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Lesedauer: 9 Minuten
90 Jahre REWE – 100 Tage als CEO – Drei Siege im Bundesliga Tipp-Duell
„Wie geht’s, Herr Souque?“
REWE Group-Vorstandsvorsitzender Lionel Souque spricht im Interview mit Martin Brüning, Leiter der REWE Group Unternehmenskommunikation, über die Herausforderungen und Chancen, die vor ihm und dem Unternehmen liegen; über die Grundwerte einer 90jährigen Genossenschaft  und über seine Hoffnung, dass der 1. FC Köln in dieser Saison noch die Kurve kriegt.

<div>one: Gleich zu Anfang die unvermeidliche Frage: Wie waren Ihre ersten 100 Tage als neuer Vorstandsvorsitzender? Wie geht’s?
Lionel Souque:
Mir geht es gut, vielen Dank. Sie brauchen sich keine Sorgen um mich zu machen (lacht). Im Ernst, ich freue mich sehr und empfinde die Berufung zum Vorstandsvorsitzenden als eine große Ehre. Aber mir ist auch klar, dass die Führung dieses Unternehmens keine One-Man-Show ist. Deshalb bin ich froh, dass wir im Gruppen-Vorstand – zusammen mit den Bereichsvorständen – ein eingespieltes Team sind. Und für mich persönlich haben sich gar nicht so gravierende Veränderungen ergeben. Ich bin seit sechs Jahren im Vorstand und seit acht Jahren Vorsitzender der Geschäftsleitung von REWE – und die Verantwortung für PENNY in Deutschland hatte ich bereits zum 1. Januar 2017 übernommen. Insofern waren meine ersten 100 Tage als Vorstandsvorsitzender ziemlich unspektakulär. 
„Meine wichtigste Verantwortung ist, dass unsere Strategie überall im Unternehmen konsequent umgesetzt wird“Lionel Souque
one: Aber die Funktion des Vorstandsvorsitzenden geht weit über die reine Ressortverantwortung für Handel Deutschland hinaus.
Lionel Souque: Selbstverständlich, als Vorstandsvorsitzender sorge ich dafür, dass unser großer „Tanker“ REWE Group führbar bleibt und alle in die richtige Richtung steuern. Im Juli haben meine Vorstandskollegen und ich unsere strategischen Prioritäten überprüft und verabschiedet. Meine wichtigste Verantwortung ist, dass diese Strategie überall im Unternehmen konsequent umgesetzt wird. Ein anderer bedeutender Verantwortungsbereich für mich als CEO ist das Thema Personal.</div>

one: Was ist für Sie die oberste strategische Priorität?
Lionel Souque:
Es gibt verschiedene Schwerpunkte, die wir parallel bearbeiten müssen. Die digitale Transformation unseres Unternehmens weiter voranzutreiben, unsere Geschäftsmodelle kritisch zu prüfen und weiterzuentwickeln – in Deutschland ebenso wie im Ausland – das ist entscheidend für unsere Zukunftsfähigkeit. Wichtig ist dabei, dass wir das Unternehmertum in der REWE Group fördern, unsere Kaufleute stärken und ebenso in den Filialen und Zentralen unternehmerisches Denken und Handeln stärken. Und ganz zentral: Wir müssen bei allem, was wir tun und lassen, unsere Kunden noch stärker im Fokus haben.  „Wir in der REWE Group müssen stärker verinnerlichen: Der wichtigste Maßstab für unseren Erfolg sind die Kunden!“Lionel Souque  
one: Bei allem Respekt, aber das Thema Kundenorientierung und Kundenzufriedenheit gehört doch zum Standardrepertoire jedes Unternehmens.
Lionel Souque:
Sehen Sie, genau da liegt das Problem. Sie tun das Thema Kundenorientierung ein bisschen ab nach dem Motto: „Das kennen wir doch schon; das machen wir doch schon.“ Aber die Herausforderung liegt ja auch nicht darin, das Rad neu zu erfinden, sondern in der Umsetzung. Wenn wir uns Kundenzufriedenheits-Studien in Deutschland und Europa anschauen, da sind wir im Ranking oft nur Durchschnitt. Spitzenreiter – am besten noch mit weitem Abstand vor den Wettbewerbern – sind wir nie! Das heißt, es gibt noch sehr viel Potenzial für uns. Und dann schauen Sie auf den Erfolg von Amazon. Da steht ein einziger Punkt auf der Agenda: Kundenzufriedenheit. Wir in der REWE Group müssen dieses Denken noch stärker verinnerlichen: Der wichtigste Maßstab für unseren Erfolg sind die Kunden!

