Briten vor EU-Austritt
Was bedeutet der Brexit für den Handel?
Lesedauer: 4 Minuten
Die Briten haben sich mit knapper Mehrheit gegen einen Verbleib in der Europäischen Union entschieden – und viele Unternehmen und Verbraucher in Deutschland fragen sich: Was bedeutet das für mich? one gibt einen ersten Überblick.
Die Volkswirtschaften Großbritanniens und Deutschlands sind eng miteinander verflochten: Großbritannien ist Deutschlands drittwichtigster Handelspartner (nach den USA und Frankreich). Gut 2.500 Unternehmen aus der Bundesrepublik sind nach Angaben der deutschen Außenhandelskammer (AHK) im Vereinigten Königreich aktiv – darunter Aldi und Lidl mit einem Anteil von etwa zehn Prozent am britischen Lebensmitteleinzelhandel. Umgekehrt haben etwa 3.000 britische Firmen Niederlassungen in Deutschland.
Auch für die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft ist das Vereinigte Königreich ein wichtiger Abnehmer. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes betrugen die Exporte 2015 etwa 4,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von sechs Prozent an den Gesamtexporten. Dagegen lieferte Großbritannien nur Waren im Wert von 1,4 Milliarden Euro. Größter Posten: Spirituosen mit 317 Millionen Euro.
Auch für die deutsche Agrar- und Ernährungswirtschaft ist das Vereinigte Königreich ein wichtiger Abnehmer. Nach Angaben des Deutschen Bauernverbandes betrugen die Exporte 2015 etwa 4,8 Milliarden Euro. Das entspricht einem Anteil von sechs Prozent an den Gesamtexporten. Dagegen lieferte Großbritannien nur Waren im Wert von 1,4 Milliarden Euro. Größter Posten: Spirituosen mit 317 Millionen Euro.
Milch & Käse für die Insel
Deutsche Molkereien exportierten 2015 etwa
13.000 Tonnen H-Milch
12.000 Tonnen Kondensmilch und
68.000 Tonnen Käse auf die Insel.
Wichtigstes Exportgut ist nach Angaben des Milchindustrie-Verbandes Joghurt.
Davon gingen im vergangenen Jahr 94.000 Tonnen ins Vereinigte Königreich.
13.000 Tonnen H-Milch
12.000 Tonnen Kondensmilch und
68.000 Tonnen Käse auf die Insel.
Wichtigstes Exportgut ist nach Angaben des Milchindustrie-Verbandes Joghurt.
Davon gingen im vergangenen Jahr 94.000 Tonnen ins Vereinigte Königreich.
Sie alle wären bei einem Brexit betroffen – je nach Geschäftsmodell unterschiedlich stark. Aber soweit ist es noch nicht. Noch hat Großbritannien dem Europäischen Rat nicht mitgeteilt, aus der EU austreten zu wollen. Erst danach werden beide Seiten ein Abkommen aushandeln, das die Einzelheiten des Austritts beinhaltet. Diese Verhandlungen können bis zu zwei Jahre dauern. „Die Änderungen für deutsche Unternehmen würden somit in frühestens zwei bis möglicherweise vier bis fünf Jahren eintreten“, heißt es bei der Außenhandelskammer. Und das Bundeswirtschaftsministerium betont, die Märkte blieben offen und während der Austrittverhandlungen ändere sich „für die Unternehmen erst einmal nichts.“
Entsprechend mahnen auch die deutschen Unternehmen zur Besonnenheit. Alle Überlegungen, was im Falle eines Falles passieren könnte, seien reine Spekulation. „Jetzt nur keine Schnellschüsse“, betont etwa der Bundesverband Großhandel, Außenhandel und Dienstleistungen (BGA). Und beim Handelsverband HDE heißt es: „Wir erwarten insgesamt, dass sich der Brexit unmittelbar und kurzfristig nicht auf den deutschen Einzelhandel auswirkt.“ Unterstützung kommt von vielen Analysten: Der private Konsum als Hauptstützte der Konjunktur in Deutschland bleibe intakt.
„Unsere Expansionspläne sind unverändert und wir werden weiterhin die Mehrzahl unserer Produkte von britischen Lieferanten beziehen. Bei uns heißt es: business as usual“.
