mai 2014 die Gesamtverantwortung für die damals in Deutschland, Österreich, der Schweiz und in Osteuropa aktiven DER Touristik übertragen.

Sören Hartmann ist Träger des Deutsch-Türkischen Freundschaftspreises Kybele 2017 in der Rubrik Wirtschaft. Der Kybele-Preis wird seit 2001 Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik verliehen. Zu den Preisträgern gehört unter anderem Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel.  Verliehen wird der Preis von der Deutsch-Türkischen Freundschaftsföderation (DTF).

Sören Hartmann ist verheiratet und hat drei Töchter.
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