one: Der zweite große Verantwortungsbereich für Sie als Vorstandsvorsitzender ist der Bereich Personal?
Lionel Souque:
Ja, meine größte neue Aufgabe als CEO ist meine Rolle als Personalchef: die besten Leute rekrutieren und dafür sorgen, dass die richtigen Mitarbeiter an der richtigen Stelle positioniert sind, so dass jeder sein Potential voll ausschöpfen und sich auf seine Aufgabe konzentrieren kann. Ich will eine Art „positiven Druck“ aufrechthalten: fördern und fordern. Das Thema Mitarbeiter für mich eine Top-Priorität. Wir haben allein in Deutschland einen jährlichen Bedarf für Neu- und Nachbesetzungen von mehr als 20.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Deshalb müssen wir ein attraktiver Arbeitgeber sein, der beispielsweise die Vereinbarkeit von Beruf und Familie wirklich ernst nimmt und vor allem auch Frauen in Führungspositionen fördert.  „Zusammenhalt und Zusammenarbeit, Solidarität und Verantwortung für die Zukunft sind unsere Grundwerte. Und die sollten uns auch im Tagesgeschäft leiten und Orientierung geben.“Lionel Souque
one: REWE feiert in diesem Jahr sein 90jähriges Bestehen. Welche Bedeutung hat diese lange Geschichte und Tradition unseres Unternehmens eigentlich heute im Tagesgeschäft?
Lionel Souque:
90 Jahre REWE bedeutet vor allem eine Tradition der Werte, die uns groß und stark gemacht haben. Als Genossenschaft hetzen wir nicht von Quartal zu Quartal und jagen den Erwartungen der Anleger und Analysten hinterher. Sondern wir wirtschaften für kommende Generationen – so wie unsere selbstständigen Kaufleute ihre Geschäfte teilweise in der fünften Generation betreiben. Zusammenhalt und Zusammenarbeit, Solidarität und Verantwortung für die Zukunft sind unsere Grundwerte. Und die sollten uns tatsächlich auch im Tagesgeschäft leiten und Orientierung geben. 

one: Vor einem Jahr im Oktober gab es in der Branche fast nur ein Thema: die Zukunft von Kaiser'sTengelmann. Es war eine hitzige Auseinandersetzung, wie sie der deutsche Lebensmittelhandel noch selten erlebt hatte. Heute spricht so gut wie niemand mehr darüber.
Lionel Souque:
Klar, das Thema ist raus aus den Medien. Doch für uns ist es intern weiterhin ein großes Thema. Denn wir müssen nicht nur die Märkte integrieren, die wir von KT übernommen haben, sondern auch das Fleischwerk in Pernewitz, die Läger in Berlin und Teile der dortigen Verwaltung. Die Märkte sind alle seit Ende März auf REWE umgeflaggt; das war übrigens eine großartige Leistung des ganzen Teams in Berlin. Doch wir müssen weiter investieren, um sie auf ein modernes, wettbewerbsfähiges Niveau zu bringen. Das ist eine Aufgabe, die nicht in drei oder sechs Monaten abgeschlossen ist und sehr viel Geld kostet und vor allem Engagement und Einsatz der Verantwortlichen vor Ort fordert. 