Aldi auf Anfrage der Lebensmittel-Zeitung
Aldi auf Anfrage der Lebensmittel-Zeitung
„Wir sehen keine Veranlassung, unsere strategischen Pläne für den britischen Markt in Frage zu stellen.“
Lidl auf Anfrage der Lebensmittel-Zeitung
Lidl auf Anfrage der Lebensmittel-Zeitung
Banken: Der Brexit ist ein Risiko
Gleichwohl haben manche Banken und Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen für das Wachstum im nächsten Jahr gesenkt: Der Brexit sei ein Risiko. In welchem Umfang, das wird stark von der zu vereinbarenden Regelung der künftigen Beziehungen der EU mit Großbritannien abhängen. Das wahrscheinlichste Szenario aus Sicht der Außenhandelskammer ist, dass die EU und Großbritannien nach einem Brexit ein neues Freihandelsabkommen vereinbaren. Denkbar seien aber auch weitergehende Liberalisierungen, etwa in den Bereichen Dienstleistungen, Investitionen oder beim Kapitalverkehr.
Gleichwohl haben manche Banken und Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen für das Wachstum im nächsten Jahr gesenkt: Der Brexit sei ein Risiko. In welchem Umfang, das wird stark von der zu vereinbarenden Regelung der künftigen Beziehungen der EU mit Großbritannien abhängen. Das wahrscheinlichste Szenario aus Sicht der Außenhandelskammer ist, dass die EU und Großbritannien nach einem Brexit ein neues Freihandelsabkommen vereinbaren. Denkbar seien aber auch weitergehende Liberalisierungen, etwa in den Bereichen Dienstleistungen, Investitionen oder beim Kapitalverkehr.
Wie auch immer: Der bürokratische Aufwand werde in jedem Fall steigen, meint die AHK. Denn die innerhalb der EU abgeschafften Zollvorschriften würden bei Im- und Exporten mit Großbritannien wieder greifen. Dann müssten Unternehmen wieder förmliche Zollanmeldungen bei der Ein- und Ausfuhr abgeben. Auch der Austausch des Personals zwischen Standorten in Deutschland und Großbritannien könnte schwieriger werden, weil die Regeln für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer möglicherweise nicht mehr gelten.
Eine wichtige Frage ist: Auf welchem Kurs wird sich das britische Pfund einpendeln? Als unmittelbare Reaktion auf das Ergebnis des Referendums sackte die britische Währung auf ein Rekordtief. Deutsche Nahrungsmittel könnten sich somit verteuern. Rutscht die britische Wirtschaft in die Rezession und schwindet die Kaufkraft der Verbraucher, könnten davon Discounter wie Aldi und Lidl profitieren. Zumal sie nach Angaben der Marktforscher von Planet Retail einen großen Teil ihres Sortiments von britischen Lieferanten beziehen.
„Wir als Anbieter von Reiseleistungen und vor allem die Bürger sind abhängig und profitieren von einfachen Reisebedingungen und offenen Märkten auf dieser Welt. Das hohe Gut der Reisefreiheit, das in den vergangenen Jahrzehnten erreicht worden ist, darf nicht gefährdet werden.
Die EU und Großbritannien müssen nun alles daran setzen, dass Reisen so einfach wie möglich bleibt.“
Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reise Verbandes (DRV)
Norbert Fiebig, Präsident des Deutschen Reise Verbandes (DRV)
Kostenanstieg für Online-Shopper droht
Und der Online Handel? Schließlich ist Großbritannien Vorreiter bei Bestellungen über das Internet. Nach Zahlen von E-Commerce Foundation kauften die Briten 2015 für gut 175 Milliarden Euro im Netz ein – mehr als Franzosen, Deutsche und Russen zusammen. Das Berliner E-Commerce Unternehmen Visual meta befürchtet in einer „Brexit-Analyse“ einen Kostenanstieg für Online-Shopper innerhalb und außerhalb des Vereinigten Königreichs von zwei bis zu 15 Prozent (je nach Produktgruppe). E-Commerce-Unternehmen in Großbritannien hätten mit höheren Lieferkosten und unterschiedlichen Steuer- und Zollsystemen einen bedeutenden Nachteil.
Und der Online Handel? Schließlich ist Großbritannien Vorreiter bei Bestellungen über das Internet. Nach Zahlen von E-Commerce Foundation kauften die Briten 2015 für gut 175 Milliarden Euro im Netz ein – mehr als Franzosen, Deutsche und Russen zusammen. Das Berliner E-Commerce Unternehmen Visual meta befürchtet in einer „Brexit-Analyse“ einen Kostenanstieg für Online-Shopper innerhalb und außerhalb des Vereinigten Königreichs von zwei bis zu 15 Prozent (je nach Produktgruppe). E-Commerce-Unternehmen in Großbritannien hätten mit höheren Lieferkosten und unterschiedlichen Steuer- und Zollsystemen einen bedeutenden Nachteil.
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