one: Weniger spektakulär war die Gründung der Supermarkt Nord GmbH, kurz SuNo, in die die Coop Kiel ihr Geschäft eingebracht hat und in der REWE jetzt mit seinem Mehrheitsanteil die Führung übernommen hat. 
Lionel Souque:
SuNo ist ebenfalls ein sehr wichtiges Projekt für uns. Vor allem - wir sollten da nicht um den heißen Brei herumreden: Wir haben es hier mit einem echten Sanierungsfall zu tun, der uns noch einige Jahre auch beim Ergebnis belasten wird. Deshalb haben wir sehr gute Manager von Köln nach Kiel geschickt und schaffen jetzt schnell die erforderlichen Rahmenbedingungen, um das Geschäft im Norden wieder auf Vordermann zu bringen.
„Wir müssen die Ärmel hochkrempeln und hart arbeiten. Jeder an seinem Platz.“Lionel Souque
one: Ergebnisbelastungen durch die Teilübernahme von KT und die SuNo: wenn wir keine Genossenschaft wären, sondern börsennotiert, müssten Sie dann jetzt eine Gewinnwarnung veröffentlichen?
Lionel Souque:
Unsere Eigentümer und Aufsichtsräte kennen alle Zahlen und sind voll im Bilde darüber, wie sich die REWE Group derzeit entwickelt. KT und SuNo waren in unserem Budget 2017 nicht geplant und logischerweise auch nicht in der Mittelfristplanung. Aber wir waren uns auch im Klaren darüber, dass wir diese beiden Chancen unbedingt nutzen mussten, um für die Zukunft gute wirtschaftliche Perspektiven in Berlin und Norddeutschland zu haben. Deshalb waren unsere Entscheidungen richtig.

one: Aber die Schlagzeile „Rekordergebnis bei REWE“ wird es bei der Bilanzpressekonferenz im kommenden Frühjahr nicht geben, oder?
Lionel Souque:
Nein, diese Schlagzeile wird es definitiv nicht geben. Aber ein EBITA ist immer nur eine Momentaufnahme. Unser Finanzvorstand Christian Mielsch hat bei unserer Bilanz-PK in diesem Jahr klipp und klar gesagt: Etwa die Hälfte des EBITA stammte aus Sondereffekten. Operativ waren wir beim Ergebnis 2016 etwa auf Vorjahres-Niveau, sogar ein klein wenig darunter. Tatsache ist, dass wir jeden Tag aufs Neue für unseren Erfolg kämpfen müssen. Es gibt ein schönes Sprichwort: Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Stelle. Wir müssen einfach die Ärmel hochkrempeln und hart arbeiten. Jeder an seinem Platz.
„Ich erlebe überall so großes Engagement und auch Kampfgeist, dass ich keine Sorge habe, dass wir die Herausforderungen der Zukunft packen werden.“Lionel Souque
one: Was stimmt Sie beim Blick auf die kommenden Jahre zuversichtlich? Der Wettbewerb nimmt an Schärfe weiter zu. Aldi und Lidl liefern sich Preisschlachten, die auch unsere Margen in Mitleidenschaft ziehen.
Lionel Souque:
Ich nehme die Herausforderungen, die aktuell vor uns liegen sehr ernst. Wir dürfen die aktuelle Situation nicht unterschätzen. Aber ich bin zuversichtlich, weil ich weiß, dass wir eine super Mannschaft haben. Wir haben Kaufleute, Manager und Mitarbeiter, deren Herz wirklich für unser Unternehmen schlägt. Ich erlebe überall so großes Engagement und auch Kampfgeist, dass ich keine Sorge habe, dass wir die Herausforderungen der Zukunft packen werden. Zweitens sind wir trotz aktueller Sonderbelastungen weiterhin in der Lage unsere sehr ambitionierten Investitionsziele zu erreichen.

one: Was heißt das konkret?
Lionel Souque:
Wir haben die wirtschaftliche Kraft, jährlich über zwei Milliarden Euro für Instandhaltungen und Investitionen auszugeben – und das werden wir auch mittelfristig weiter schaffen. Unsere hohen Investitionen in die Märkte, in die Logistik und die Digitalisierung sind die Basis unserer Wettbewerbsfähigkeit. Sie sichern unsere Zukunft. Und bei der Digitalisierung dürfen Sie nicht nur an den REWE Lieferservice denken. Sondern wir investieren ebenso bei toom Baumarkt, bei PENNY, in der Touristik und im Ausland, wo weit über 100.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ebenfalls jeden Tag ihr Bestes geben.

one: Wer Ihnen in Ihren ersten 100 Tagen als Vorstandsvorsitzender genau zugehört hat, konnte feststellen, dass immer wieder die Themen „Kosten senken“ und „Effizienz steigern“ im Mittelpunkt standen.
Lionel Souque:
Gut zugehört (lacht)! Im Ernst, das Thema Kosten ist zentraler denn je. Wir haben schon darüber gesprochen, dass wir außerordentliche Ergebnisbelastungen haben. Ok, das war gewollt und sichert langfristig unsere Zukunft. Aber auf der anderen Seite sind wir momentan mit Kostensteigerungen konfrontiert, die nur noch durch konsequentes Sparen aufgefangen werden können.

one: Was sind das für Kostensteigerungen?
Lionel Souque:
Das ist im kommenden Jahr ein ganzes Bündel. Wenn die Telekom ISDN abschaltet und wir überall auf Internet-Standard umschalten müssen, kostet uns das allein fast acht Millionen Euro. Änderungen gesetzlicher Vorschriften beim Einsatz von Kältemitteln schlagen mit 11 Millionen Euro zu Buche. Dann kommen zusätzliche Mautgebühren in Deutschland, das kostet nochmal 12 Millionen Euro. So reiht sich eins zum anderen und am Ende fehlen uns weit über 100 Millionen Euro.

one: Wird der Vorstand konkrete Sparziele vorgeben? Etwa 10 oder 20 Prozent Einsparung bei Sachkosten?
Lionel Souque:
Es ist die Aufgabe der Führungskräfte in unserem Unternehmen gezielte Einsparungen umzusetzen. Jeder weiß in seinem Bereich ganz genau, wo es Einsparpotenziale gibt – und er oder sie ist verpflichtet, diese Einsparungen auch umzusetzen. Meine Vorstandskollegen und ich haben dem Topmanagement die klare Aufgabe gestellt, alle Ausgaben und jedes Projekt – wirklich alles – kritisch zu prüfen: Brauchen wir das wirklich? Trägt es dazu bei, unsere strategischen Ziele zu erreichen? Es ist doch gar keine Frage, dass wir in unserem Unternehmen in den vergangenen Jahren auch hier und da Speck angesetzt haben. Da müssen wir jetzt ran. Denken Sie einmal an die große von Zahl der Konferenzen, Meetings, Tagungen, die wir haben. In vielen Fällen reicht es, wenn wir uns alle zwei Jahre statt jährlich treffen. Und, ganz ehrlich, manche Veranstaltungen sind wirklich überflüssig.
„Am besten wäre natürlich, ich gewinne alle Tipps im one Bundesliga-Tippspiel und der FC spielt auch wieder erfolgreich und klettert schnell in der Tabelle nach oben. So wär's mir am liebsten.“Lionel Souque
one: Machen Sie sich Sorgen um den 1. FC Köln? Ein Punkt nach sieben Bundesliga-Spielen, ist eine sehr magere Bilanz.
Lionel Souque:
Als ich das letzte Heimspiel des FC gegen RB Leipzig gesehen habe, musste ich an den Spruch des ehemaligen Bayern-Stürmers Jürgen Wegmann denken: „Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu.“ Genau wie beim Europa League-Heimspiel gegen Roter Stern Belgrad, da hat der FC in der zweiten Halbzeit komplett dominiert und dreimal nur den Pfosten getroffen. Jedenfalls ist die Situation beim FC schon sehr kritisch. Das ist gar keine Frage.

one: Ihre persönliche Bilanz beim großen Bundesliga-Tippspiel von ONE ist auch nicht positiv. Nach sieben Spieltagen haben Sie dreimal gegen einen REWE Group-Mitarbeiter gewonnen und viermal verloren.
Lionel Souque:
Am besten wäre natürlich, ich gewinne alle Tipps und der FC spielt auch wieder erfolgreich und klettert schnell in der Tabelle nach oben. So wär's mir am liebsten. Aber wenn ich die Wahl habe: Dafür, dass der FC in dieser Saison noch die Kurve kriegt, verliere ich gerne auch noch alle restlichen Tipp-Duelle!

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